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Migrationspolitik: Was muss passieren?


Meinung
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Streit über Migration
Ein vergiftetes Lob

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 16.09.2024Lesedauer: 4 Min.
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Viktor Orbán: Der ungarische Ministerpräsident lobt die erweiterten Grenzkontrollen in Deutschland. (Archivfoto) (Quelle: IMAGO/Alessandro Bremec/imago)
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Was muss passieren, damit weniger Migranten hierherkommen? Deutschland schließt seine Grenzen und erhofft sich Eindämmung, aber national lässt sich das Problem nicht lösen.

Um mal mit etwas Positivem anzufangen: Weil er in meiner Heimatstadt Hof mit zwei Macheten etliche Soldaten der Bundeswehr niedermetzeln wollte, ist ein 27-jähriger Syrer festgenommen worden. Der Hinweis kam "aus dessen Umfeld", so heißt es.

(Quelle: Privat)

Zur Person

Gerhard Spörl interessiert sich seit jeher für weltpolitische Ereignisse und Veränderungen, die natürlich auch Deutschlands Rolle im internationalen Gefüge berühren. Er arbeitete in leitenden Positionen in der "Zeit" und im "Spiegel", war zwischendurch Korrespondent in den USA und schreibt heute Bücher, am liebsten über historische Themen.

Mit ein bisschen Wirklichkeitssinn kann festgehalten werden, dass es schon öfter gut ging, als es sich im öffentlichen Bewusstsein niederschlug. Meist sind es ausländische Geheimdienste, die einen Tipp geben. Manchmal ist es der Aufmerksamkeit der Polizei zu verdanken, wenn ein Attentat verhindert wird. Oder aber, wie in Hof, einem Bekannten oder Landsmann fällt auf, dass da jemand Menschen umbringen will.

Aber natürlich sind es die Anschläge von Solingen, Mannheim oder München, die fragen lassen, was schiefläuft und wie man Nachahmer abhalten kann. Und vor allem muss und soll etwas geschehen, damit die AfD, die mit jedem Messer-Mord noch mehr aufblüht, nicht weiter davon profitieren kann.

Terrorismus und Migration?

Ab heute lässt die Bundesregierung sämtliche Landesgrenzen kontrollieren. Damit will sie die "irreguläre Migration weiter zurückdrängen, Schleuser stoppen, Kriminellen das Handwerk legen, Islamisten erkennen und aufhalten", wie Innenministerin Nancy Faeser ziemlich markig sagt. Viel verlangt sie auf einmal und nach aller Erfahrung zu viel.

Die Falle besteht darin, dass die Innenministerin (wie auch CDU-Chef Friedrich Merz) Migration und Terrorismus nicht auseinanderhält. Für die Eindämmung des Terrorismus, den einzelne Migranten ausüben, wäre es etwa sinnvoll, endlich eine europäische Gefährder-Datei einzurichten. Den Migranten, die über Österreich oder Polen einreisen, kann ja kein Bundespolizist ansehen, ob sie sich hierzulande radikalisieren werden oder sogar dem Auftrag des IS folgen, so viele Menschen wie möglich umzubringen. Aber einschlägige Bekannte, die eine Datei erfasst hat, können abgefangen werden.

Von heute an werden auch die Grenzen zu Frankreich, Dänemark, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg kontrolliert. An den Übergängen zu Österreich, Tschechien, der Schweiz und Polen wird schon untersucht, wer da kommt. Das schöne Schengen-Abkommen, wonach freier Reiseverkehr in der Europäischen Union herrschen darf, ist für sechs Monate außer Kraft gesetzt.

Ein vergiftetes Lob aus Ungarn

Das Echo klingt nicht amüsiert. Polen legt Protest ein, Griechenland auch. Österreich plant, sich zu weigern, abgewiesene Migranten zurückzunehmen, auch wenn sie dort registriert worden sind. In Österreich ist in zwei Wochen Wahl, die FPÖ liegt bei fast 30 Prozent und ruft Ungarn als leuchtendes Beispiel aus. Denn Ungarn registriert Asylbewerber nicht, sondern weist sie entweder ab oder schickt sie einfach durch. Viktor Orbán, der Ministerpräsident, schickte übrigens ein vergiftetes Lob nach Berlin: "Jetzt ist Deutschland aufgewacht."

Auch Friedrich Merz schwebt das ungarische Beispiel vor, auch wenn er sich nicht darauf beruft. Er verlangt ja nach blanker Zurückweisung von Migranten an der Grenze, womit dann auch Deutschland gegen das Dublin-Abkommen verstieße, das zur Aufnahme von Asylbewerbern verpflichtet. Die auch nicht mehr zimperliche Bundesregierung spricht sich dagegen aus, weil sie sich ungern vom Europäischen Gerichtshof verurteilen ließe oder finanzielle Strafen verhängt sähe. Ungarn übrigens ist mit 200 Millionen Euro wegen seiner systematischen Zurückweisung sanktioniert worden.

Der große Irrtum des Kampfes gegen irreguläre Migration besteht aber darin, dass er sich innerhalb der EU gewinnen lässt. Wenn die Migranten aber erst einmal in Italien, Griechenland oder Polen angekommen sind, fragt sich nur noch, welches Land sie aufnehmen muss. Nach der Dublin-Vereinbarung liegt die Verantwortung bei dem Land, in dem sie eintreffen. Aber weder Italien noch Polen oder Österreich oder Griechenland hindern Geflüchtete daran, weiter nach Deutschland zu ziehen. 300.000 waren es im Jahr 2023.

Fokus auf die Außengrenzen

Deutschland wiederum wollte im vergangenen Jahr rund 75.000 Migranten in ihr europäisches Erstland zurückschicken. Nur 5.000 bekam man los. Den übergroßen Rest wollte kein anderes Land zurück haben. In Wahrheit ist das Dublin-Abkommen tot.

Jedes europäische Land treibt nationale Migrationspolitik. Jedes Land achtet darauf, dass es möglichst stabil bleibt. Deshalb ist Migrationspolitik in Wirklichkeit Anti-Migrations-Politik. Dänemark macht keinen Hehl daraus, dass ihm Abschreckung vorgeht. Die Niederlande sind dabei, dem Beispiel zu folgen. Österreich dürfte es auch so halten, sobald die FPÖ die Wahl gewinnt.

Wenn Deutschland wirklich will, dass die Zahl der Migranten dramatisch sinkt, dann sollte die Bundesregierung zugeben, dass diese Demokratie nicht mehr so liberal ausfallen kann wie bisher. Sie könnte mit Fug und Recht argumentieren, dass Stabilität unter den Umständen wichtiger ist. Und sie müsste in Brüssel dafür sorgen, dass nicht jeder seins macht, sondern die europäischen Außengrenzen geschlossen werden anstatt der nationalen.

Brandenburg-Wahl als Wendepunkt?

Das EU-Abkommen mit der Türkei ist wahrlich kein Ruhmesblatt. Außerdem gibt es Migrations-Vereinbarungen mit Mauretanien, Ägypten und Marokko. Das sind amoralische Deals, was denn sonst.

Deutschland war bislang, wegen seiner Geschichte, weniger dazu geneigt, entschieden restriktive Migrationspolitik zu betreiben. Diese Haltung ändert sich gerade. Die interimistische Schließung der Grenzen ist, so gesehen, sogar ein großer Schritt. Doch eine effektive Politik im Umgang mit diesem wahrlich komplexen Problem sieht anders aus. In Europa muss die Bundesregierung für kollektives Handeln eintreten.

Der Gradmesser für die politische Wirksamkeit der neuen Maßnahmen ist die Wahl in Brandenburg am kommenden Sonntag. Brandenburg gehört der SPD an – bisher. Liegt die AfD dieses Mal vorn, wäre das die nächste Abrissbirne für die SPD und ihren Kanzler.

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