Ende des individuellen Asylrechts Politik kann, "wenn sie nur will": Stimmt das?
Der Bamf-Chef fordert das Ende des individuellen Asylrechts. Sein Vorschlag stößt auf ein geteiltes Echo – und wäre rechtlich und politisch kaum durchsetzbar.
Das individuelle Asylrecht muss weg, an seine Stelle soll ein neues System rücken: Mit dieser Forderung hat der Chef des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Hans-Eckhard Sommer, viel Aufsehen erregt. Doch geht das überhaupt? Und wie fallen die politischen Reaktionen auf Sommers Forderungen aus? t-online beantwortet die wichtigsten Fragen.
Was schlägt Sommer vor?
Sommer hatte am Montag bei einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung einen tiefgreifenden Kurswechsel in der europäischen Migrationspolitik gefordert. Er schlug vor, über eine Reform auf EU-Ebene Schutz nur noch über die humanitäre Aufnahme mit festgelegten Quoten zu gewährleisten. Dazu sollten Migranten dann eingeflogen werden. Im Gegenzug müsse "jeglicher Anspruch auf Asyl und auf sonstige Schutzrechte" entfallen. Dies würde beispielsweise für an der Grenze vorstellige, werdende Asylsuchende treffen, die dann keinen Anspruch mehr hätten. Sommer betonte, dass er sich als Privatperson und nicht in seiner Funktion als Bamf-Chef äußere.
Ließe sich der Vorschlag umsetzen?
Für die Umsetzung von Sommers Vorschlag gibt es hohe Hürden. Das individuelle Asylrecht ist in Artikel 16a des Grundgesetzes verbrieft. Ohne eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat ist es nicht zu ändern.
Darüber hinaus ist Deutschland an eine Vielzahl internationaler Vereinbarungen gebunden, beispielsweise die Genfer Flüchtlingskonvention. Ein großer Teil des Asylrechts ist außerdem durch die EU geregelt, schnelle Änderungen sind dort unwahrscheinlich. Zu diesem Problem erklärte Sommer am Montagabend, Politik könne vieles, "wenn sie nur will". Verträge könnten geändert, Mehrheitsverhältnisse verändert werden.
Wie kommt der Vorschlag an?
Das Echo fällt gemischt aus. Zustimmung kommt aus der Union. Der Parlamentsgeschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), erklärte am Dienstagmorgen, er sei für den Vorschlag offen. "Dass ich diesem Vorschlag gegenüber eine gewisse Sympathie habe, das kann man schon daran sehen, dass ich diesen Vorschlag auch schon einmal unterbreitet habe", sagte er bei RTL/n-tv. In den Koalitionsverhandlungen habe man darüber aber nicht gesprochen.
Kritik kam dagegen vom wahrscheinlichen Koalitionspartner SPD. "Das Asylrecht steht für die SPD nicht zur Disposition", sagte Innenminister Nancy Faeser am Dienstag in Berlin. Kontingente würden schon länger diskutiert. Sie seien "kein wirksames alleiniges Mittel", weil sie etwa das Problem der Kriegsflüchtlinge nicht löse. Schleuser würden zudem nicht aufhören, Menschen nach Europa zu bringen, nur weil es zahlenmäßige Beschränkungen gebe.
"Solche öffentlichen Äußerungen eines Behördenchefs widersprechen seiner Verantwortung", sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner dem "Handelsblatt" über Sommer. "Ein Behördenchef hat sich an das Grundgesetz zu halten und sollte nicht öffentlich die in der Verfassung verbrieften Grundrechte infrage stellen."
Die Linken-Abgeordnete Clara Bünger forderte den Rücktritt des Bamf-Chefs. "Wer als Behördenchef die Kernaufgabe seines eigenen Amtes, individuelle Asylprüfungen vorzunehmen, für unzeitgemäß, überflüssig oder gar falsch hält, sollte von seinem Posten zurücktreten", erklärte die rechtspolitische Sprecherin der Links-Fraktion. Weitere Reaktionen lesen Sie hier.
Wie wollen Union und SPD mit Migration und Asyl umgehen?
Union und SPD sprechen sich für Zurückweisungen an der deutschen Grenze aus. Uneinigkeit besteht im Umgang mit den Nachbarländern: Diese müssen nach EU-Recht eingebunden sein. Die SPD argumentiert, dass dies die Zustimmung der Nachbarländer voraussetzt, während die Union es für ausreichend hält, die Regierungen über die Zurückweisungen zu informieren.
Die Union drängt außerdem auf Asylverfahren außerhalb der EU sowie die Aberkennung der Staatsbürgerschaft bei Doppelstaatlern, sollten diese mit extremistischen oder antisemitischen Straftaten auffallen.
- bild.de: "Bamf-Chef fordert radikale Reform in Migrationspolitik"
- lto.de: "SPD, Union und die Migration: Was hinter den Ausreise-Plänen steckt"
- sueddeutsche.de: "Asylpolitik: Mehr Zurückweisungen – ist das erlaubt?"
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