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Tagesanbruch: Das Desaster der amerikanischen Außenpolitik


Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

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Tagesanbruch
Was heute Morgen wichtig ist

Meinung von Florian Harms

16.05.2018Lesedauer: 6 Min.
Militärmanöver von Südkorea und USAVergrößern des Bildes
Militärmanöver von Südkorea und USA (Quelle: imago)
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Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Ja, was ist denn da plötzlich los? Gerade haben viele Politiker und Medien doch noch die Entspannung auf der koreanischen Halbinsel beklatscht. Endlich Bewegung im Atomkonflikt, Kim will abrüsten und Trump treffen – und nun das: Nordkorea droht, das historische Treffen abzusagen. mehr

Was da los ist? Das ist los: Das Regime in Pjöngjang erregt sich darüber, dass die amerikanische und die südkoreanische Luftwaffe ihre gemeinsamen Militärübungen – anders als erhofft – nicht einstellen, sondern fortführen. Das mag man eine starrköpfige Reaktion eines starrköpfigen Regimes nennen. Man kann es aber auch Realpolitik nennen. Einen Poker, um im Entspannungsprozess die Trümpfe zu wahren.

Denn die Frage ist ja berechtigt: Warum müssen Washington und Seoul ausgerechnet jetzt noch mal üben, wie sie am besten den Norden angreifen? Und die Frage ist auch: Warum sollte Nordkorea den USA glauben, dass die ihr diplomatisches Entgegenkommen wirklich ernst meinen? Ja, das Regime in Pjöngjang ist grausam, brutal, undemokratisch. Ja, es provoziert mit seiner aggressiven Außenpolitik seit Jahren seine Nachbarn.

Was allerdings die Außenpolitik angeht, werden auch die USA in vielen Weltregionen keinesfalls als verlässlicher, rücksichts- und respektvoller Partner wahrgenommen. Im Gegenteil. Vielerorts hat man schon seit Jahren den Eindruck: Wer nicht nach Washingtons Pfeife tanzt, der bekommt schnell die Knute. Dem drohen politische Isolierung, Wirtschaftssanktionen, Sabotage durch Geheimdienste, im schlimmsten Fall ein Militärangriff.

"Die amerikanische Außenpolitik der vergangenen 25 Jahre war ein Desaster", schreibt der renommierte Harvard-Politologe Stephen Walt. Die Nato-Osterweiterung hat den Konflikt mit Russland verschärft. Die NSA-Spionage hat das Vertrauen zerstört. Der Irakkrieg hat den gesamten Nahen Osten destabilisiert und den Aufbau des Islamischen Staats durch ehemalige Saddam-Offiziere ermöglicht. Das Wegbomben der Gaddafi-Diktatur ohne Strategie für die Zeit danach hat Libyen ins Chaos gestürzt. Die folgenden Konflikte haben viele Menschen veranlasst, aus dem Irak, Syrien und Libyen zu fliehen – und damit auch Deutschland große Probleme beschert. Und nun torpediert Washington auch noch den internationalen Klimaschutz und zettelt Konflikte mit dem aufstrebenden China an. So gesehen: Eine desaströse Bilanz.

Ich könnte mir vorstellen, dass auch mancher in Pjöngjang das so sieht. Und es für eine ebenso schlechte Idee hält, sich den Begehrlichkeiten der US-Regierung vollständig zu beugen wie sie komplett zu verweigern. Da erscheint ein Mittelweg klüger: mal ein bisschen mitspielen, mal ein bisschen dagegen sträuben – und so das Beste für sein Land herausholen. Realpolitik eben. Und die EU? Guckt zu. Puh.

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WAS STEHT AN?

Allerlei wichtig Erscheinendes steht heute an. Kanzlerin Merkel verteidigt am Morgen im Bundestag den Haushaltsentwurf ihrer Regierung, mehr Geld für dies, mehr Geld für das, spricht über Nahost, den Iran und was so ansteht. Das Bundesverfassungsgericht verhandelt über die Rechtmäßigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunkbeitrags: Ist es wirklich zulässig, dass die Zwangsgebühr in voller Höhe für jede Wohnung erhoben wird, egal, ob die Bewohner überhaupt Empfangsgeräte besitzen oder nicht? Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann will mit Bundestagspräsident Schäuble und vielen anderen sicher ähnlich wichtigen Leuten darüber diskutieren, wie die demokratische Öffentlichkeit in Deutschland gestärkt werden kann. Zweifellos alles wichtig und wert, sich damit zu beschäftigen.

Ich werde meine wenigen freien Minuten heute trotzdem auf etwas anderes verwenden. Ich werde endlich wieder mal das Tagebuch der Anne Frank aufschlagen und einige Seiten darin lesen. Nicht nur weil ich es für eines der wichtigsten Bücher überhaupt halte, sondern auch, weil mich diese Meldung gestern berührt hat: Mehr als 70 Jahre nach seiner Entstehung sind zwei bislang unleserliche Seiten in dem Tagebuch entziffert worden. Diese Textpassagen sind eher banal – aber sie verdeutlichen uns noch einmal, was die 13-jährige Anne in ihrem Versteck in einem Amsterdamer Hinterhaus fühlte, vor ihrer Ermordung durch die deutschen Nazis. mehr

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Ankündigen darf ich Ihnen aber auch noch etwas. Vielleicht haben Sie in den vergangenen Monaten bemerkt, dass wir das publizistische Angebot auf t-online.de beständig weiterentwickeln. Heute freue ich mich, Ihnen drei neue Formate vorstellen zu können:

  • "Wie schreibt man das noch gleich?" Manche Schreibweisen muss man immer wieder nachschlagen – es sei denn, man weiß, wie's richtig ist. Da können wir helfen: Unsere Korrektorin Stefanie Schlünz, die uns Redakteuren regelmäßig auf die Sprünge hilft, schreibt ab jetzt in einer Kolumne über die Tücken der Orthografie – und gibt praktische Tipps, wie man sie überbrückt. In ihrem ersten Beitrag geht es um die Groß- und Kleinschreibung. Sehr empfehlenswert. Ich jedenfalls mache so manchen misslichen Fehler seltener, seit ich weiß, wer wann Recht, nein: recht hat. Aber lesen Sie selbst.
  • In einer weiteren neuen Serie beleuchten wir ungeklärte Kriminalfälle und beschreiben, was aus den Polizeiermittlungen geworden ist. Vielleicht erinnern Sie sich an den Vierfachmord in den französischen Alpen, vor vier Jahren sorgte er für Entsetzen. Bisher konnte die französische Polizei das mysteriöse Verbrechen nicht klären – jetzt gibt es eine neue Spur: War damals ein Serienkiller unterwegs? Mein Kollege Dietmar Seher hat den Fall aufgerollt. Hier lesen Sie mehr.
  • Ganz am Ende der t-online.de-Startseite steht ab heute Mittag das dritte neue Format: das historische Bild. Dort zeigt Ihnen unser Zeitgeschichte-Redakteur Marc von Lüpke nun jeden Tag eine neue bemerkenswerte Aufnahme aus den Jahrzehnten seit Erfindung der Fotografie. Mal kurios, mal tragisch, mal wundersam – aber immer überraschend. Und weil Sie als Leserinnen und Leser des Tagesanbruchs selbstverständlich eine Vorzugsbehandlung verdienen, zeige ich Ihnen das heutige Bild schon vorab. Wenn Sie allerdings wissen möchten, was John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr in Indien und in diesen seltsamen Klamotten getan haben, erlaube ich mir, Sie bis 10 Uhr auf die Folter zu spannen. Dann lesen Sie die Auflösung: In unserer neuen Rubrik am Ende der t-online.de-Startseite.

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WAS LESEN?

Das Verhältnis zwischen Mietern und Vermietern ist speziell. So weit, so banal. Dass da nicht immer eitel Sonnenschein herrscht? Ja klar, wussten wir. Reihte man die Gerichtsakten der einschlägigen Verfahren aneinander, käme man wohl locker von München bis Hamburg. Was aber nicht jeder weiß: Die Richter im Süden und Norden Deutschlands urteilen sehr unterschiedlich. Vergreift sich ein Mieter in München im Streit mit seinem Vermieter im Ton, muss er eher mit der Kündigung rechnen als in Hamburg oder Berlin. Wer, verzeihen Sie bitte, dass ich das hier 1:1 wiedergebe, in München seinen Vermieter einen "promovierten Arsch" oder gar eine "fette Kaugummidrecksau" schimpft, der ist seine Behausung schnell los. Wer hingegen seinen Vermieter in Hamburg einen "Scheißkerl" nennt oder in Berlin eine "faule, talentfreie Abrissbirne", der kann durchaus auf Verständnis von Richtern hoffen. Was ist da los? Die "Süddeutsche Zeitung" weiß mehr.

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Dass Frauen in Saudi-Arabien neuerdings Auto fahren dürfen, hat sich inzwischen herumgesprochen. Ja, das ist tatsächlich revolutionär. Aber die Revolution rollt auf vielen Rädern, und deshalb stellen wir heute eine naheliegende Frage: Was ist eigentlich mit dem Fahrrad? Mit der eigenständigen Fortbewegung, unverhüllt von einem blechernen Mantel? Nun, eine Massenbewegung wird das im Wüstenklima sicher nicht werden. Vielleicht deshalb ist das weibliche Radfahren (in Vollverschleierung) schon seit fünf Jahren erlaubt – zumindest auf dem Papier. Praktisch allerdings wurden die Velo-Pionierinnen beleidigt und mit allerlei Sachen beworfen. Die Polizei will von der Radelei auch nichts wissen, Gesetz hin oder her. Einen Fahrradclub für Frauen zu gründen, wie es die 18-jährige Nadima Abul-Enein schon vor Jahren getan hat, ist deshalb ebenso politisch wie freizeitorientiert. 500 Mitglieder hat der Club jetzt, und auch sie sind Teil der Revolution. Denn die rollt – auch auf zwei Rädern.

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WAS AMÜSIERT MICH?

Frauen auf dem Fahrrad hatten wir schon, jetzt kommen die Männer dran. Wie sieht das aus, wenn Männer sich ein Fahrrad ausdenken? Ich zeige es Ihnen. Groß muss das Rad sein. Hoch muss der Herr über der Schöpfung thronen, majestätisch möge er sich bewegen, und bitte starren Sie jetzt nicht so auf das kleine verschämte Stützrad. Und auf, na ja, das etwas unmajestätische Geeier. Wie viel Anläufe brauchte es wohl, bis die Höhenflüge der ersten Velos auf ein alltagstaugliches Maß eingedampft waren? Tja. Viele.

Ich wünsche Ihnen einen majestätischen Tag.

Ihr Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: harms.chefredaktion@t-online.de

Mit Material von dpa.

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