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SPD-Entscheidung: Scheitert die Koalition am Mitgliedervotum?


Regierungsbildung gefährdet?
Was passiert, wenn die SPD Nein sagt


29.04.2025 - 20:19 UhrLesedauer: 4 Min.
Mitgliedervotum der SPD zum KoalitionsvertragVergrößern des Bildes
Mitgliedervotum der SPD (Archivfoto): Noch bis Mitternacht können die Mitglieder über den schwarz-roten Koalitionsvertrag abstimmen. (Quelle: Michael Kappeler/dpa/dpa-bilder)
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Die SPD stimmt bis Mitternacht über den Koalitionsvertrag mit der Union ab. Ein Nein könnte die bisherigen Pläne ins Wanken bringen und verschiedene Szenarien auslösen.

An ihr hängt die Zukunft der deutschen Regierungsbildung: Als letzte der drei Instanzen muss die SPD über den schwarz-roten Koalitionsvertrag mit dem Titel "Verantwortung für Deutschland" abstimmen. Nachdem die CSU dem Vertragswerk bereits Mitte April zugestimmt hatte, gab die CDU am Dienstag auf dem "Kleinen Parteitag" in Berlin ihr Einverständnis bekannt. Nun ist die SPD dran, eine Entscheidung zu fällen.

Noch bis heute um 23.59 Uhr haben alle 358.000 sozialdemokratischen Mitglieder Zeit, das Koalitionsprogramm mit einer Mehrheit anzunehmen, ansonsten kommt die Regierung unter den aktuellen Bedingungen nicht zustande. Mindestens 50 Prozent der Stimmen braucht es dazu. Die Jusos haben bereits ihre Ablehnung angekündigt. Was würde also passieren, wenn das gesamte Ergebnis ebenfalls negativ ausfällt?

SPD-Stimmen: "Ein Drittel wird den Koalitionsvertrag ablehnen"

Der promovierte Politikwissenschaftler von der Universität Leipzig, Hendrik Träger, hält die Zustimmung der SPD-Basis zwar für plausibel. Im Gespräch mit der "Berliner Morgenpost" macht er dazu jedoch eine Einschränkung: Seiner Einschätzung nach wird dem Koalitionsvertrag zugestimmt, "wenn auch nicht mit großer Euphorie".

Fragt man direkt in der SPD nach, sind die Stimmen gemischt. Auch der Generalsekretär Matthias Miersch schätzt die Stimmung in der Partei nach Angaben der Deutschen PresseAgentur (dpa) ähnlich ein wie Träger: Eine Euphorie gegenüber dem Koalitionsvertrag stellt er nicht fest. Die Mitglieder sähen, dass der Vertrag kein SPD-Wahlprogramm sei, dass er andererseits aber durchaus eine SPD-Handschrift trage. Daher rechnet er ebenfalls mit einer Zustimmung.

Der Fraktionsvorsitzende der Ratsfraktion der SPD Bottrop, Matthias Buschfeld, erwartet allerdings, dass ein großer Teil der SPD gegen das Vertragswerk stimmen werde. Er selbst wolle zwar für Ja votieren, da er sonst einen Vertrauensverlust in die demokratischen Institutionen befürchte. Dennoch sagt er: "Mein Gefühl ist: Ein Drittel der SPD-Mitglieder wird den Koalitionsvertrag ablehnen. So ist Demokratie, auch innerparteiliche." Mehr zu dem Gespräch mit t-online lesen Sie hier.

Einer, der mit Nein stimmen will ist der Berliner SPD-Politiker Lars Düsterhöft. "Ich kann nicht das Falsche tun, um das Schlimmste zu verhindern", begründet er seine Haltung. "Viele der gesellschaftlichen Probleme tauchen im Vertrag nicht auf." Am Vertrag kritisiert er unter anderem die Bestimmungen zum Bürgergeld.

Auch vonseiten der SPD-Parteijugend kam zuvor heftige Kritik am Koalitionsvertrag. So sagte der Juso-Chef Philipp Türmer in der RTL/ntv-Sendung "Frühstart", dass die festgelegten Bedingungen für die jungen Sozialisten nicht ausreichten. Besonders die Bereiche Migration, Asyl, Arbeit und Soziales wären nicht zufriedenstellend geregelt. Auch bei den Finanzen sieht er Nachbesserungsbedarf. Offiziell lehnen die Jusos den Vertrag ab, auch wenn jedes Mitglied in seiner Entscheidung frei ist.

Drei mögliche Szenarien bei einem Nein der SPD

Ein Restrisiko bleibt also, dass die SPD den Koalitionsvertrag blockiert. Sollte es so kommen, sieht Politikwissenschaftler Träger drei mögliche Folgeszenarien. Im ersten Szenario wäre eine erneute Verhandlungsrunde zwischen Union und SPD nötig, um Änderungen zu besprechen. Doch Träger schätzt dies als unwahrscheinlich ein: "Die Union müsste der SPD einige Zugeständnisse machen. Das der Union-Basis zu erklären, würde schwierig werden."

Im zweiten Szenario steht die Bildung einer Minderheitsregierung im Raum, was die als sicher geltende Wahl von Friedrich Merz (CDU) zum Bundeskanzler beeinflussen könnte. Für das Kanzleramt benötigt Merz eine absolute Mehrheit, also mehr als 50 Prozent der Stimmen. Sollte dies in den ersten beiden Wahlgängen nicht gelingen, reicht im dritten Wahlgang die relative Mehrheit, die Person mit den meisten Stimmen würde gewinnen.

Das dritte Szenario, das unter den Parteien als besonders gefürchtet gilt – abgesehen von der AfD – ist die Auflösung des Bundestages. Dies würde bedeuten, dass die Bürger erneut zur Wahl aufgerufen würden. Olaf Scholz (SPD) und die zerbrochene rot-grüne Minderheitsregierung blieben vorerst geschäftsführend im Amt, bis Neuwahlen neue Ergebnisse brächten.

Laut aktuellen Umfragen würde davon besonders die AfD profitieren. Die Partei, die vom Verfassungsschutz in Teilen als rechtsextrem eingestuft wird, könnte nach dem derzeitigen Stand mit der Union gleichziehen oder diese sogar überholen. Aber auch andere Parteien, die nicht am Scheitern der Schwarz-Roten Koalition beteiligt waren, könnten einen Vorteil aus Neuwahlen ziehen, so Träger.

Sollten die Koalitionsverhandlungen scheitern, sind Neuwahlen nach dem Grundgesetz aber nicht sofort möglich. Erst nach einer offiziellen Auflösung des Bundestages könnten die Bürger erneut zur Urne schreiten.

Der geschäftsführende Bundeskanzler Olaf Scholz hat in dieser Übergangsphase nicht das Recht, die Vertrauensfrage zu stellen und damit eine Auflösung des Bundestages und Neuwahlen herbeizuführen. Auch der Bundestag könnte sich nicht selbst auflösen. Einzig der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dürfte diese Entscheidung treffen. Daher wären die Hürden für das dritte Szenario entsprechend hoch.

Es gilt als unwahrscheinlich, dass die SPD in ihrem Mitgliedervotum im Endergebnis für Nein stimmt und somit eine direkte Regierungsbildung verhindert. Erwartet wird, dass zwei Drittel der Mitglieder den Vertrag in seiner aktuellen Form unterstützen – sei es aus inhaltlicher Überzeugung oder aus der Abwehr der drei alternativen Szenarien. Diese Mehrheit wäre mehr als ausreichend, um die Grundlage für die Koalition zu sichern. Am Mittwoch sollen die Ergebnisse des Mitgliedervotums vorgestellt werden. Aller Voraussicht nach wird dann am 6. Mai Friedrich Merz zum Bundeskanzler gewählt – mit einer schwarz-roten Regierung im Rücken.

Verwendete Quellen

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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