Groko beschließt Grundrente Hinterm Horizont wirds teuer
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Die Grundrente kommt, und das ist richtig. Doch ihre Umsetzung ist der nächste Schritt in einer grundfalschen Rentenpolitik. Deutschland droht ein Desaster – nicht nur für junge Menschen. Ein Kommentar.
Drei sichtlich zufriedene Parteichefs traten am Sonntagabend in Berlin vor die Hauptstadtpresse: Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), Markus Söder (CSU) und Malu Dreyer (SPD, kommissarisch). Sie verkündeten die Einigung der großen Koalition bei der Grundrente, die zuvor eines der strittigsten Gesetzesvorhaben der Bundesregierung war.
Diese Einigung ist grundsätzlich eine gute Nachricht: Für Senioren, die 35 Jahre gearbeitet haben und bislang trotzdem nur eine Rente in Höhe der Grundsicherung erhalten haben. Denn die bekommen ab 2021 einen Zuschlag auf ihre Rente, der ihnen zehn Prozent mehr Geld bringt.
Der Beschluss ist auch eine gute Nachricht für die große Koalition. Die Bündnispartner sind befriedet, Annegret Kramp-Karrenbauer ist innerhalb der CDU gestärkt und dass die SPD auf ihrem Parteitag den Austritt aus der Koalition beschließen wird, ist nach der Einigung bei einem Herzensanliegen der Partei deutlich unwahrscheinlicher geworden.
Erneut werden Mittel verwendet, die später jungen Menschen fehlen
Für die finanzielle Zukunft Deutschlands ist der gefundene Kompromiss jedoch eine schlechte Nachricht. Obwohl hinter der Grundrente eine noble Haltung steht: Wer über drei Jahrzehnte gearbeitet hat, darf erwarten, dass ihm mehr Geld als die Grundversorgung zusteht.
Allerdings wird das zusätzliche Geld für die Grundrente mit staatlichen Zuschüssen aus der Steuerkasse finanziert. So lässt sich der wachsende Bedarf in der Rentenkasse jedoch nicht beliebig weiter ausgleichen.
Dem deutschen Rentensystem liegt der sogenannte Generationenvertrag zugrunde: Aktuelle Arbeitnehmer zahlen in die Rentenkasse ein, die wiederum die Rente der Senioren finanziert. Gehen diese Arbeitnehmer dann in Rente, sollen künftige Angestellte und Arbeiter dafür sorgen, dass die Kassen voll sind.
Dieses System wurde 1957 eingeführt, damals sah jedoch die Altersstruktur in Deutschland anders aus als heute: Die Lebenserwartung lag bei etwa 65 Jahren, heute liegt sie bei circa 80 Jahren. Und die Geburtenrate ist im Vergleich zu damals stark zurückgegangen: Von 2,28 Kindern pro Frau im Jahr 1957 auf 1,5 Kinder im Jahr 2016, Tendenz sinkend.
Damoklesschwert über dem deutschen Rentensystem
Die Alterspyramide in Deutschland stellt sich langsam auf den Kopf – immer mehr Menschen profitieren von der Rente, immer weniger zahlen ein. Der demografische Wandel hängt wie ein Damoklesschwert über dem deutschen Rentensystem.
In den letzten Jahren gab es immer wieder starke Rentenerhöhungen. So wurde 2018 die Rente beispielsweise deutlich erhöht, um 3,09 Prozent in den westlichen und 3,23 Prozent in den östlichen Bundesländern. Hinzu kommt die Einführung der Mütterrente. Inzwischen ist klar, dass die staatlichen Renten im Jahr 2020 nochmals um drei Prozent ansteigen sollen.
Das soll zusätzlich zu der Grundrente geschehen, allein deren Kosten werden bereits mit 1,5 Milliarden Euro beziffert. All diese Erhöhungen sind nicht grundsätzlich falsch, die Altersarmut ist in einigen Städten ein ernstzunehmendes Problem. Doch rollt auf Deutschland ein erheblicher Engpass zu, was die Finanzierung der Renten betrifft. Die frisch beschlossene Grundrente steht symptomatisch für immer mehr Geld, das in die Rentenzahlungen fließt.
Finanzielle Rücklagen der Rentenversicherung schmelzen
Wenn manche Politiker dafür plädieren, die Bürger sollten bitteschön privat für ihr Alter vorsorgen und nicht auf die staatliche Rente setzen, ist das ein Schlag ins Gesicht der heutigen Beitragszahler. Wenn das wahr wird, dann hat das staatliche Rentensystem seine Aufgabe verfehlt.
Junge Menschen fragen sich zurecht, wovon sie eigentlich leben sollen, wenn sie mal 70 Jahre alt sind. Das staatliche Rentensystem muss für sie auch in 50 Jahren noch sorgen können. Sie sind diejenigen, die aktuell das System mit ihren Abgaben an die Rentenversicherung am Leben erhalten.
Vier wichtige Stellschrauben des Rentensystems
Die Rentenversicherung geht in ihrer aktuellen Prognose von 18,6 Prozent Beitragshöhe pro Monat aus. Das soll wohl bis 2025 erstmal so bleiben – doch was dann kommt, ist offen. Wenn die Rentenpolitik nicht stark verändert wird, könnten nach 2025 auch Rentenkürzungen für ältere Menschen drohen. Oder die Beiträge steigen sprunghaft an.
Die vier wichtigsten Stellschrauben, an denen in der Rentenpolitik etwas verändert werden könnte, sind: Die Höhe des Rentenbeitrags, das Alter des Renteneintritts, die Höhe der Rente und die Anzahl von Menschen, die einzahlen.
Doch bereits jetzt klagen viele Arbeitnehmer, dass der Beitrag zur Rentenversicherung hoch genug sei. Ökonomen fordern deshalb seit geraumer Zeit die Rente mit 70 Jahren nach der Rente mit 67 Jahren einzuführen. Dies wäre ein erster Schritt, um die Folgen des demografischen Wandels abzufedern. Nullrunden bei der Rente oder gar Kürzungen wird es nicht geben, weil die Sorge bei Wahlen von den Bürgern abgestraft zu werden, in den Parteizentralen zu groß ist.
Der Staat muss sich endlich seiner Verantwortung stellen
In den letzten Jahren stieg zwar die Zahl von Menschen, die nach Deutschland zuwanderten, hier einen Job fanden und so das System finanziell unterstützen. Noch sind es aber zu wenige Zuwanderer, als dass durch sie der demografische Wandel ernsthaft gestoppt werden könnte.
Der Staat muss sich endlich seiner Verantwortung stellen, und aktiv werden: Um die Arbeitnehmer nicht weiter zu belasten, muss die Bundesregierung entweder das Eintrittsalter erhöhen oder dafür sorgen, dass mehr Menschen in die Rentenversicherung einzahlen, indem Beamte oder Selbstständige ebenfalls das System mittragen.
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Solange aber alles bleibt wie es ist, steht die frisch beschlossene Grundrente in ihrer Machart symbolisch für die verfehlte Rentenpolitik der Bundesrepublik. Und damit für den Verrat an der jungen Generation, der Zukunft Deutschlands.