Regierung im Dauer-Krisenmodus Ex-Justizministerin warnt vor Weimarer Verhältnissen

Ex-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger geht mit der aktuellen Regierung hart ins Gericht. Doch statt Neuwahlen bringt sie neue politische Bündnisse in Berlin ins Spiel.
Ex-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sorgt sich angesichts der vielen Konflikte innerhalb der Bundesregierung vor Weimarer Verhältnissen. Die FDP-Politikerin sagte zu t-online.de: "Wenn Berlin nicht Weimar werden soll, dann müssen jetzt die demokratischen Parteien den Neuanfang wagen, ohne Rücksicht auf Personen." Neuwahlen seien aber keine Lösung, so Leutheusser-Schnarrenberger.
Mit Kanzlerin Angela Merkel und der großen Koalition rechnet die 67-Jährige gnadenlos ab: Der aktuellen Bundesregierung sei "offenkundig Stil, Anstand und Gespür abhanden gekommen", sagte Leutheusser-Schnarrenberger weiter.
Der Höhenflug der AfD in den aktuellen Sonntagsumfragen lastet die Ex-Justizministerin vor allem der CDU-Schwesterpartei an: "Die ursprüngliche AfD-Umarmungsstrategie der CSU scheitert gerade grandios. Die Quittung dafür bekommt die gesamte Politik."
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Doch die Koalition in Berlin schadet sich laut Leutheusser-Schnarrenberger auch selbst: "Die falsche Politik der großen Koalition hat dazu geführt, dass täglich eine Art Dauer-Werbeprogramm für die Rechtspopulisten abgespult wird." Die deutsche Politik befinde sich seit einem Jahr im Dauer-Krisenmodus und habe vergessen, auf die Sorgen und Nöte der Bürgerinnen und Bürger Antworten zu geben.
Jamaika-Aus führt zu Frust in politischer Mitte
Dabei hätte es eine Alternative zur Neuauflage der GroKo und den damit hausgemachten Problemen geben: "Das Scheitern von Jamaika hat dazu geführt, dass die Frustration in der politischen Mitte der Gesellschaft unendlich gewachsen ist."
Angela Merkel sei zudem der politische Instinkt abhanden gekommen. "Das mag normal sein nach fast dreizehn Jahren Regierungsarbeit. Umso weniger verwunderlich also, dass die Union ihr jetzt in Teilen die Gefolgschaft verweigert", sagte Leutheusser-Schnarrenberger hinsichtlich der Abwahl des Merkel-Vertrauten Volker Kauder als CDU-Fraktionsvorsitzendem.
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Trotz des herben Denkzettels für Merkel rät Leutheusser-Schnarrenberger von einem drastischen Schritt wie Neuwahlen ab: "Eine Flucht in Neuwahlen ein Jahr nach der letzten Bundestagswahl kann nun nicht der Ausweg aus dieser Krise sein." Stattdessen regt sie andere Bündnisse im Parlament an: "Es gibt jenseits der Person Angela Merkel Mehrheiten in der Mitte des Deutschen Bundestages. Wenn sich eine Kanzlerschaft dem Ende zuneigt, dann können natürlich auch neue politische Bündnisse aus der Mitte der Gesellschaft entstehen."
Leutheusser-Schnarrenberg war von 1992 bis 1994 und von 2009 bis 2013 Justizministerin. Nachdem die FDP 2013 den Einzug in den Bundestag verpasst hatte, trat sie nicht mehr bei Bundestagswahlen an.