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Asylstreit: Viel Stau, wenig Flüchtlinge – Der Alltag an Bayerns Grenze


Zum Streit in der Union
Viel Stau, wenig Flüchtlinge: Der Alltag an Bayerns Grenze

Von rtr
Aktualisiert am 23.06.2018Lesedauer: 4 Min.
Kontrollstelle Kiefersfelden: Polizisten stoppen an der A93 Fahrzeuge, die aus Österreich nach Deutschland kommen.Vergrößern des Bildes
Kontrollstelle Kiefersfelden: Polizisten stoppen an der A93 Fahrzeuge, die aus Österreich nach Deutschland kommen. (Quelle: Sven Hoppe/dpa-bilder)

Die CSU beharrt darauf, Geflüchtete an der Grenze zurückzuweisen. Dabei tut die Bundespolizei das in Bayern längst. Viele Einheimische sind genervt von den Kontrollen.

Zwischen mächtigen Alpen-Gipfeln schiebt sich die Fahrzeugkolonne auf der Inntal-Autobahn von Kufstein in Tirol nach Kiefersfelden in Bayern. Schier endlos reihen sich Autos, Kleintransporter und Sattelschlepper aneinander und passieren auf der deutschen Seite im Schritttempo eine gelb blinkende Ampel. Zwei deutsche Grenzpolizisten beobachten am Fahrbahnrand den Verkehr. Sitzt in einem der vielen Fahrzeuge ein Flüchtling, der, wie es die Beamten nennen, illegal nach Deutschland einreisen will? Hält sich jemand im Laderaum eines Lastwagens versteckt?

Hin und wieder winken die beiden Bundespolizisten mit einer roten Kelle ein Fahrzeug heraus und dirigieren es auf den angrenzenden Raststätten-Parkplatz. Dort steht an einem provisorisch überdachten Kontrollpunkt eine Handvoll weiterer Beamter. Diese lassen sich vom Fahrer die Papiere reichen, fordern mitunter alle Insassen zum Aussteigen auf, lassen sich Kofferraum oder Laderaum öffnen. An diesem Nachmittag ist kein Treffer dabei. Alle kontrollierten Wagen verlassen den Grenzpunkt nach wenigen Minuten, um ihren Weg nach Deutschland fortzusetzen.

"Das ist absoluter Nonsens"

Bei Berufspendlern, Urlaubern und Fernfahrern sorgt die Prozedur für Unmut. "Das ist absoluter Nonsens", schimpft Andreas Hausbacher, der als Architekt regelmäßig aus Kufstein über Deutschland zu seiner Baustelle nach Salzburg pendelt. Einen kürzeren Weg gebe es wegen der Alpen nicht, trotz des Staus. "Das ist doch ein Ablenkungsmanöver. Da erwischt man doch nur die ganz Dummen", sagt der 40-Jährige auf dem Parkplatz.

Denn die meisten Übergänge an der mehr als 800 Kilometer langen deutsch-österreichischen Grenze sind unbewacht, das räumt die Bundespolizei selbst ein. Lediglich an drei Autobahnen und am Bahnhof Salzburg werde ständig kontrolliert. An weiteren Übergängen "erfolgen zeitlich und örtlich flexibel Maßnahmen", so erklärt es ein Sprecher. Ein Fernfahrer aus Polen, der nach dem Warten im Stau die Kontrolle für eine Toilettenpause nutzt, zuckt mit den Schultern. "Was soll man machen", sagt Wojciech, der seinen Nachnamen nicht nennen will.

Fingerabdrücke werden abgeglichen

Wenn die Polizisten an dem Kontrollpunkt in Kiefersfelden jemanden ohne gültige Papiere antreffen, ist ihre Arbeit schnell getan: Flüchtlinge, die kein Visum oder keinen Ausweis haben, werden nach früheren Angaben mit dem Polizeiwagen in die Regionalzentrale nach Rosenheim gebracht. Aktuell äußert man sich dort nicht mehr dazu. Zu konfliktträchtig ist das Thema, das sich in Deutschland zur Regierungskrise ausgewachsen hat.

In Rosenheim, 30 Kilometer nördlich der Grenze, setzen Beamte im weitläufigen Gebäude der Bundespolizeiinspektion die Kontrollen fort. Sie identifizieren den Betreffenden mit seinen Fingerabdrücken und gleichen diese mit vorhandenen Computerdaten ab. Juristisch gesehen sei der Migrant damit noch nicht eingereist, hieß es. Unter Federführung der Staatsanwaltschaft – schließlich handelt es sich um einen illegalen Grenzübertritt – wird der Betreffende mit einem Dolmetscher befragt.

Mehr als die Hälfte wird schon jetzt abgewiesen

Vor allem interessieren die Beamten seine Beweggründe: Bittet jemand um Schutz vor Verfolgung? Nur das kann die illegale Ankunft entschuldigen und ein Asylverfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ermöglichen. Oder gibt der Befragte lediglich an, in Deutschland leben oder hier durchreisen zu wollen?

Schon jetzt verwehrt die Bundespolizei mehr als der Hälfte aller Flüchtlinge, die an der deutsch-österreichischen Grenze angetroffen werden, die Einreise. Von Januar bis Mai wurden nach offizieller Statistik rund 4600 Menschen an den Kontrollstellen in Bayern wegen illegalen Grenzübertritts aufgegriffen. Davon wiesen die Beamten fast 2450 zurück.

Die Gescheiterten treten aus Rosenheim im Polizeifahrzeug den Rückweg an: Sie werden nach früheren Behördenangaben aus Deutschland in die Dienststelle der österreichischen Polizei nach Kufstein gefahren und dort den Kollegen übergeben.

Kiefersfelden erstickt im Stau

Die Ankündigung von Bundesinnenminister Horst Seehofer, Grenzkontrollen und Zurückweisungen zu verschärfen, schürt in der Grenzregion Sorgen. Schon jetzt sei der Zustand untragbar, sagt der Bürgermeister von Kiefersfelden, Hajo Gruber. "Wir haben seit diesem Zeitpunkt, wo die Grenzkontrollen an der Autobahn gemacht worden sind, ein Riesen-Verkehrsproblem", sagt der parteilose Bürgermeister.

An manchen Tagen ersticke die Gemeinde mit ihren knapp 7000 Einwohnern im Stau, der das Geschäftsleben in dem Fremdenverkehrsort zum Erliegen bringe. Denn wegen des 20 bis 30 Kilometer langen Rückstaus auf der Autobahn wählten viele Fahrer als Alternativroute die enge Ortsdurchfahrt. Der dortige Grenzübergang ist unbewacht.

"Schengen ist ein Traum, der gelebt werden muss"

Was soll erst werden, wenn die Kontrollen ausgeweitet werden? Gruber, der in seiner holzgetäfelten Amtsstube unter dem Kruzifix seiner Arbeit nachgeht, will im Streit zwischen CSU und CDU nicht Partei ergreifen. "Für das Sicherheitsgefühl, das man auch ernst nehmen muss, sind natürlich Symbole auch wichtig", sagt der Kommunalpolitiker. Insofern seien die Pläne von CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer berechtigt.

Das Beharren von CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel auf einer europäischen Lösung und einen Erhalt des Schengen-Systems der offenen Grenzen sei jedoch ebenfalls wichtig. Davon profitierten die Bewohner von Kiefersfelden und der Nachbarstadt Kufstein täglich. "Schengen ist ein Traum, der gelebt werden muss."

Verwendete Quellen
  • Reuters
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