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Jens Spahn wird CDU-Fraktionschef: Merz' heikelste Personalie


Jens Spahn
Merz' heikelste Personalie


Aktualisiert am 28.04.2025 - 17:43 UhrLesedauer: 6 Min.
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Jens Spahn (M.) und Friedrich Merz im Bundestag: Was fängt Spahn mit seiner neuen Macht an? (Quelle: IMAGO/Emmanuele Contini/imago)
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Jens Spahn wird Fraktionschef der Union im Bundestag. Seine politischen Gegner warnen vor ihm. Klar dürfte sein: Das Amt wird ihm langfristig nicht reichen.

Es war schon länger kein Geheimnis mehr, dass er es will. Nun ist auch klar, dass er es wird: Jens Spahn soll zum Vorsitzenden der Bundestagsfraktion der Union gewählt werden. Nach CSU-Chef Markus Söder hat sich am Montag im CDU-Präsidium bei der Verkündung der Minister auch der künftige Bundeskanzler Friedrich Merz für Spahn ausgesprochen, wie t-online aus Kreisen des Präsidiums erfuhr.

Es ist ein mächtiges Amt, das Spahn schon lange favorisiert hat, deutlich mehr als das Amt des Wirtschaftsministers, für das er auch im Gespräch war. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann attestierte seinem politischen Freund am Montag in der "Süddeutschen Zeitung" schon einmal vorsorglich: "Jens Spahn scheut keine Auseinandersetzung, kennt sich in sehr vielen Themen gut aus und verfügt über große Erfahrung."

Die linke Opposition hingegen warnt seit Wochen vor Jens Spahn und einem Rechtsruck der CDU, den sie mit ihm befürchten. So weit, so normal, könnte man sagen. Allerdings gibt es diese Sorge im liberalen Teil der CDU ebenfalls. Und weitere Befürchtungen kommen bei manchem in der Partei hinzu. Was auch daran liegt, dass sich eigentlich alle einig sind: Spahn will noch mehr. Nur was eigentlich?

Spahn bleibt einfach sitzen

Um die Methode Spahn zu verstehen, lohnt sich ein Blick zurück. Es ist Anfang März, Union und SPD treffen sich im Jakob-Kaiser-Haus des Bundestages, um sich nach der Wahl erstmals zu beschnuppern. Diese Sondierungsgespräche sind für Beobachter hochspannend und sehr langweilig zugleich: Sie entscheiden früh darüber, ob es etwas werden kann mit einer Regierung. Nur dringt dummerweise kaum etwas nach draußen.

Für die Journalisten heißt das: lange warten, meist vergeblich. Bald gibt es unter ihnen zum Zeitvertreib so etwas wie einen Insiderwitz: Jens Spahn. Der ist nämlich irgendwann einfach da – und geht nicht mehr weg. Ursprünglich sollten in den Sondierungen 18 Leute von Union und SPD ausloten, ob Schwarz-Rot funktionieren kann, neun auf jeder Seite. Spahn war in der Runde nicht vorgesehen.

Nur als es um die Finanzen geht, wird Spahn, der einmal Parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium war, vorübergehend dazugerufen. So wie Finanzminister Jörg Kukies für die SPD. Der Unterschied: Kukies geht wieder. Spahn bleibt einfach sitzen. Er verhandelt weiter mit, aus der 18er- wird die 19er-Runde, mit einem Politiker mehr aufseiten der Union: Spahn.

Hartnäckig – und schmerzfrei

Es ist nicht die erste Episode, die zeigt: Jens Spahn ist hartnäckig, ambitioniert und auch ein bisschen schmerzfrei. Schon mit 22 Jahren zieht er in den Bundestag ein, als direkt gewählter Abgeordneter aus Nordrhein-Westfalen, der er bis heute ist. Mit 35 Jahren wird er Parlamentarischer Staatssekretär unter Finanzminister Wolfgang Schäuble. Mit 37 ist Spahn selbst Minister, zuständig für Gesundheit.

Kanzlerin ist damals eine gewisse Angela Merkel. Sie macht Spahn zum Minister, obwohl sie kein Fan von ihm ist, was auf Gegenseitigkeit beruht. Es war Spahn, der die Kanzlerin früh und immer wieder deutlich kritisierte. Nicht zuletzt ihre Migrationspolitik, und zwar schon 2015 als einer der Ersten in der Union.

Geschadet hat es Spahn offensichtlich nicht. Außer vielleicht dadurch, dass es Teil eines Bildes von ihm geworden ist, das zuletzt auch gegen ihn verwendet wurde: Das Bild eines Politikers, der vor allem auf eigene Rechnung arbeitet. Der dann loyal ist, wenn es ihm selbst nützt. Aber eben auch illoyal, wenn es ihm noch mehr nützt.

Verlässlicher Gegner

Dass Jens Spahn jetzt Fraktionschef wird, mit 44 Jahren, von denen er mehr als die Hälfte im Bundestag verbracht hat, ist deshalb bemerkenswert. Denn auch über Merz war zuletzt kolportiert worden, genau aus diesen Gründen damit zu hadern, Spahn das mächtige Amt anzuvertrauen.

Ein Amt, in dem Spahn nun die Bundestagsfraktion anführt, die Merz als Kanzler braucht, um seine Gesetze durchzubringen. Und damit ein Amt, das idealerweise mit jemandem besetzt wird, auf den sich ein Kanzler verlassen kann.

Lange Zeit konnte Merz sich vor allem darauf verlassen, in Spahn einen Gegner zu haben. Als es Ende 2018 darum ging, wer die CDU nach Angela Merkel anführt, traten Merz und Spahn gegeneinander an – und nahmen sich vermutlich gegenseitig Stimmen aus dem rechten Parteiflügel weg. Annegret Kramp-Karrenbauer gewann und wurde Parteivorsitzende, wenn auch nur für kurze Zeit.

Als es 2021 um ihre Nachfolge ging, unterstützte Spahn den späteren Sieger Armin Laschet – wieder gegen Friedrich Merz. Der erreichte erst ein Jahr später nach der vergeigten Bundestagswahl und dem Rückzug Laschets im dritten Anlauf sein Ziel – und wurde Parteichef.

Die Sache mit der AfD

Doch es ist nicht mangelnde Loyalität, für die Jens Spahn derzeit bei Linken, Grünen, SPD und eben auch von Liberalen in der CDU kritisiert wird. Es ist der Eindruck, Spahn wolle die Partei weiter nach rechts verschieben, immer näher an die AfD. So nah, dass irgendwann nicht mehr zu erklären ist, warum sie nicht zur Zusammenarbeit taugt.

Jens Spahn selbst weist das regelmäßig von sich. Und doch löst er ebenso regelmäßig Debatten aus, die nicht nur linke Oppositionspolitiker so interpretieren. Erst kürzlich hat er in einem "Bild"-Interview empfohlen, die AfD bei den Verfahren und Abläufen im Bundestag wie jede andere Oppositionspartei zu behandeln.

Anschließend verbrachte er viel Zeit mit dem Versuch, zu erklären, warum er damit keine Normalisierung der AfD gemeint habe. Er erlebe persönlich Hass und Hetze und schwulenfeindliche Sprüche, wenn er an AfD-Abgeordneten vorbeigehe, sagte Spahn im ZDF. "Mir muss echt keiner erzählen, was für Typen in deren Reihen sitzen. Das weiß ich."

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Doch mit seinen nachgelieferten Erklärungen überzeugt Spahn längst nicht mehr alle, auch in der CDU nicht. "An solchen Stellen entsteht der Eindruck, dass der CDU der Kompass völlig abhandengekommen ist", kritisiert etwa der Chef des CDU-Sozialflügels, Dennis Radtke, in der "taz".

Spahns Verbindungen zu Trump-Republikanern

Die Sorge, was Jens Spahn mit der CDU wirklich vorhat, rührt aber nicht nur von seinen Vorstößen zum Umgang mit der AfD her. Noch etwas anderes macht linken Gegnern und Teilen der Partei Sorge: die Befürchtung, er wolle die CDU in eine Partei nach Art der Republikaner von Donald Trump umbauen. Nur etwas weniger schmuddelig.

Aus seinen Sympathien für die Republikaner macht Spahn keinen Hehl. Den früheren US-Botschafter in Berlin und Trump-Vertrauten Richard Grenell nennt er einen Freund. Vor knapp einem Jahr reiste Spahn in die USA, um den Parteitag der Republikaner zu besuchen. Sie machten Donald Trump abermals zu ihrem Präsidentschaftskandidaten.

In einem Interview mit dem "Spiegel" findet Spahn Gefallen an Trumps Politik. "Hinter einer übertriebenen, teils abstoßenden Rhetorik", sagt Spahn damals, "sehe ich in der Sache politische Ansätze, die mich nicht schockieren, sondern die andere Gesellschaften und Politiker auch umtreiben."

Das Interview ist ein Jahr alt, es ist vor den jüngsten Irrnissen des Donald Trump entstanden. Aber eben auch nach Trumps zwischenzeitlicher Niederlage gegen Joe Biden, die Trump nicht anerkennen, ja sogar rückgängig machen wollte. Nach Trumps Anruf bei einem Amtsträger in Georgia, in dem er ihn aufgefordert hatte, noch "Stimmen zu finden". Und nachdem seine Anhänger das Kapitol gestürmt hatten.

"Natürlich musste man das aufklären", sagt Spahn dazu in dem Gespräch, "aber muss man deshalb gleich eine Diktatur aufziehen sehen?" Er "sehe einfach nicht", dass Trump oder die Republikaner "autoritären Mitteln das Wort reden". Es ist auch damals ein verblüffend wohlwollender Blick auf Trumps Republikaner.

Ein Horrorszenario – und eine Alternative

Das Horrorszenario, das man sich nun in der linken Opposition über Jens Spahn erzählt, geht so: Er könne Friedrich Merz als Fraktionschef das Leben so schwer machen, dass die Koalition mit der SPD irgendwann platze. Merz fege es aus dem Kanzleramt, und für Spahn sei der Weg frei, um möglicherweise schon in dieser Legislaturperiode eine Minderheitsregierung mit der AfD zu bilden.

Nun ist es so, dass tatsächlich niemand daran zweifelt, dass Jens Spahn mehr will, dass er Kanzler werden möchte. Das Horrorszenario aber, das natürlich nur eine unbewiesene Unterstellung ist, braucht es dafür gar nicht. Wahrscheinlich wäre so viel Disruption nicht einmal der klügste Weg, selbst wenn Spahn mit der AfD zusammenarbeiten wollte, was er bestreitet.

Bei Merz' konservativen Unterstützern in der Bundestagsfraktion gibt es eine interessante Hoffnung. Sie scheint zunächst Spahns Image und Ambitionen zu widersprechen, aber das muss sie gar nicht. Einige von Merz' Anhängern glauben, dass Spahn es schaffen kann, mit seinen guten Kontakten die Fraktion in alle Winkel der CDU-Republik zu disziplinieren. Sie hinter Merz zu versammeln und den Frust der Abgeordneten im Regierungsalltag abzufedern.

Jens Spahn könnte so ausgerechnet das demonstrieren, was dem fleißigen Netzwerker viele absprechen: Loyalität. Er könnte versuchen, diejenigen zu überzeugen, die noch nicht überzeugt sind von ihm. Er würde nicht direkt auf eigene Rechnung arbeiten, sondern in die Zukunft investieren, um später von der Rendite zu profitieren.

Es könnte der bessere Weg nach ganz oben sein. Friedrich Merz, 69 Jahre alt, wird nicht ewig Kanzler bleiben. Der Fraktionsvorsitz bietet für Spahn die Chance, bis dahin oben mitzumischen, ohne als Minister direkt in die Regierung eingebunden zu sein. Eine Regierung, die erst noch beweisen muss, dass sie erfolgreich und beliebt sein kann.

Die Zeit läuft jetzt für Jens Spahn.

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