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Coronavirus in Deutschland: Sechs Fehler mit bösen Folgen


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Was heute wichtig ist
Sechs Corona-Fehler mit bösen Folgen

  • Florian Wichert
MeinungVon Florian Wichert

Aktualisiert am 09.07.2020Lesedauer: 7 Min.
Üble Szenen: Demonstranten treffen in Belgrad auf die Polizei.Vergrößern des Bildes
Üble Szenen: Demonstranten treffen in Belgrad auf die Polizei. (Quelle: Marko Djurica/reuters)
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Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier kommt der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

"Wir haben die Kontrolle über die Pandemie verloren."

Mit diesem Satz drückte Professor Eli Waxman, der die israelische Regierung berät und Physiker am renommierten Weizmann-Institut in Tel Aviv ist, die ganze Hilflosigkeit und das Versagen Israels im Kampf gegen Corona aus. Und er ist längst nicht der einzige, der sich eingestehen muss, dass sein Land eine hervorragende Ausgangsposition leichtfertig verspielt hat. Andere Länder wie Deutschland fürchten sich davor, diesen Satz einmal aussprechen zu müssen.

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Während wir darüber diskutieren, die Maskenpflicht im Handel abzuschaffen oder wieder Zuschauer in die Fußballstadien zu lassen, haben andere Länder in den vergangenen Tagen teils heftige Rückschläge im Kampf gegen die Pandemie erlitten und damit gezeigt, was passieren kann, wenn man die falschen Entscheidungen zur falschen Zeit trifft. Die USA haben die Marke von drei Millionen Infizierten durchbrochen und genau wie Bulgarien Negativ-Rekordwerte im Tagesvergleich erreicht, in Israel tobt die zweite Welle, in Serbien liefern sich Demonstranten Straßenschlachten mit der Polizei wegen eines zunächst angekündigten erneuten Lockdowns und Kroatien fürchtet sich vor dem K.o. für den Reiseverkehr.

Schuld sind sechs Fehler, die wir in Deutschland unbedingt vermeiden müssen.

1. Zu früh freuen.

Israel galt als Paradebeispiel für den Umgang mit der Pandemie, genauso die Staaten des Westbalkan. Das Erfolgsrezept: ein frühzeitiger und harter Lockdown, Ausgangsbeschränkungen und Schließung von Schulen, Restaurants und Geschäften. Die Neuinfektionen pro Tag sanken auf einen niedrigen zweistelligen oder gar einstelligen Wert. Und ermutigten die Regierungschefs, vorschnelle Aussagen zu tätigen. In Serbien verkündete Staatspräsident Aleksandar Vučić den Sieg über Corona – wenn auch mit dem Hintergedanken, mit dem Schwung bei den Parlaments- und Kommunalwahlen zu gewinnen. In Israel ermunterte Premierminister Benjamin Netanjahu seine Landsleute, wieder zur Normalität zurückzukehren, Bier oder Kaffee trinken zu gehen und Spaß zu haben.

Wenige Wochen später liegen die Zahlen der Neuinfektionen in Israel plötzlich im vierstelligen Bereich und in Serbien nennt selbst Vučić die Lage "alarmierend". Die Gesundheitssysteme sind überfordert. In Serbien forderten Kämpfe mit der Polizei bei Demonstrationen gegen den erneuten Lockdown Verletzte und Festnahmen. Noch in der vergangenen Nacht warfen regierungsfeindliche Demonstranten vor dem Parlamentsgebäude Steine und brennende Gegenstände auf Polizisten. Die Polizei reagierte mit dem Einsatz von Tränengas und prügelte auf die Demonstranten ein. Hier geht es sicher nicht nur um Corona-Maßnahmen, sondern auch um das Regime – dennoch ruderte Vučić bei den Plänen für den Lockdown erstmal wieder ein Stück zurück.

2. Voreilig lockern.

Israel öffnete die Schulen bereits Anfang Mai und ließ zwei Wochen später wieder regulären Unterricht in voll besetzten Klassenzimmern zu. Als in Jerusalem mehr als hundert Lehrer und Schüler positiv getestet und Schulen wieder geschlossen wurden, war es womöglich schon zu spät – und das Virus weiter verbreitet als angenommen. Da die Ursache für unzählige Infektionen nicht zu finden ist, haben sich die meisten wohl zu Hause angesteckt, weil jemand das Virus mitgebracht hat. Fast in jedem der Länder, die einen Rückfall erlitten haben, gibt es Beispiele. In der Schweiz durften Diskotheken zu früh öffnen, was womöglich eine zweite Welle auslöste.

3. Maskenpflicht hinterfragen.

Am 15. Juni schaffte Österreich die Maskenpflicht im Handel ab, um die Wirtschaft anzukurbeln. Die Hoffnung: Ohne lästige Maske gehen mehr Menschen shoppen. Das schien zunächst gut zu gehen – nachdem die Zahl der Neuinfektionen jedoch wieder anstieg, kehrt das erste Bundesland zurück zur Maskenpflicht. Ab heute muss in Oberösterreich wieder Mund-Nase-Schutz getragen werden.

Auch Deutschland diskutierte Anfang der Woche nach einem Vorstoß aus Mecklenburg-Vorpommern über eine Abschaffung der Maskenpflicht. Die Gesundheitsminister der Länder bekannten sich letztlich zu ihr. Und bekamen nun auch Recht von den Bundesbürgern. In einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für t-online.de gaben fast zwei Drittel an, dass sie eine Lockerung der Regeln zum jetzigen Zeitpunkt für falsch hielten. Sie hatten womöglich den richtigen Riecher.

4. Ausmaß leugnen.

Die katastrophale Krisenkommunikation von US-Präsident Donald Trump ist nicht neu, dennoch liefert er täglich neue und haarsträubende Beispiele. Laut Zahlen der Johns-Hopkins-Universität von gestern Abend haben sich in den USA seit Beginn der Pandemie mehr als drei Millionen Menschen infiziert. Seit Beginn des Monats wurden rund 350.000 Neuinfektionen gemeldet, für Dienstag allein mehr als 60.000 Neuinfektionen innerhalb eines Tages und damit mehr als je zuvor seit Beginn der Pandemie.

Während Gesundheitsexperte Anthony Fauci "sofortiges Handeln" forderte und die "ernste Lage" anmahnte, sprach Trump von den USA "in einer guten Verfassung". Kein Wunder, dass viele die Schutzmaßnahmen missachten, die Gefahr herunterspielen und beispielsweise eine deutsche Studentin in den USA nur noch weg möchte.

5. Nur auf die Technik verlassen.

In Israel gibt es zum einen eine Corona-Warn-App, zum anderen bekam der Inlandsgeheimdienst die Erlaubnis, Handys von Infizierten zu orten, Bewegungsprofile zu erstellen und Kontaktpersonen zu finden. Leider funktioniert beides nicht richtig. Zu wenige Menschen entschieden sich für die App, die zudem noch fehlerhaft ist. Noch ungenauer und fehlerbehaftet ist das Ortungssystem des Geheimdienstes.

6. Leichtsinnig werden.

In Bulgarien kam der Rückfall nach einem guten Start bei der Bekämpfung des Coronavirus im März nun nach einer Reihe von Festtagen im April und Mai sowie nach der Öffnung von Lokalen, Diskotheken, Nachtclubs sowie der Stadien für Zuschauer. Mit einem Fußballspiel mit 25.000 Zuschauern hatte auch Serbien europaweit für Aufsehen gesorgt. Bei t-online.de hatte ein ranghoher Funktionär des serbischen Verbands erklärt: "Wir merken, dass die Öffnung der Stadien zum exakt richtigen Moment geschehen ist. Die Menschen in Serbien wollen wieder raus, wollen wieder leben." Falsch gemerkt!

Die Zahl der Neuinfektionen in Deutschland ist trotz vereinzelter Ausbrüche wie beim Schlachtbetrieb von Clemens Tönnies in Gütersloh insgesamt weiterhin auf einem sehr niedrigen Niveau. Damit das so bleibt und wir die Geduld nicht verlieren, lohnt gelegentlich ein Blick ins Ausland, das sich schon auf einem guten Weg wähnte. Selbst ohne Corona-Leugner an der Spitze, die sicherlich noch ganz andere Fehler machen – und das zum Teil vorsätzlich.

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Als erste Topliga Europas hat die Bundesliga im Mai ihren Spielbetrieb nach der Corona-Pause aufgenommen – als erste hat sie ihn auch zu Ende geführt. Aus Italien, England oder Spanien blickte man voller Achtung und Respekt für das Hygienekonzept nach Deutschland, schaute sich einiges ab und bringt die Saison nun in den kommenden Wochen zu Ende. Die Bundesliga als Vorbild für die Sportwelt. Ein Grund zur Freude.

Alles gut also im deutschen Fußball? Leider nein.

Denn trotz der Corona-Pause hat der FC Bayern München die Deutsche Meisterschaft gewonnen – und zwar zum achten Mal in Folge. Das ist die längste Serie, die es jemals in einer der europäischen Topligen gab. Den DFB-Pokal? Hat Bayern am vergangenen Wochenende zum zweiten Mal in Folge geholt. Die Einschaltquoten im TV sanken beim Pokalfinale allerdings auf die Hälfte im Vergleich zum Jahr 2014.

Das Urteil vieler Fans: Langweilig! Es gewinnen doch sowieso die Bayern.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht? Ich kann sie verstehen.

Unser Kolumnist Stefan Effenberg hat deshalb Alarm geschlagen. "Die Bayern-Dominanz ist auch eine Gefahr für die Attraktivität der Liga. Zehn Meisterschaften in Folge darf kein Verein gewinnen – doch genau das droht. Wenn nichts passiert", schrieb er in seiner Kolumne und schlug vor, den Modus der Bundesliga zu reformieren. Weltmeister Thomas Berthold wählte im Interview mit meiner Kollegin Melanie Muschong sogar noch drastischere Worte und sagte: "Das System Bundesliga steht vor dem Aus".

Ob das Modell von Stefan Effenberg die Lösung wäre? Oder doch eine Gehaltsobergrenze? Ein Punktabzug für den Meister als Hypothek für die nächste Saison? Auf der einen Seite haben Effenberg und Berthold Recht: Geht es so weiter, macht die Langeweile die Bundesliga kaputt. Auf der anderen Seite gibt es genügend Beispiele, die eine Sportart noch weiter kaputt gemacht haben. Beispielsweise die Formel 1 ist in einem Regel- und Punktesystem-Irrsinn versunken bei dem Versuch, mehr Spannung zu generieren. Sie sollte ein warnendes Beispiel sein.


WAS STEHT AN?

Mit zwei Wochen Verspätung findet heute nun die Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2019 mit Innenminister Horst Seehofer und dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, statt. Den ursprünglich geplanten Termin hatte Seehofers Ministerium ohne Angabe von Gründen abgesagt. Allerdings steckte er mitten in der Debatte um die umstrittene polizeikritische Kolumne der taz-Journalistin Hengameh Yaghoobifarah. Nachdem Seehofer zunächst angekündigt hatte, Anzeige erstatten zu wollen, ruderte er wenig später zurück. Die Aufregung darum ist nun verflogen und der Weg frei für die Pressekonferenz, bei der es um einen Überblick über extremistische Bestrebungen in Deutschland geht.


Kanzlerin Angela Merkel will ab 19 Uhr mit dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte über die Umsetzung des umstrittenen EU-Wiederaufbaufonds sprechen. Bei dem Abendessen soll es um die Prioritäten der bis Ende des Jahres dauernden deutschen EU-Ratspräsidentschaft gehen. Rutte ist der erste Auslandsgast Merkels im Kanzleramt seit Beginn der Hochphase der Pandemie.


WAS LESEN UND ANSCHAUEN?

Mitten in der Coronavirus-Pandemie haben die USA ihre Austrittsankündigung aus der Weltgesundheitsorganisation offiziell eingereicht. Die Meldung des Austritts, der am 6. Juli 2021 wirksam wird, ist laut einem Regierungsbeamten an UN-Generalsekretär António Guterres übermittelt worden. Nachdem das Land bereits im April seine Beitragszahlungen gestoppt hat, wird es die Organisation in einem Jahr also endgültig verlassen.

Ein Schritt, der viele Fragen aufwirft. Wie sehr beschädigt der Austritt die Arbeit der WHO? Was steckt eigentlich hinter dem Hass von US-Präsident Donald Trump auf die Weltgesundheitsorganisation? Mein Kollege David Ruch klärt auf.


Wird die Gefahr durch Aerosole bei Corona unterschätzt? Das Virus kann nicht nur über die Tröpfchen- oder Schmierinfektion, sondern womöglich auch über die Raumluft übertragen werden. Mehr als 200 Wissenschaftler kritisieren deshalb die Haltung der WHO und stellen die Abstandsregelung in Frage. Meine Kollegin Melanie Weiner hat die Hintergründe aufgeschrieben.


Bei ihrer ersten Auslandsreise nach Ausbruch der Corona-Pandemie sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel gestern im Europäischen Parlament, um den Plan für die EU-Ratspräsidentschaft vorzustellen. Eine historische Rede sollte es werden. Zuletzt hatte sie vor 13 Jahren dort eine deutsche EU-Ratspräsidentschaft eingeläutet.

Bei der Bewertung der Rede gingen die Meinungen doch deutlich auseinander. Eine Betrachtung meines Kollegen Tim Kummert lesen Sie hier. Er beschreibt, dass Merkel nun die Balance finden muss, um den Kontinent zu einen: zwischen angemessener Europa-Euphorie und einer sachlichen Auseinandersetzung mit einigen EU-Staaten. "Merkel wirkt dabei wie eine Turnerin, die das Gleichgewicht zwischen diesen Polen versucht zu finden – und es dann halten muss", schreibt er.


WAS AMÜSIERT MICH?

Die CDU und ihr Plan, sich mit einer verbindlichen schrittweisen Frauenquote zu reformieren...

Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag. Morgen schreibt mein Kollege Daniel Fersch an dieser Stelle.

Ihr

Florian Wichert
Stellvertretender Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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