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Trumps Ukraine-Gespräche ohne Europa: Ein einziger Scherbenhaufen


Ukraine-Gespräche ohne Europa
Die organisierte Begriffsstutzigkeit

  • Daniel Mützel
MeinungVon Daniel Mützel

18.02.2025 - 15:14 UhrLesedauer: 4 Min.
UKRAINE-CRISIS/EUROPEVergrößern des Bildes
Kanzler Olaf Scholz mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron: Vereint im Dissens. (Quelle: Abdul Saboor/ap)
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Die USA und Russland führen erstmals hochrangige Gespräche über ein Ende des Ukraine-Krieges – doch Kiew und Brüssel werden nicht mal eingeladen. Europa steht vor einem Desaster, das es selbst zu verantworten hat.

Wer noch einen visuellen Beweis brauchte, um sich die Ohnmacht Europas vor Augen zu führen, musste am Dienstag nur nach Riad schauen: In der saudischen Hauptstadt trafen erstmals seit der russischen Ukraine-Invasion 2022 russische und US-Spitzenvertreter aufeinander, um über das Schicksal der Ukraine zu entscheiden.

Am Tisch: drei Amerikaner, zwei Russen und die saudischen Gastgeber. Nicht im Bild, weil sie gar nicht eingeladen waren: Ukrainer und Europäer.

Nach dem rund vierstündigen Treffen mit seinem US-Amtskollegen Marco Rubio sagte Russlands Außenminister Sergej Lawrow: "Wir haben uns gegenseitig zugehört und uns verstanden." Der Satz spricht Bände.

Das Treffen in Riad symbolisiert eine historische Zäsur, eine Art zweite Zeitenwende, die mit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump begann und die eine neue Weltordnung ankündigt, in der Europa zerrieben werden könnte: die Wiedergeburt der Großmachtpolitik im Stil des 20. Jahrhunderts. Als die großen Staaten das Schicksal der kleinen verhandelten und die Welt in Einflusszonen aufspalteten.

Der neue Sound der Weltpolitik lautet: Nur wer glaubhaft Stärke demonstriert, darf mit den wirklich Mächtigen sprechen. Für Europa sind das bittere Nachrichten. Denn das, was die Europäer gerade vor allem unter Beweis stellen, ist ihre eigene Bedeutungslosigkeit.

Im Schneckentempo in die eigene Ohnmacht

Das zeigte sich einmal mehr auf dem Ukraine-Gipfel in Paris am Montag, den Frankreichs Präsident Emmanuel Macron eilig anberaumt hatte. Zuvor hatte die Regierung Trumps die gemeinsame Ukraine-Linie des Westens in atemberaubender Geschwindigkeit und durch immer neue Ankündigungen zertrümmert:

Der Nato-Beitritt der Ukraine, der Status der russisch besetzten Gebiete, US-Sicherheitsgarantien für Kiew, selbst der Verbleib der US-Truppen in Europa – Trump stellte alles infrage, was einem schnellen Deal mit Putin im Weg stehen könnte. Der selbst ernannte "Dealmaker" Trump und seine Leute machten Russland gegenüber Zugeständnisse, ohne dass Putin irgendetwas dafür tun musste.

Europa wollte dieses Mal schnell sein und mit dem Pariser Gipfel ein Signal in die Welt senden. Doch es scheiterte mal wieder an sich selbst.

Die europäische Ordnung zerbröselt

Zwar ist nicht im Detail bekannt, was die europäischen Regierungschefs besprachen und ob sie im Hintergrund vielleicht doch einen größeren Wurf vorbereiten. Doch selbst, wenn es so wäre: Das alles geht viel zu langsam. Die fein austarierten Prozesse der europäischen Konsensfindung in allen Ehren, aber vor den Augen der Weltöffentlichkeit zerbröselt gerade die Ordnung, auf die man in Brüssel so große Stücke hält.

Doch was ist die Antwort der Europäer darauf? Sie hätten auf dem Pariser Gipfel ein kraftvolles Signal nach Washington, Kiew und Moskau senden können: mit konkreten Beschlüssen oder wenigstens mit einer schlagkräftigen Botschaft. Stattdessen stritten Briten, Franzosen, Deutsche, Polen, Italiener, Spanier und Dänen über eine internationale Friedenstruppe, die die West- und Zentralukraine nach einer Waffenruhe sichern könnte. Die einen wollen, die anderen nicht. Am Ende trennte man sich im Dissens.

In Washington dürfte man sich bestätigt fühlen: Warum auf die Europäer warten, wenn sie sich mal wieder selbst ein Bein stellen.

Organisierte Begriffsstutzigkeit

Getoppt wurde dieses unverblümte Zurschaustellen der eigenen Ohnmacht durch eine Kommunikation, bei der man nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen möchte.

So nannte ausgerechnet der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), als Vertreter des mächtigsten EU-Landes, die Diskussion über eine Friedenstruppe "völlig verfrüht" und "höchst unangemessen". Scholz sagte gar, er sei "ein wenig irritiert", es handele sich um eine "unpassende Debatte zur falschen Zeit und über das falsche Thema".

Das ist nicht nur faktisch falsch, weil gerade sowohl vor als auch hinter den Kulissen darüber gesprochen wird. Es widerspricht auch komplett jeder Logik: Man mag Argumente für oder gegen europäische Friedenstruppen ins Feld führen, aber gerade jetzt ist die Zeit, darüber zu diskutieren. Denn die Frage nach Sicherheitsgarantien für die Ukraine – und damit nach einer Friedenstruppe – ist entscheidend, damit ein Waffenstillstand aus ukrainischer Sicht überhaupt tragfähig ist.

Die Verweigerung einer Debatte

Die Europäer brauchen sich nicht zu wundern, dass sie auf der Bühne der Weltpolitik nicht ernst genommen werden, wenn sie nicht der Lage sind, eine so zentrale Frage für sich selbst zu klären. Oder wenigstens die Debatte darüber zu führen.

Dass Scholz mit dieser Ansicht in Deutschland nicht alleine ist, macht die Sache kaum besser: Auch der Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz sagt, die Frage nach europäischen Friedenstruppen stelle sich derzeit nicht – was die Zweifel an einem neuen Ukraine-Kurs unter einem möglichen Kanzler Merz wachsen lässt.

Fehlender Mut, rhetorische Hasenfüßigkeit

Mit Blick auf den nahenden Wahltag drängt sich ein Verdacht auf: Die Kanzlerkandidaten trauen sich nicht, ein paar Tage vor der Wahl über deutsche Soldaten in der Ukraine zu sprechen. Ob es zu einer europäischen Friedenstruppe mit Bundeswehrbeteiligung kommt, ist noch völlig unklar. Aber die Ausflüchte und Scheinargumente in einer derart kritischen Weltlage belegen, dass sich die deutsche Spitzenpolitik lieber wegduckt, als Farbe zu bekennen.

Fehlender Mut, rhetorische Hasenfüßigkeit, der Irrglaube, den Deutschen nichts zumuten zu können: Das kennen wir aus den vergangenen drei Jahren, in denen die erste Zeitenwende verschleppt wurde.

Sollte das auch für die zweite Zeitenwende gelten, könnte Deutschen und Europäern Schlimmes drohen. Russland könnte sich durch die plötzliche Charmeoffensive der Amerikaner ermutigt fühlen, seinen imperialen Durst noch anderweitig zu stillen. Der Kreml bereitet sich schon länger auf eine größere militärische Auseinandersetzung mit dem Westen vor. Putins Kriegsfabriken produzieren Panzer und Geschütze auf Hochtouren, von denen nur ein Teil in die Ukraine geht. Der andere Teil wandert in die Vorratslager des russischen Militärs.

Westliche Geheimdienste schätzen, dass der Kremlherr bereits jetzt eine Invasionsarmee der Zukunft heranzüchtet – entweder für einen erneuten Überfall der Ukraine nach einem Waffenstillstand oder um die Nato zu testen. Im Jahr 2029 könnte es laut Schätzung der Bundesregierung so weit sein. Ob die Amerikaner dann noch schützend ihre Hand über Europa halten werden, kann niemand wissen. Besser wäre es, die Europäer sorgten endlich selbst für ihre Sicherheit. Im schlimmsten Fall tut es Moskau irgendwann, auf seine Weise.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
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