"Besser in der NPD aufgehoben" AfD-Spitze attestiert Björn Höcke Nähe zum NS
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Der AfD-Vorstand hält Björn Höcke für rassistisch und NPD-nah. So steht es im Antrag, den thüringischen Fraktionschef aus der Partei auszuschließen. Er liegt dem Recherchezentrum "Correctiv" vor.
Die Vorwürfe wiegen schwer. Björn Höcke weise "eine übergroße Nähe zum Nationalsozialismus" auf und habe nachweislich die NPD unterstützt. Das schreibt kein AfD-Kritiker, sondern der Bundesvorstand der AfD in seinem Antrag, Höcke aus der Partei auszuschließen. Der Antrag liegt dem Recherchezentrum "Correctiv" vor.
Die Beweisführung gegen den Rechtsaußen
In dem 60-seitigen Schreiben listet die AfD-Spitze, vertreten durch eine Anwaltskanzlei, fein säuberlich Nachweise für Höckes rechtsradikale Gesinnung auf. Höcke zeige eine "grundlegende Ablehnung des Parteiensystems". Er benutze Begriffe, die Adolf Hitler in seinen Reden verwendet habe. Und er habe die NPD in rechten Zeitschriften unterstützt.
Das Parteiausschlussverfahren gegen Höcke hat der Bundesvorstand noch unter der Co-Vorsitzenden Frauke Petry mit einem Mehrheitsbeschluss nach dessen Dresdener Rede begonnen. Höcke sprach damals vom Holocaust-Mahnmal als einem "Denkmal der Schande". Über den Ausschluss muss das Schiedsgericht in Thüringen entscheiden – das hat es bisher nicht getan. Danach wären die Schiedsrichter des Bundesverbandes zuständig.
Meuthen und Gauland gegen Ausschluss
Jetzt wollen allerdings einzelne Parteimitglieder das Ausschlussverfahren beenden. Dazu sind Vorschläge für den Parteitag in Hannover eingereicht worden, der an diesem Wochenende stattfindet. Sowohl Parteichef Jörg Meuthen als auch Fraktionschef Alexander Gauland waren von Beginn an gegen den Ausschluss.
Höcke ist derzeit Fraktionsvorsitzender der AfD im Landtag in Thüringen und gilt als Wortführer des völkischen Flügels der Partei. In dem Antrag, den Anwälte im Auftrag des Bundesvorstandes formuliert hatten, geht der Bundesvorstand vor allem auf seine Dresdner Rede ein.
"Übergroße Nähe zum Nationalsozialismus"
In der Wortwahl und im Sinngehalt würde sie den Reden Adolf Hitlers ähnlich sein, so der AfD-Bundesvorstand. Auf zwei Seiten vergleicht der Vorstand Höckes Rede mit Zitaten Adolf Hitlers. Er fordere eine Fundamentalopposition, eine "Bewegung". Höcke zeige damit eine "grundlegende Ablehnung des Parteiensystems". Er spreche von "Halben" – Hitler habe den Begriff genutzt, um Menschen zu bezeichnen, die "keine innere Haltung" hätten. Teile der Rede glichen einer "Ich-Orgie", Höcke verfalle in "egomanische Ausfälle". Er fordere zudem einen "vollständigen Sieg". Alles Anzeichen für eine "übergroße Nähe zum Nationalsozialismus", schlussfolgert der Antrag.
Die AfD-Spitze lässt vor allem nicht Höckes spätere Verteidigung gelten, dass er seine Rede ganz anders gemeint habe: "Es kann nicht darauf ankommen, wie der AG (Antragsgegner, Anm. d. Red.) bestimmte Bestandteile seiner Rede gemeint haben könnte", sondern "wie es die Zuhörer verstanden".
"Wer sich die Rede mit der gebotenen Lautstärke anhört, die Augen verschließt, fühlt sich in eine Zeit des Dritten Reiches versetzt", schreiben die Vorstandsmitglieder der AfD über Höckes Rede. Die Rede ist aber für die Antragsteller nicht der einzige Beleg, dass Höcke radikal sei und der Partei dadurch schade. Sie listen E-Mails und weitere Indizien auf, die laut der Parteiführung eindeutig zeigen, dass Höcke die NPD unterstützt habe.
Das Pseudonym "Landolf Ladig"
Im Mittelpunkt steht dabei ein Pseudonym, was Höcke verwendet haben soll. "Der AG hat unter dem Namen 'Landolf Ladig' in NPD-Veröffentlichungen Artikel verfasst, in denen die NPD für ihre politischen Ideen gelobt worden ist", heißt es in dem Schreiben. Die Parteispitze zitiert unter anderem ein ehemaliges AfD-Mitglied, dem gegenüber Höcke "unverblümt zugegeben hat, dass er Landolf Ladig ist". Der Zeuge sei allerdings nicht vor dem Schiedsgericht zu einer Aussage bereit.
Einige Mitglieder der AfD Thüringen bestätigen in einem internen Schreiben, das dem Antrag beiliegt, dass eine Ansprache Höckes im April 2013 fast wortgleich mit einem Text Ladigs sei.
Am Schluss des Antrags zitiert die AfD-Spitze aus einem Interview mit dem "Spiegel" – eine Frage an Höcke, "warum er nicht in der NPD aktiv werden wolle. Dies passe doch besser zu ihm". Das sieht die AfD-Spitze genauso: "Selbst wenn ein Medium wie der Spiegel unzweifelhaft als AfD-feindlich angesehen werden muss, ist in diesem Fall der objektive Sinngehalt einer solchen Aussage nicht zu kritisieren." Sprich: Höcke sei besser in der NPD aufgehoben.
Der Autor ist Redakteur des Recherchezentrums Correctiv.org. Die Redaktion finanziert sich ausschließlich über Spenden und Mitgliedsbeiträge. Ihr Anspruch: In monatelanger Recherche Missstände aufdecken und unvoreingenommen darüber berichten. Wenn Sie Correctiv.org unterstützen möchten, werden Sie Fördermitglied. Informationen finden Sie unter correctiv.org/unterstuetzen