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Zum journalistischen Leitbild von t-online.700.000 Euro Spenden umgeleitet Corona-"Aufklärer" Fuellmich muss wegen Veruntreuung Jahre in Haft

Er sprach vom "Corona-Betrug" und ist nun wegen Veruntreuung von Spenden von seinen Anhängern verurteilt, die ihm nur zu gerne geglaubt hatten: Ex-Anwalt Reiner Fuellmich ist schuldig gesprochen.
In der Coronazeit war er der große Hoffnungsträger für Menschen, die sich als "Covidioten" beschimpft sahen und das Virus für harmlos hielten – und deshalb spendeten sie gerne: Der frühere Rechtsanwalt Reiner Fuellmich ist nun wegen Veruntreuung von Spendengeldern aus dieser Zeit verurteilt.
Das Landgericht Göttingen verhängte am Donnerstag eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten Haft. Nach Überzeugung des Gerichts nutzte der 66-Jährige 700.000 Euro an Spendengeldern von Konten des sogenannten "Corona-Ausschusses" für private Zwecke, ohne die Zustimmung der anderen drei Gesellschafter des Ausschusses einzuholen – allesamt auch Anwälte.
Fuellmich hatte auch "Billionenklage" angekündigt
Fuellmich war über die Szene der sogenannten Querdenker hinaus weit bekannt geworden – auch mit den per Video ausgestrahlten Sitzungen des "Corona-Ausschusses". In mehr als 120 Sitzungen kamen überwiegend selbst ernannte Experten zu Wort, um überwiegend unwissenschaftliche Behauptungen aufzustellen. Einer seiner prominentesten Mitstreiter war anfänglich der Arzt und frühere SPD-Politiker Wolfgang Wodarg. Das Format verstärkte bei verunsicherten oder zweifelnden Menschen den Eindruck, dass Corona "Betrug" sei.
Fuellmich stellte aber auch eine "Billionen-Klage" in Aussicht für gigantischen Schadensersatz nach dem "Corona-Betrug" und sammelte auch dafür Geld möglicher Kläger ein. Wer als Geschäftsinhaber, Friseur oder Gastronom Einbußen während der Lockdowns hatte, sollte gemeinsam mit Fuellmich klagen. Er verlangte 800 Euro plus Mehrwertsteuer als Vorleistung und versprach den Mitklägern einen Anteil aus dem späteren, angeblich gigantischen Schadensersatz.
Frühere Fuellmich-Weggefährten gingen zu den Behörden
Aus der Klage wurde nie etwas. Fuellmich stellte immer absurdere Wege in Aussicht, doch noch zu klagen. An der Klage beteiligte Anwälte überwiesen auf Wunsch den verhinderten Klägern ihren Anteil zurück. Betrug sahen Ermittler hier nicht, weil die von Fuellmich erbrachte Leistung lediglich die Mandatsübernahme und ein entsprechendes Tätigwerden sei.
Zum Verhängnis wurden Fuellmich andere Gelder, die von Betroffenen des "Corona-Widerstands" reichlich flossen. Die früheren Weggefährten des Ausschusses legten im September 2022 Ermittlern detailliert dar, wie Fuellmich sie um solche Gelder gebracht habe. Der frühere Verbraucherschutz-Anwalt habe 700.000 Euro aus den Spenden, die als "Liquiditätsreserven" des Ausschusses gedacht gewesen seien, in sein Haus für die Ablösung von Krediten oder Ähnlichem gesteckt. Damit sei Zugriff auf das Geld nicht möglich. Die Staatsanwaltschaft Göttingen hatte im Mai 2023 Ermittlungen wegen Untreue bestätigt, zu der Zeit gab es bereits einen europäischen Haftbefehl.
Doch Fuellmich hatte sich nach Tijuana in Mexiko abgesetzt, wurde jedoch ausgewiesen. Im deutschen Konsulat in Mexiko hatte er nicht die erforderlichen Papiere erhalten und musste im Oktober 2023 in einen Rückflug nach Frankfurt steigen, wo die Polizei schon wartete.
Gericht: Prozess wurde unnötig verschleppt
Seither saß er in Untersuchungshaft. Diese wird dem Urteil zufolge auf die Freiheitsstrafe nicht voll angerechnet, fünf Monate der rund anderthalb Jahre fließen nicht ein. Im Mai 2024 hatte die Kammer mit einem rechtlichen Hinweis signalisiert, dass der Fall für sie klar ist. Fuellmich und die Verteidigung hätten den Prozess bewusst in die Länge gezogen, um den Prozess als Plattform für prozessfremde Zwecke zu nutzen.
Die Verteidiger hatten auf Freispruch plädiert. Anwältin Katja Wörmer erklärte vor dem Gerichtsgebäude, sie und ihr Mandant hätten mit der Verurteilung gerechnet. Sie stellte aber in Aussicht, Rechtsmittel gegen die Verurteilung einzulegen. Fuellmich habe gehofft, mit der Verurteilung zunächst auf freien Fuß zu kommen. Er bleibt jedoch in U-Haft.
Fuellmich wurde in Goettingen bereits in Abwesenheit wegen mehrfacher Beleidigung und Volksverhetzung verurteilt. Mit Bezug zum Holocaust hatte er gesagt: "Es war nicht Hitler allein, der das getan hat. Es war das angloamerikanische Finanzsystem." RKI-Wissenschaftler hatte er als Massenmörder bezeichnet, die "zu dumm sind, einen Eimer Wasser umzukippen".
2021 war Fuellmich bei der Bundestagswahl als "Kanzlerkandidat" der Partei "DieBasis" angetreten. Bei der jüngsten Bundestagswahl hatte er als unabhängiger Bewerber vom Gefängnis aus kandidiert und im Wahlkreis Wuppertal 0,7 Prozent der Stimmen geholt. Da er nicht rechtskräftig verurteilt war, durfte er antreten.
- Mit Material der Naxchrichtenagentur dpa
- hna.de: Göttinger "Querdenker"-Anwalt muss mehr als drei Jahre in Haft