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Höcke greift AfD-Spitze an – die befürchtet Unterwanderung


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"Spalter und Feindzeugen"
Rücktritte, Vorwürfe, Attacken – AfD-Streit eskaliert komplett


Aktualisiert am 07.07.2019Lesedauer: 3 Min.
Der Thüringer Landesvorsitzende Björn Höcke: Parteikollegen halten ihn für einen Radikalen, den Einfluss seines "Flügels" für parteischädigend.Vergrößern des Bildes
Der Thüringer Landesvorsitzende Björn Höcke: Parteikollegen halten ihn für einen Radikalen, den Einfluss seines "Flügels" für parteischädigend. (Quelle: Fabrizio Bensch/reuters)

In der AfD entbrennt der Konflikt zwischen Gemäßigten und Radikalen heftig: Der Bundesvorstand spricht von Rechtsextremisten, Höcke greift an. Der Vorstand des größten Landesverbandes zerfällt.

Der lange schwelende Richtungsstreit in der AfD wird zum Flächenbrand: Gemäßigte streiten mit dem rechtsradikalen "Flügel" des Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke um die künftige Ausrichtung der Partei. Der Vorstand des größten Landesverbandes in NRW zerfällt im Streit, in Bayern greift die Partei den "Flügel" offensiv an – und auch der Bundesvorstand befürchtet eine Unterwanderung durch Rechtsextremisten. Höcke hingegen geht zum Angriff über und auf Konfrontation mit der Parteispitze.

Scharfe Attacken und Rücktritte

Gleich mehrere Vorkommnisse am Wochenende stürzten die Partei in die Krise: Zunächst traten neun von zwölf Landesvorstandsmitgliedern noch während des Sonderparteitags in Nordrhein-Westfalen zurück. Landeschef Helmut Seifen fuhr eine scharfe Attacke auf den "Flügel". Die Anhänger der Strömung seien dabei, die Partei bundesweit zu unterwandern und zu spalten. In entscheidenden politischen Fragen handelten Höckes "willfährige Werkzeuge" nicht im Interesse des Landesverbandes. Der "Flügel" gilt dem Verfassungsschutz als Verdachtsfall im Bereich Rechtsextremismus.

Da Seifert seinen Co-Vorsitzenden Andreas Röckemann als ein solches Werkzeug Höckes sieht, versuchte er eine Neuwahl des Vorstands zu erzwingen – als das nicht gelang, zerfiel der Vorstand zum Rumpf. Der größte Landesverband mit rund 5.300 Mitgliedern steht nun nahezu ohne Führung da, bis Ende des Jahres neu gewählt wird. Bis dahin hat allerdings der "Flügel " dort das sagen – kann aber wohl nicht auf Mehrheiten an der Basis zählen.

AfD Bayern: Flügel ist "Konkurrenz"

Zeitgleich eskaliert die Situation auch in Bayern: Es sei "nicht mehr zu verneinen", dass der "Flügel" in einem Konkurrenzverhältnis zur AfD stehe, zitierte die "Welt am Sonntag" aus einem Beschluss des Schiedsgerichts des Landesverbandes. Ausgangspunkt der Bewertung ist eine dort verhandelte Parteiordnungsmaßnahme gegen ein Landesvorstandsmitglied.

In dem Beschluss wird festgehalten, Benjamin Nolte habe "erheblich gegen die Satzung der Partei verstoßen, indem er maßgeblich an der Organisation und Fortführung einer mit der Partei konkurrierenden politischen Organisation, nämlich dem Flügel, mitwirkt". Deutlicher kann die drohende Spaltung zwischen den Strömungen kaum formuliert werden. Nolte hatte gefordert, die Unvereinbarkeitsliste abzuschaffen – sie verbietet Mitgliedern zumindest formell die Mitgliedschaft bei rechtsextremen Gruppen wie beispielsweise der Identitären Bewegung. Die Beschlusslage wird vom "Flügel" aber immer weiter aufgeweicht und unterlaufen.

Unterwanderung durch Rechtsextremisten

Zu allem Überfluss wurde am Wochenende dann auch noch ein internes Schreiben der AfD-Parteispitze an das Bundesschiedsgericht bekannt: Demnach treibt den Vorstand die Sorge um, die Partei könne von Rechtsextremisten unterwandert werden. Besonders brisant: Das Schreiben betrifft den Fall Doris von Sayn-Wittgenstein.

Sayn-Wittgenstein wurde kürzlich trotz drohenden Parteiausschlusses erneut zur Landesvorsitzenden von Schleswig-Holstein gewählt. 2017 war sie mit den Stimmen des "Flügels" sogar fast Bundesvorsitzende geworden. Später wurde ihr Engagement in einem Verein von Holocaust-Leugnern bekannt. Auch sie gilt als Frau des "Flügels". Mit ihrer Kandidatur, so schien es, demonstrierte der Flügel seine Macht in der Bundespartei. Der gemäßigte Kandidat für den Vorsitz, Georg Pazderski, scheiterte – dann übernahm Alexander Gauland, der Höcke und dem "Flügel" nahe steht.

Gauland rät "Flügel" zur Vorsicht

Das bewies am Wochenende auch seine erneute Teilnahme am sogenannten "Kyffhäuser-Treffen" der Gruppe. Dort bat er die rund 800 Teilnehmer, mit öffentlichen Äußerungen vorsichtig zu sein. Die AfD besitze zwar "Mut zur Wahrheit", sie sei aber nicht gegründet worden, um "einen Raum zu schaffen, in dem jeder alles sagen kann". Das schienen einige der prominenten Teilnehmer hingegen anders zu sehen.

Andreas Kalbitz, der Brandenburger Spitzenkandidat mit Neonazi-Vergangenheit und rechtsextremistischen Kontakten, forderte einen "Paradigmenwechsel für unser Land" und rief zum "Widerstand" auf. Und der vom Personenkult umgebene Höcke selbst?

Höcke: "Spalter und Feindzeugen"

Der sagte, dass Deutschland für ihn "keine wirkliche Demokratie" sei – und nutzte außerdem seine Redezeit zur Abrechnung mit dem Bundesvorstand und den innerparteilichen politischen Gegnern. Das Landesschiedsgericht in Bayern liege falsch: Der "Flügel" habe ja gar keine Mitgliedsausweise, auch keine Mitgliedsnummern. Deswegen sei der "Flügel" auch keine Konkurrenz zur AfD. Doch "Spalter und Feindzeugen" schadeten der Partei.


Er selbst werde "von einem Landesvorsitzenden in Antifa-Manier" traktiert. Gleiches gelte für einen "parlamentarischen Geschäftsführer". Dem Bundesvorstand warf er reine Machtpolitik vor. Nach den Landtagswahlen werde er sich mit Hingabe dem neuen Bundesvorstand widmen. "Ich kann Euch garantieren, dass dieser Bundesvorstand in dieser Zusammensetzung nicht wiedergewählt wird." Bundesvorsitzender Jörg Meuthen war in diesem Jahr nicht zum Treffen am Kyffhäuser erschienen – er warb für Unterstützung bei den Parteiausschlussverfahren.

Verwendete Quellen
  • mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP
  • eigene Recherchen
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