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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Bis zu eine Billion Euro Sondervermögen: Diese Möglichkeiten stehen im Raum
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Bundeswehr, marode Infrastruktur, Unterstützung für die Ukraine: Auf die Bundesrepublik kommen gewaltige Ausgaben zu. So könnte die Bundesregierung sie finanzieren.
In den nächsten Jahren steht Deutschland vor erheblichen Herausforderungen. Die Infrastruktur bröckelt und muss dringend saniert werden – und nach dem offenen Bruch der Vereinigten Staaten mit der Ukraine am Freitag scheinen auch die Aufrüstung der Bundeswehr sowie weitere Waffenlieferungen an die Ukraine unausweichlich.
Derzeit hakt es vor allem an der Frage, wie die nächste Bundesregierung diese Aufgaben finanzieren möchte. Im Raum stehen ein oder zwei sogenannte Sondervermögen, die der Bundesregierung erlauben würden, an der Schuldenbremse vorbeizuwirtschaften. CDU-Chef Friedrich Merz fordert laut Informationen von t-online wohl, die Frage in einer Sondersitzung des Bundestages zu diskutieren. Mehr dazu lesen Sie hier.
Wie genau die Sondervermögen aussehen sollen, ist noch unklar. Drei verschiedene Möglichkeiten scheinen derzeit wahrscheinlich.
Zwei getrennte Sondervermögen
Die Ökonomen Clemens Fuest, Michael Hüther, Moritz Schularick und Jens Südekum schlagen laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters zwei getrennte Sondervermögen vor. Diese Option soll bereits in den Sondierungsgesprächen am vergangenen Freitag von den Verhandlern diskutiert worden sein. Der Vorschlag sieht vor, das Sondervermögen der Bundeswehr um zusätzliche 400 Milliarden Euro aufzustocken, um ein Signal an den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu senden.
Ein weiteres Sondervermögen soll 400 bis 500 Milliarden Euro schwer sein und Bund und Ländern zur Sanierung der Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden. Mit dem bestehenden 100-Milliarden-Euro-Geldtopf für die Bundeswehr, den die Ampelregierung nach dem russischen Überfall auf die Ukraine beschlossen hatte, umfasst der Vorschlag der Ökonomen rund eine Billion Euro. Zum Vergleich: Der Bundeshaushalt für das Jahr 2025 sieht Gesamtausgaben in Höhe von 489 Milliarden Euro vor, die beiden Sondervermögen wären also insgesamt mehr als doppelt so hoch.
Reform der Schuldenbremse
Insbesondere die Grünen beharren auf einer Reform der Schuldenbremse mit Ausnahmeregelungen für bestimmte Bereiche, um Investitionen in Bundeswehr und Infrastruktur zu ermöglichen.
Co-Parteichef Felix Banaszak warf Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz am Montag zugleich vor, Angebote von SPD und Grünen vor der Bundestagswahl ausgeschlagen zu haben. "Friedrich Merz hat seinen Wahlkampf aufgebaut auf der Unwahrheit, dass es Deutschland gelingen kann, diese ganzen Ausgaben zu tätigen, ohne dass man an der Einnahmenseite etwas ändern muss", sagte Banaszak. Nach der Wahl sei Merz in einer neuen Realität aufgewacht und habe festgestellt, dass mehrere hundert Milliarden Euro fehlen.
Sowohl eine Reform der Schuldenbremse als auch die Sondervermögen müssten im Grundgesetz verankert werden, damit die Schuldenbremse angewendet werden kann. Dementsprechend bräuchte es für beide Optionen eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament, die Union, SPD und Grüne derzeit haben.
Die Entscheidung über die zusätzlichen Milliarden müssten die Fraktionen allerdings schnell treffen – denn nach der Konstituierung des neuen Bundestages verfügen Linke und AfD über eine Sperrminorität, mit der sie eine Reform der Schuldenbremse und die Sondervermögen blockieren könnten. Der neue Bundestag konstituiert sich spätestens am 25. März 2025.
Abschaffung der Schuldenbremse
Christian Görke, der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, erklärte, seine Fraktion habe Union, SPD und Grünen Gespräche zur Reform der Schuldenbremse angeboten. Die Sondervermögen lehnt Görke ab.
"Richtig ist: Die neue Regierung braucht Geld für Investitionen in Schulen, Infrastruktur und die Wirtschaft", sagte Görke der Nachrichtenagentur dpa. Aber es dürfe keine "finanzpolitischen Tricksereien" geben. Er bezog sich auf den Bericht über die zwei Sondervermögen. Solche Sonderschulden seien nicht nachhaltig und juristisch fragwürdig. "Der sauberste Weg ist, die Schuldenbremse abzuschaffen", meinte Görke.
Aussetzung der Schuldenbremse durch Notlage
Sollten weder die Sondervermögen noch die Reform der Schuldenbremse eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag finden, bleibt den Abgeordneten noch eine Notfalllösung: Mit einer einfachen Mehrheit könnten sie eine Notlage beschließen und damit die Schuldenbremse aufheben.
Dieser Weg wäre allerdings laut dem Bundesverfassungsgericht jeweils nur für das laufende Jahr zulässig. Eine langfristige finanzielle Planungssicherheit ließe sich auf diesem Weg also kaum gewährleisten.
- sueddeutsche.de: "Gespräche über Summen, die bislang unvorstellbar waren"
- spiegel.de: "Die Billion-Euro-Frage" (kostenpflichtig)
- tagesschau.de: "Zwei neue Sondervermögen?"
- manager-magazin.de: "Debatte um Sondervermögen für Verteidigung und Infrastruktur"