Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Was heute wichtig ist Das ist überhaupt nicht komisch
Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,
hoffentlich haben Sie die Ostertage genossen. Hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:
WAS WAR?
Sonne, Müßiggang, Frohsinn: Der Herrgott hat uns ein herrliches Osterwochenende beschert. Wer weder an den lieben Gott noch an Petrus glaubt, hat es bestimmt trotzdem genossen. Wenn man sich zwischen Spargel und Schoko-Ei genüsslich im Liegestuhl zurücklehnte, mag einem der Gedanke durch den Kopf gehuscht sein: Was haben wir es doch gut in diesem Land. Sicher, auch bei uns fällt das Manna nicht vom Himmel, auch uns bedrücken manchmal Sorgen und Nöte. Aber alles in allem können wir doch zufrieden und dankbar sein.
Andernorts sieht es anders aus. Revolutionswirren, Krieg, Korruption: Die Menschen in der Ukraine, die erst am kommenden Wochenende Ostern feiern, sind leidgeprüft. Vielen mangelt es am Nötigsten. Aber viele hegen auch eine große Hoffnung: Dass es bergauf gehen kann, wenn man politisch die Weichen richtig stellt. Anders als im großen Nachbarland Russland, wo die Weichen seit 19 Jahren von ein und derselben Person gestellt werden, haben die Ukrainer ihren Weichensteller nun kurzerhand ab- und einen Außenseiter ins Präsidentenamt gewählt: Wolodymyr Selenskyj, den "Komiker", so nennen ihn die Medien, weil über ihn wenig mehr bekannt ist, als dass er in einer Comedy-Serie mitspielte. Dabei ist er viel mehr: Er ist der Mann, der die herrschende Clique der Ukraine herausfordert. "Ich bin das Produkt Ihrer Politik", schmetterte er dem bisherigen Präsidenten Petro Poroschenko entgegen – der, das ist vielleicht das Bemerkenswerteste an dem Vorgang, das Wahlergebnis anstandslos akzeptierte und beiseite trat.
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Nicht nur in der Ukraine, auch in Russland werden Millionen Menschen diesen Vorgang sehr genau beobachtet haben: So geht das in der Demokratie. Zugleich ermutigt diese Wahl jeden, der sich politisch engagieren will, ohne dabei auf Kontakte, Erfahrung und Netzwerke zurückzugreifen. Nicht nur von seinem Widersacher, auch von den Regierungschefs in Westeuropa wurde Selenskyj lange als naseweiser Hallodri belächelt. Ein Komiker im Präsidentenpalast? Das wäre ja wohl ein schlechter Witz!
Nun hat eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung, die der Mauscheleien, der Korruption und des Krieges überdrüssig ist, ernst gemacht – und ihr Hoffnungsträger kündigt sofort Veränderungen an: Die Macht des Militärs will er eindämmen, der Vetternwirtschaft einen Riegel vorschieben, den Friedensplan für den umkämpften Osten des Landes endlich umsetzen. Ob ihm das gelingt? Noch ist es zu früh, dies zu beurteilen. Noch wissen wir nicht, ob Selenskyj sich wirklich von den allmächtigen Oligarchen lossagt. Aber eines wissen wir jetzt: Die Menschen in der Ukraine wollen den politischen Neuanfang. Sie haben ihn verdient. Und das ist überhaupt nicht komisch.
An Ostersonntag waren die Kirchen voll. Es ist der höchste Feiertag des christlichen Kalenders, der Tag der Auferstehung, der Erlösung. Christen in aller Welt versammelten sich, um zu feiern, dass die Macht des Todes gebrochen worden ist. Kurz vor Ende einer solchen Messe begab sich ein junger Mann unter die Betenden in einer überfüllten Kirche. Einen ruhigen Eindruck habe er gemacht, berichtete später ein Augenzeuge. Einen großen Rucksack hatte er auch dabei. Ein anderer Ort, ein anderer Augenzeuge: Ein Mann steht in der Schlange vor dem Frühstücksbuffet in einem Hotel – dann zündet er seine Bombe.
Drei Kirchen und drei Luxushotels in Sri Lanka wurden zum Ziel von Selbstmordattentätern, später folgten weitere Explosionen. An einem Busbahnhof entdeckten Polizisten 87 Zünder für noch mehr Bomben. Die Zahl der Opfer macht uns fassungslos: 310 Tote und 500 Verletzte, das ist die Bilanz bis jetzt.
An dieser Stelle würde ich Ihnen gerne eine Erklärung für das Grauen dieses Ostersonntags präsentieren. Aber ich muss passen, denn tatsächlich gibt das, was bisher aus Sicherheitskreisen an die Öffentlichkeit gelangt ist, viele Rätsel auf. "National Thowheed Jamath" (NTJ), eine bislang kaum bekannte Gruppe, die sich von einer unbedeutenden radikalislamischen Organisation abgespalten hat: Das sollen die Täter sein. Bisher ist die NTJ nur einmal in Erscheinung getreten, als sie buddhistische Tempel im Inneren Sri Lankas beschädigte. Und nun diese grauenhafte Tat?
Ein Anschlag dieser Größenordnung erfordert eine komplexe Vorbereitung. Die Regierung Sri Lankas verweist auf Unterstützung "aus dem Ausland" – ohne bisher zu sagen, wen sie damit meint. Überhaupt hat die Regierung viel zu erklären. Zwei Wochen vor dem Attentat hatten Sicherheitsbehörden Alarm geschlagen, dabei die NTJ und einige ihrer Mitglieder namentlich genannt. Diese Warnung versackte auf höchster Regierungsebene. Ein Wunder ist das nicht. Der Präsident und der Premierminister sind verfeindet und treten faktisch als Parallelregierungen auf. Die Sicherheitsbehörden unterstehen Präsident Sirisena, während Premier Wickremesinghe und sein Kabinett von Treffen des Sicherheitsrates ausgeschlossen sind. Der andauernde Machtkampf an der Spitze des Staates behindert die Arbeit der Behörden. Zugleich werden die Anschläge von beiden Seiten schon jetzt politisch ausgenutzt. Ein Minister munkelte gar, er wolle einen "Coup nicht ausschließen".
Es gibt viele Verlierer nach diesem Tag. Die Muslime Sri Lankas sind eine Minderheit und selbst Opfer von Repression und Pogromen. Das Verhältnis zur buddhistischen Mehrheit ist gespannt. Die Christen im Land waren in diesem Konflikt bisher nicht zur Zielscheibe geworden. Wenn es den Attentätern allerdings darum gegangen ist, weltweit größtmögliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, wurde ihr Wunsch erfüllt. Selbst in den Ostersegen des Papstes hat es das Gedenken an die Opfer geschafft. Wie jedes Jahr hat der Pontifex Worte der Hoffnung an die Gläubigen gerichtet, denn die Macht des Todes ist an diesem Tag gebrochen worden. Nur, das ist schon fast 2.000 Jahre her.
WAS STEHT AN?
Außenminister Heiko Maas leitet heute die Sitzung des UN-Sicherheitsrats, auf der Agenda steht das Thema "Sexuelle Gewalt in Konflikten". Maas hat sich für seinen Auftritt schon im Vorhinein prominente Unterstützung ins Boot geholt.
In Erfurt eröffnet Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow heute Abend ein großes Forschungsprojekt zu biografischen Erfahrungen von Bürgern der DDR und ihren Wende-Erlebnissen.
Manfred Weber (CSU) will EU-Kommissionspräsident werden. Heute Abend beginnt er in Athen seinen Wahlkampf und stellt sein Programm vor. Unter anderem will er dem Einwegplastik, der Jugendarbeitslosigkeit und der EU-Bürokratie den Kampf ansagen.
Der Hamburger SV galt lange als Skandalnudel des deutschen Fußballs. Mittlerweile haben sich die Hanseaten einigermaßen konsolidiert: Im Halbfinale des DFB-Pokals dürfen sie heute gegen RB Leipzig antreten. In der 2. Bundesliga stehen sie auf einem Aufstiegsplatz – allerdings mit nur zwei Punkten Vorsprung auf die Verfolger. Vergeigen die Hamburger den Wiederaufstieg also noch? Eine Steilvorlage für Florian Wichert und Sebastian Harfst in unserem Zweikampf der Woche.
WAS LESEN UND ANHÖREN?
In seinen Büchern erklärt er kenntnisreich Europa, seine wissenschaftlichen Urteile sind ebenso respektiert wie gefürchtet – aber wenn man ihm gegenübersitzt, dann ist Ian Kershaw ein zurückhaltender, freundlicher Herr, der leise spricht und seine Worte allenfalls mit einem Schmunzeln untermalt. Doch was er sagt, ist treffsicher und schonungslos: Eine halbe Stunde lang durften mein Kollege Marc von Lüpke und ich den weltberühmten Historiker befragen. Wir wollten von ihm wissen, wo die wahren Gründe für den Brexit liegen, warum die Briten sehenden Auges ins Unglück zu rennen scheinen und wie er Theresa May beurteilt. Irgendwann vergaßen wir die Zeit, und Sir Ian vergaß wohl, dass er eigentlich auf den Zug musste. Wir redeten über den Zweiten Weltkrieg und die Flüchtlingskrise, und er erklärte uns geduldig deren Wirkung auf den Brexit. Das Ergebnis können Sie in unserem Interview lesen. (Sir Ian hat den Zug übrigens gerade noch erwischt.)
Acht Monate in türkischer Haft, die meiste Zeit davon gemeinsam mit ihrem zweijährigen Sohn – ohne wirklich zu wissen, warum: Die Geschichte der deutschen Journalistin und Übersetzerin Meşale Tolu ist voller Fragen nach Recht und Unrecht, dreht sich aber auch um Zusammenhalt, Mut und Mutterliebe. All das zu lesen, in einem Auszug aus ihrem Buch, ist beeindruckend. Aber Meşale Tolu selbst über ihre Erlebnisse sprechen zu hören, ist noch einmal etwas ganz anderes. Meinem Kollegen Marc Krüger hat sie erzählt, was sie durchgemacht hat, was ihr im türkischen Frauengefängnis Kraft gab und wie es ihr heute geht. Hier können Sie ihr zuhören.
WAS AMÜSIERT MICH?
Alle Vögel sind scho-hon da, alle Vögel, aaaaalle. Amsel, Drossel, Fink und … Oh, da ist ja noch jemand.
Ich wünsche Ihnen einen fröhlichen Tag. Heute Abend dürfen Sie sich ohne schlechtes Gewissen ein zweites Bierchen gönnen. Am Tag des Deutschen Bieres wird Ihnen da niemand einen Vorwurf machen.
Ihr
Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de
Mit Material von dpa.
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