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Zum journalistischen Leitbild von t-online.SPD zur Groko "Wir sind vertragstreu"
In Berlin haben Malu Dreyer, Manuela Schwesig und Thorsten Schäfer-Gümbel kommissarisch
Nein, ein schöner Tag war das nicht. Als am Nachmittag in Berlin die drei stellvertretenden SPD-Vorsitzenden, die fortan die Partei kommissarisch führen sollen, vor die Presse traten, war die Anspannung deutlich zu sehen. Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin in Mecklenburg-Vorpommern, runzelte beim Sprechen die Stirn, die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer sagte Sätze wie "Das ist eine ernste Lage" und Thorsten Schäfer-Gümbel, Chef der Hessen-SPD, sprach von einer existenziellen Situation.
Nahles: "Machen Sie's gut!"
Von 10 Uhr an hatte der SPD-Parteivorstand getagt, Nahles war nach ihrer Ankündigung von Sonntag offiziell als Parteivorsitzende zurückgetreten. Nur etwa eine halbe Stunde brauchte sie dafür, dann verließ sie die Sitzung wieder. Dunkler Blazer, dunkle Hose. "Ich habe mich verabschiedet", ließ sie wartende Journalisten wissen. "Ich bin zurückgetreten." Sie dankte für die jahrelange gute Zusammenarbeit und dann – doch noch ein kleines Lächeln – "Machen Sie’s gut!" Weg war sie.
Die Lücke, die sie hinterlässt, möchte die Partei mit Ruhe füllen. Die existenzielle Situation biete die "Chance auf Neuanfang", sagte Schäfer-Gümbel. Diese Chance müsse die Partei zügig, aber auch besonnen nutzen. "Die Partei ist nicht kopflos und nicht führungslos", betonte Dreyer. "Wir werden die Partei führen." Alle drei sind in der SPD angesehen und gelten als integrierend.
Trio verzichtet auf Kandidaturen
Thorsten Schäfer-Gümbel steht als Vorsitzender der Antragskommission für strategische Fähigkeiten. Malu Dreyer ist in der Partei höchst angesehen, sie gilt als ausgleichend und beliebt – und sie kann siegen: Unter ihrer Führung wurde die SPD 2016 bei den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz mit 36,2 Prozent stärkste Kraft. Auch Manuela Schwesig ist in der Partei beliebt, sie hat als Familienministerin Erfahrung in der Bundespolitik gesammelt und ist Ostdeutsche – ein Vorteil angesichts der Herausforderungen, die die Partei mit den Landtagswahlen im Herbst in Brandenburg, Sachsen und Thüringen erwartet.
Alle drei kündigten an, lediglich den Übergang moderieren zu wollen. Keiner von ihnen werde den Parteivorsitz dauerhaft übernehmen. Das überraschte insofern, da gerade Schwesig immer wieder als mögliche Nachfolgerin für Nahles genannt worden war. Doch sie sieht ihren Platz in Mecklenburg-Vorpommern, wie sie mitteilte.
Alle Optionen weiterhin möglich
Abgesehen von diesen Personalien kündigte das Trio für den 24. Juni eine Vorstandssitzung an. Dann solle über die Struktur des künftigen Parteivorsitzes und das Verfahren der Wahl beraten werden. Thema werde auch sein, wie die SPD die Halbzeitbilanz der Koalition angehen wolle, sagte Schäfer-Gümbel. Damit sind alle bereits genannten Optionen weiterhin möglich: Doppelspitze, Mitgliederbeteiligung bei der Wahl des Parteichefs oder der Parteichefin, ein ordentlicher Parteitag zur Wahl – der nur mit einer Frist von drei Monaten einberufen werden kann, was dann wohl nicht vor Oktober passieren wird –, ein außerordentlicher Parteitag mit einem Vorlauf von einem Monat.
Zur Zukunft der großen Koalition sagte Malu Dreyer: "Wir sind vertragstreu." Die SPD habe sich nach einem Mitgliedervotum entschieden, eine große Koalition einzugehen, und im Vertrag dieser Koalition stehe die Revisionsklausel. Darüber werde der Vorstand Ende Juni beraten. Dreyer, Schwesig und Schäfer-Gümbel betonten, bei dem anstehenden Prozess die gesamte Partei mitnehmen zu wollen – die Basis, aber auch die Gremien auf allen Ebenen.
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Die Botschaft des Auftritts war klar: Panik aus der Partei nehmen, Einigkeit zeigen und beschwören und auch die Arbeit der großen Koalition weiter zu ermöglichen. Zumindest vorerst.
- Eigene Recherchen
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa