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Das haben FC-Bayern-Präsident Uli Hoeneß und Kanzlerin Angela Merkel gemeinsam


Meinung
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Was heute wichtig ist
Wer zu spät geht, den bestraft das Leben

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 05.11.2019Lesedauer: 6 Min.
Sitzen oder aussitzen? Bayern-Patriarch Hoeneß und Langzeit-Kanzlerin Merkel haben mehr gemeinsam, als man denkt.Vergrößern des Bildes
Sitzen oder aussitzen? Bayern-Patriarch Hoeneß und Langzeit-Kanzlerin Merkel haben mehr gemeinsam, als man denkt. (Quelle: Collage/t-online)
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Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Irren ist menschlich. Sitzen auch. Und beides ist schädlich, wenn es zu lange dauert. Wie schädlich es ist, führen uns dieser Tage zwei notorische Sitzenbleiber vor. Beide kleben seit vielen Jahren an ihren Sesseln und haben längst den Zeitpunkt verpasst, an dem sie erhobenen Hauptes hätten abtreten können. Stattdessen machen sie immer weiter, obwohl sie keine Kraft zu mutigen Entscheidungen mehr haben, keine wegweisenden Impulse mehr setzen, die Menschen nicht mehr mitreißen. Sie halten sich für unverzichtbar und übersehen dabei, dass sie mit dieser Meinung inzwischen ziemlich allein sind. Sie sind wie Dinosaurier, die ihre Ära überdauern und sich in der Welt nicht mehr zurechtfinden. Das haben Angela Merkel und Uli Hoeneß gemeinsam.

Für die Kanzlerin gilt: Wer zu spät geht, den bestraft der Wähler. Siehe Bayern, siehe Hessen, siehe Europa, siehe Brandenburg, siehe Sachsen, siehe Thüringen. Für den Patriarch des FC Bayern gilt: Wer zu spät geht, den bestraft die Eintracht. Siehe 1:5, siehe ein falscher Trainer nach dem anderen, siehe Reformstau im Verein, siehe Mittelmaß in der Champions League, siehe Frust der Fans.

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Warum kleben einstmals erfolgreiche Menschen auch dann noch an ihren Sesseln, wenn der Erfolg sie längst verlassen hat? Eine Erklärung finden wir in einem Artikel der "Welt", sechs Jahre alt, aber immer noch aufschlussreich:

"Die Macht folgt ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten. Sie entfaltet ihre Dynamik umso stärker, je mehr man von ihr hat. Menschen, die viel Macht in sich konzentrieren, wie Politiker oder Führungskräfte in der Wirtschaft, geraten schnell in einen Sog, der das Loslassen fast unmöglich macht. Auch dann, wenn es längst Zeit dazu wäre. Mächtige mussten sich abstrampeln, um oben zu schwimmen. Wollen sie dort bleiben, dürfen sie nicht aufhören – und je mehr der Sog sie nach unten zieht, desto mehr strampeln sie."

Bianka Knoblach, die ein Buch über die Licht- und Schattenseiten der Macht geschrieben hat, sagt: "Getäuscht von diesem Selbstbild der eigenen Unverwundbarkeit verlieren viele Top-Entscheider den Blick für die Realitäten – und damit nicht zuletzt auch für diejenigen Realitäten, die ihnen eigentlich signalisieren sollten, dass es an der Zeit ist, sich zurückzuziehen."

Mit diesem Satz im Hinterkopf ist es erklärlich, warum Angela Merkel im Bundestagswahlkampf 2017 ein weiteres Mal als CDU-Spitzenkandidatin antrat, obwohl ihre Zeit längst um war und das Land dringend neue Entscheider mit frischen Ideen brauchte. Es wird verständlich, warum Uli Hoeneß meinte, nach seiner Gefängnisstrafe unbedingt an die Spitze des erfolgreichsten deutschen Fußball-Klubs zurückkehren zu müssen, obwohl dieser dringend neue Entscheider und Strukturen brauchte, um im Wettbewerb der europäischen Top-Vereine mithalten zu können.

Macht macht süchtig. Und die Angst vor dem Machtverlust macht blind für die Realität. "Das kommt für manche einer existenziellen Bedrohung gleich – weil sie dann nicht mehr wissen, wer sie überhaupt sind und welchen Sinn ihr Leben hat", sagt Michael Schmitz, der ebenfalls ein Buch über die "Psychologie der Macht" geschrieben hat. "Sie verstehen oft die Welt nicht mehr, sehen sich als Opfer von Intrigen, Ungerechtigkeiten und Kampagnen – in Verkennung der eigentlichen Entwicklung, die dahintersteht, und dem eigenen Anteil daran." Wer es dagegen schafft, rechtzeitig von seinem Chefsessel aufzustehen und zu gehen, hinterlässt zwar eine Lücke. Aber er stärkt seine Nachfolger, ermöglicht einen neuen Aufbruch und erntet großen Respekt. Diesen Moment haben sowohl Uli Hoeneß als auch Angela Merkel verpasst.


WAS STEHT AN?

Regierungen sind dazu da, Probleme zu lösen. Die große Koalition tut gerade das Gegenteil: Sie macht ein Problem immer größer. Der Zank über die Grundrente hat den Rahmen der Sachpolitik gesprengt und ist zum Grundsatzstreit eskaliert: Setzt ihr euch durch oder wir? CDU/CSU einerseits und die SPD andererseits fahren immer schwerere Geschütze gegeneinander auf und feuern aus allen Rohren: Interviews, Talkshowgeschnatter und Tweets prasseln auf das Publikum nieder. Wer in dem Stimmengewirr genau hinhört, stellt schnell fest: Rationale Argumente und konstruktive Lösungsvorschläge werden vom Säbelrasseln der beiden zerzausten Parteiarmeen überdröhnt. Die SPD kämpft ums Überleben und stilisiert daher den Kampf gegen die Bedürftigkeitsprüfung zum quasireligiösen Glaubensdogma: Wenn wir das nicht durchsetzen, können wir die Groko gleich verlassen! Die vom Thüringer Wahldesaster erschütterten, führungslosen CDU-Kader heben die Hand ebenfalls zum Schwur: Wenn wir der SPD jetzt noch mal nachgeben, dann können wir gleich abtreten!

So dauert der Streit über die Grundrente – eine sinnvolle soziale Errungenschaft, wenn sie klug geplant und sorgfältig umgesetzt wird – schon viel zu lange (eine Übersicht über die Streitpunkte hat mein Kollege Jonas Schaible hier zusammengestellt). Dabei wäre eine Einigung gar nicht so schwer. Eine generelle Überprüfung der Bedürftigkeit (CDU-Position) vergrößert die Bürokratie, kann als würdelos empfunden werden und Antragsteller abschrecken. Ganz ohne Kontrolle (SPD-Position) geht es aber auch nicht, sonst würden womöglich auch Menschen profitieren, die es gar nicht nötig haben. Man sollte zudem diejenigen nicht vergessen, die die Rechnung bezahlen: Die Arbeitnehmer müssen all die Milliarden erst einmal erwirtschaften. Sie haben ein Recht darauf, dass der Staat mit ihrem Steuergeld verantwortungsvoll umgeht.

Der Schlüssel zur Lösung des Problems liegt in der Steuererklärung. Die macht nur, wer ein relevantes Einkommen hat – durch Arbeit, aber auch durch Mieteinnahmen, Zinsen und andere Erträge. Das sehen die Behörden. So könnten sie jene Bürger aus der Grundrente herausnehmen, die genug verdienen. "Alle anderen dagegen könnten rasch und ohne großen Aufwand eine Anerkennung für viele Jahre gering bezahlter Arbeit erhalten, die ihnen über die Runden hilft", kommentiert die "Süddeutsche Zeitung". "Und die Koalition hätte den Nachweis erbracht, dass sie das Leben von Menschen spürbar und mit Weitblick verbessert."

Könnte. Hätte. Dafür müssten die Streithähne aber erst einmal ihre Visiere hochklappen, das Gesetz entsprechend formulieren, also Sach- statt Religionspolitik machen. Wenn sie es im Koalitionsausschuss am kommenden Sonntagabend nicht schaffen, müssen wir daran zweifeln, dass sie dazu noch in der Lage sind.


ZITATE DES TAGES

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte unserem Reporter Tim Kummert: "Es geht bei der Grundrente um Menschen, die geschuftet haben und trotzdem nur eine Mini-Rente bekommen. Der SPD ist sehr klar, dass diese Menschen etwas obendrauf bekommen sollen, um ihre Lebensleistung anzuerkennen. Das muss gehen, ohne dass sie beim Staat um Unterstützung betteln und sich blank machen müssen."

CDU-Parlamentarier Christian von Stetten hält dagegen: "Das ist parteipolitische Dummheit, was die SPD da macht. Denen sollte es doch ein Anliegen sein, den wirklich Bedürftigen zu helfen. Wir haben die Diskussion vor zwei Jahren schon mal geführt – und uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass die Grundrente kommt, aber mit der Bedürftigkeitsprüfung."


Das Bundesverfassungsgericht verkündet heute Morgen sein Urteil zur Rechtmäßigkeit von Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger. Warum die Entscheidung das Leben von mehr als sechs Millionen Menschen beeinflussen könnte, erklärt Ihnen meine Kollegin Rebekka Wiese.

In London kommt das britische Parlament zu seiner letzten Sitzung vor der Neuwahl am 12. Dezember zusammen. Zum Nachfolger von Parlamentspräsident John Bercow wurde Lindsay Hoyle gewählt. Ob er ooooordern kann?

Der Europäische Gerichtshof entscheidet über das Ruhestandsalter für polnische Richter. Klingt dröge, ist aber brisant, weil es um die Unabhängigkeit der Justiz in der EU geht.

Die Bundesminister Peter Altmaier (Energie), Andreas Scheuer (Verkehr) und Gerd Müller (Entwicklung) geben heute eine Pressekonferenz zur nationalen Wasserstoffstrategie. Äh, welche Strategie?


WAS LESEN UND ANSCHAUEN?

Weitsicht ist keine Stärke der Politik, und der Umgang der Bundesregierung mit der nahenden Klimakatastrophe ist das beste Beispiel dafür. Warum schieben Politiker die Lösung akuter Probleme so oft auf die lange Bank? Mario Sixtus, digitaler Vordenker und Pionier des deutschen Internets, liefert in seinem neuen Buch "Warum an die Zukunft denken?" eine einleuchtende Erklärung. Für t-online.de hat er sie knapp zusammengefasst.


Norbert Röttgen (CDU) zählt zu den erfahrensten Außenpolitikern Deutschlands. Im ZDF-Interview rechnet er mit der Europa- und Nahostpolitik der Merkel-Regierung ab: "So geht es nicht weiter."


Fußball gilt als Volkssport – doch wie lange noch? Wenn heute und morgen Borussia Dortmund und der FC Bayern in der Champions League kicken, sehen wir Fernsehzuschauer im Free-TV: gar nichts. Die Rechte an der Königsklasse liegen bei den Bezahlsendern Sky und DAZN, die Telekom hat sogar die Rechte an der Europameisterschaft 2024 gekauft. Verliert der Fußball dadurch seinen Status? Mein Kollege Noah Platschko hat den Fernseh- und Sportmoderator Johannes B. Kerner gefragt.


WAS AMÜSIERT MICH?

Die Ergebnisse des Autogipfels gestern Abend im Kanzleramt? Bürger bekommen zwar eine höhere Prämie für den Kauf von E-Autos spendiert – Deutschland hat allerdings viel zu wenige Ladestationen. Aber die super innovative Autobranche wird dieses Problem bestimmt ruckzuck lösen.

Ich wünsche Ihnen einen erfindungsreichen Tag. Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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