Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Was heute wichtig ist Wenn das schiefgeht...
Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,
hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:
WAS WAR
Es sollte der letzte große und kluge Schachzug werden vor der Wahl zur Kommissionspräsidentin der EU. Gestern Abend kündigte Ursula von der Leyen ihren Rücktritt als Verteidigungsministerin für den morgigen Mittwoch an. Das Signal: Seht her, ich setze alles auf eine Karte. Die Karte Europa. Dass eine Rückkehr ins Verteidigungsministerium mittlerweile ohnehin kaum mehr denkbar gewesen wäre? Geschenkt.
"Der Rat der Europäischen Union hat mich Anfang Juli als Kandidatin für die Präsidentschaft der EU-Kommission vorgeschlagen", so beginnt von der Leyens Erklärung auf der Homepage des Bundesministeriums für Verteidigung.
Kleiner Haken: Es war nicht der Rat der Europäischen Union. Der besteht nämlich in unterschiedlicher Zusammensetzung aus Fachministern und wird auch Ministerrat genannt. Von der Leyen wurde stattdessen vom Europäischen Rat vorgeschlagen, also von den Staats- und Regierungschefs wie Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron oder Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán.
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Das kann passieren – kann aber auch zum Problem werden. Denn der Patzer spielt jenen in die Hände, die von der Leyen vorwerfen, sich nicht ausreichend in der EU auszukennen. Zumal es ohnehin eng wird.
WAS STEHT AN?
Der heutige Tag wird historisch. Entweder wählen die Abgeordneten des EU-Parlaments in Straßburg zum ersten Mal in der Geschichte eine Frau als neue Kommissionspräsidentin und damit für den Posten an der Spitze. Oder sie stürzen die EU mit ihrer Nicht-Wahl in eine schwere Krise.
Ursula von der Leyen braucht 374 Stimmen von aktuell 747 Mandatsträgern. Um 9 Uhr hält sie ihre Bewerbungsrede, um 18 Uhr findet die geheime Abstimmung im Parlament statt, das Ergebnis wird gegen 19 Uhr erwartet. Von der Leyen hat nur eine Chance. Fällt sie durch, ist es vorbei.
Was sich seit Tagen in und um Brüssel abspielt: ein Krimi. Und – sehen wir es positiv – ein Beispiel dafür, wie spannend Politik sein kann.
Regierungschefs, Abgeordnete und Fraktionen feilschen hinter den Kulissen um Stimmen. Sie stellen Forderungen, mahnen zur Vernunft oder machen ihrem Ärger Luft. Und von der Leyen versucht, ihnen entgegen zu kommen – zum Beispiel, indem sie wie gestern der sozialdemokratischen Fraktion ein umfassendes Konzept zur Treibhausgasreduzierung ankündigt, "um das EU-Ziel für 2030 in verantwortlicher Weise Richtung 55 Prozent zu erhöhen". Dann noch die Rücktrittsankündigung als Verteidigungsministerin.
Der Stand vor der entscheidenden Abstimmung? Noch immer unklar. Von der Leyen hat eine Zusage von ihrer Parteienfamilie, der Europäischen Volkspartei (EVP) mit 182 Mandaten. Von Grünen und Linken hat sie eine Absage. Sie braucht einen großen Teil der Stimmen der 108 Liberalen und der 153 Sozialdemokraten. Darum warb von der Leyen auch gestern noch intensiv. Dennoch wollten sich Liberale und Sozialdemokraten zunächst nicht entscheiden. Hoffnung macht der Aufruf von SPD-Politiker und Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann gegenüber der "Hannoversche Allgemeine Zeitung", doch von der Leyen zu wählen.
Helfen würden auch Stimmen aus der rechtskonservativen Fraktion EKR oder der rechtspopulistischen ID, der neben der Alternative für Deutschland unter anderen die italienische Lega und die Partei Rassemblement National der französischen Nationalistin Marine Le Pen angehören. Fraglich ist allerdings, ob von der Leyen die will. Beide Fraktionen sind EU-kritisch. Will von der Leyen mit ihren Stimmen in den nächsten fünf Jahren ihre Vorhaben umsetzen? Eine Stärkung der EU, des Rechtsstaats und des Klimaschutzes? Will sie mit ihnen eine Asylreform umsetzen? Wirklich gute Aussichten wären das nicht.
Noch schlimmer wäre nur, wenn es gar nicht reicht.
Das wäre für die EU und auch für von der Leyen persönlich erst mal ein schwerer Schlag.
- Die Staats- und Regierungschefs hätten einen Monat Zeit, einen neuen Vorschlag für ein Tableau vorzulegen. Das alte wäre komplett gesprengt. Plötzlich wäre wieder alles möglich.
- Die Glaubwürdigkeit der EU wäre auf einem neuen Tiefpunkt. Für die Abkehr vom Spitzenkandidatenprinzip gab es bereits viel Kritik. Die Idee, von der Leyen zu inthronisieren, kam für die Wähler aus dem Nichts. Wenn die auch noch durchfallen würde, wären alle Beteiligten zunächst beschädigt.
- Die Karriere von der Leyens wäre wohl am Ende. Ihre Zeit als Verteidigungsministerin ist vorbei und bleibt nach Pannen, Skandalen und Problemen rund um die Bundeswehr ohnehin nicht wirklich in guter Erinnerung. Ein anderes Bundesministerium? Schwer vorstellbar nach den Misserfolgen. Es würde – wenn überhaupt – noch auf einen Posten in der zweiten Reihe in Europa hinauslaufen.
- Die Auswirkungen auf die große Koalition? Die wären fatal. CDU/CSU würden ein Aus für von der Leyen bei der EU der SPD anlasten. Der nächste große Streit wäre vorprogrammiert.
- Der größte Verlierer wäre die Politik überhaupt. Welcher Wähler sollte so ein Geschacher noch verstehen?
Die EU braucht sicherlich Reformen – unabhängig von dem Ausgang der heutigen Wahl der Kommissionspräsidentin. Eine Wahl von der Leyens würde ihr aber zumindest Zeit verschaffen, die sie ebenso dringend braucht.
Bundeskanzlerin Angela Merkel wird am morgigen Mittwoch 65 Jahre alt. Große Feierlichkeiten sind nicht geplant. Ob es mehr zu Feiern gibt als den Geburtstag, entscheidet sich heute im EU-Parlament – mit der Wahl oder Nicht-Wahl von der Leyens. Zu wünschen wäre es Merkel. Mit ihren Zitteranfällen, Kurzatmigkeit und damit zusammenhängenden Spekulationen um ihre Gesundheit ist sie in den vergangenen Tagen und Wochen genug gebeutelt.
Heute ist die moldauische Ministerpräsidentin Maia Sandu in Berlin zu Gast. Um 12.30 Uhr findet der Empfang mit militärischen Ehren statt. Erneut werden alle Augen auf die Kanzlerin gerichtet sein. Wird sie erneut sitzen, um nicht wieder zu zittern – wie beim Empfang der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen?
Ab 22 Uhr wird sich der Erdtrabant heute Abend in den Kernschatten der Erde schieben. Oder kurz: Mondfinsternis – genau genommen eine partielle. Rostrot soll der Mond dann sein. Einen klaren Vorteil haben Sie, wenn Sie im Süden Deutschlands wohnen, im Optimalfall südlich des Mains, so der Wetterdienst. Im Norden ist es wahrscheinlich zu bewölkt. Der Höhepunkt: Gegen 23.30 Uhr sind knapp zwei Drittel vom Erdschatten bedeckt.
Die Mondfinsternis passt zum großen Jubiläum: Exakt vor 50 Jahren, am 16. Juli 1969, startete die "Apollo 11"-Mission, am 20. Juli landete ihre Mondfähre auf dem Erdtrabanten, und am frühen Morgen des 21. Juli deutscher Zeit betrat der Nasa-Astronaut Neil Armstrong als erster Mensch den Mond. Daran können wir uns heute Abend erinnern.
WAS LESEN ODER ANSCHAUEN?
Der 1. September 2019 ist ein wahnsinnig wichtiges Datum. Eines, das Deutschland aufwühlen wird, wie unser Kolumnist Gerhard Spörl schreibt. Sachsen und Brandenburg wählen ihren Landtag. Länder also, in denen die AfD fast schon eine Volkspartei ist – gegen die die anderen Parteien nur gemeinsam eine Regierung bilden können.
Und ausgerechnet im Vorfeld tobt in der AfD ein Machtkampf, Alexander Gauland verliert an Macht, Alice Weidel wechselt die Fronten und die große Reizfigur tritt ins Rampenlicht: Björn Höcke. Das hat Folgen für die AfD und für Deutschland.
Auch der 1. Januar 2020 ist ein wichtiges Datum. Ab dann müssen bei der Polizei weit mehr Vernehmungen als bisher mit Videokameras aufgenommen werden – um vorsätzliche Tötungsdelikte wie Mord und Totschlag aufzuklären zum Beispiel. Ein Problem: Viele Dienststellen sind dafür noch gar nicht ausgestattet. Das ist allerdings nichts gegen die Probleme, die die Gewerkschaft der Polizei in Nordrhein-Westfalen erwartet.
Der Mantarochen kann eine Spannweite von bis zu sieben Metern erreichen – und gilt als einer der intelligentesten Meeresbewohner. Warum er das ist, das zeigen diese spektakulären Aufnahmen. Ein verletzter Mantarochen lässt sich mehrere Angelhaken von einem Taucher entfernen. Weil Taucher und Mantarochen sich kennen?
In den vergangenen Monaten sind Quiz zu einem festen Bestandteil von t-online.de geworden. Jeden Tag arbeiten meine Kolleginnen Charlotte Janus und Svenja Dilcher an weiteren kniffligen Quiz. Mehr als eine Million Fragen täglich beantworten Leser bei uns. Falls Sie zwischendurch die Zeit finden, haben wir hier ein paar der beliebtesten Quiz zusammengestellt. Viel Spaß.
- Allgemeinwissen: Wie groß war die größte Frau der Welt?
- Berühmte Zitate: Wer hat es gesagt?
- Reiseziele: Erkennen Sie diese beliebten Orte?
- TV-Klassiker: Wer hat diese Sendungen moderiert?
- Deutsch: Kennen Sie den Plural auch ohne Wörterbuch?
WAS AMÜSIERT MICH?
Beim Fußball-Zweitligisten Dynamo Dresden gibt es gleich doppelt Grund zur Freude. Zum einen empfängt der Verein heute im heimischen Rudolf-Harbig-Stadion ab 20.20 Uhr den europäischen Spitzenklub Paris St. Germain mit dem deutschen Top-Trainer Thomas Tuchel zu einem Saison-Vorbereitungsspiel – zum anderen präsentiert der Traditionsverein seinen Fans zum ersten Mal das nagelneue weiße Auswärtstrikot. Vor lauter Glückseligkeit kann man da schon mal übersehen, dass dem Praktikanten mit Photoshop ein kleiner Fehler auf dem Instagram-Account unterlaufen ist.
Ich wünsche Ihnen einen pannenfreien Start in den Tag.
Ihr
Florian Wichert
Stellvertretender Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de
Twitter: @florianwichert
Mit Material von dpa.
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