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Polizeiliche Kriminal-Statistik: Warum sie nicht immer zuverlässig ist


Problem mit Kriminalstatistik
Sind Migranten wirklich krimineller als Deutsche?

Von dpa
01.04.2025 - 16:36 UhrLesedauer: 3 Min.
Polizisten bei einer Razzia: Die Polizeiliche Kriminalstatistik sorgt für Diskussionen.Vergrößern des Bildes
Polizisten bei einer Razzia: Die Polizeiliche Kriminalstatistik sorgt für Diskussionen. (Quelle: Kathrin Zeilmann)
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Oft wird behauptet, Migration führe zu mehr Kriminalität. Als Grundlage wird die Polizeiliche Kriminalstatistik herangezogen. Doch die zeichnet nicht immer ein klares Bild.

In der öffentlichen Debatte ist immer wieder zu hören, dass Migration angeblich zu einer Zunahme der Kriminalität in Deutschland führe. Dieser Eindruck wird oft mit dem Verweis auf die Anzahl der ausländischen Tatverdächtigen in Kriminalstatistiken unterstrichen.

Verzerrung der Statistik

Die genaue Analyse der Zahlen zeigt aber, dass solche Pauschalaussagen problematisch sind. Expertinnen und Experten weisen darauf hin, dass die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) eine Vielzahl von Verzerrungen aufweist, die eine direkte Verbindung etwa zwischen Migration und höherer Kriminalität nicht einfach belegen lassen.

Eine klassische These, die beispielsweise in den sozialen Medien immer wieder verbreitet wird: Vergleicht man die Zahl der Ausländer, denen in der Bundesrepublik eine Straftat vorgeworfen wird, mit ihrem Anteil an der Bevölkerung, so sollen sie vermeintlich krimineller sein als Deutsche.

Das Problem bei solch einem Vergleich ist aber: Während in der Kriminalitätsstatistik bestimmte Ausländergruppen wie beispielsweise Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis, Durchreisende, Touristen, Grenzpendler oder stationierte Streitkräfte mitgezählt werden, kommen diese Gruppen von Menschen in der Statistik der Wohnbevölkerung gar nicht vor. Sprich: Von den nichtdeutschen Tatverdächtigen wohnt ein nicht geringer Teil gar nicht in der Bundesrepublik. Deutsche andererseits, die im Ausland etwa als Urlauber oder Geschäftsreisende Straftaten begehen, landen erst gar nicht in der deutschen PKS.

Grundsätzlich erfasst die PKS alle der Polizei bekanntgewordenen Straftaten, einschließlich Tatverdächtigen- und Opferzahlen, und dient der Kriminalitätsanalyse. Sie bildet jedoch nur das sogenannte Hellfeld ab. Sie zählt Straftaten, die angezeigt oder polizeilich registriert wurden. Als Dunkelfeld werden Straftaten bezeichnet, die nicht gemeldet werden. Daher gibt die PKS zwar einen Überblick über Kriminalitätstrends, aber kein vollständiges Bild der tatsächlichen Kriminalitätslage.

Unterschiedliche Hintergründe, falsche Schlüsse

Gerade bei der Untersuchung von Ausländerkriminalität sei das problematisch, sagt Susann Prätor, Kriminologin und Professorin an der Polizeiakademie Niedersachsen, da "dieser Ausschnitt der Kriminalität durch verschiedene Faktoren noch mal verzerrt wird". Sie kritisiert, dass Straftaten wie Verstöße gegen das Asyl- oder Aufenthaltsgesetz nur von Nichtdeutschen begangen werden können und deshalb die Statistik in diesem Bereich verfälsche. Dies müsse berücksichtigt werden, da es die Zahl der Tatverdächtigen in der ausländischen Bevölkerung in die Höhe treibe, "weil eben nur diese Personengruppen überhaupt diese Straftaten begehen können."

Die Kriminologin betont, dass die Gruppe der Nichtdeutschen äußerst heterogen sei und keine einheitliche Kategorie bilde. In einem Raum versammelt fänden sich Menschen unterschiedlicher Hintergründe: Einwanderer aus den USA, die ihre ursprüngliche Staatsangehörigkeit behalten haben, Geflüchtete aus Syrien mit traumatischen Erfahrungen, türkische Migranten, die seit Jahrzehnten in Deutschland leben, Touristen oder auch Personen, die gezielt einreisen, um Straftaten zu begehen.

"Wenn Sie die Gruppe fragen würden, was das verbindende Merkmal ist, würde die Gruppe Ihnen wahrscheinlich sagen, überhaupt keines, weil sie so unterschiedlich sind. Und das Einzige, was sie verbindet, ist der nichtdeutsche Pass." Die Lebensumstände innerhalb dieser Gruppe seien jedoch so verschieden, dass sich daraus keine allgemeingültigen Aussagen über Kriminalitätswahrscheinlichkeiten ableiten ließen.

Forderungen nach einer differenzierteren Betrachtung

Die Diskussion um die Polizeiliche Kriminalstatistik wird regelmäßig angestoßen, insbesondere wenn es um die Frage geht, inwieweit sie ein realistisches Bild der Kriminalität abbildet. "Es gibt immer wieder Stimmen, die eine Abschaffung der PKS fordern, eben weil sie nur eine Hellfeldstatistik darstellt", sagt Dirk Baier, Leiter des Instituts für Delinquenz und Kriminalprävention an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Zürich. Doch statt diese abzuschaffen, solle man eher immer wieder erwähnen, dass es eine Anzeigestatistik ist.

Die PKS erfasst nämlich lediglich Tatverdächtige – also Personen, gegen die Ermittlungen geführt werden, ohne dass dabei eine abschließende juristische Bewertung erfolgt. Soll etwa heißen: Ob ein Gericht später einen Tatverdächtigen verurteilt oder freispricht, ist nicht herauszulesen.

"Wir wissen, insbesondere auf Basis von Jugendstudien, dass die Anzeigebereitschaft einem ausländischen Täter gegenüber bis zu 50 Prozent höher liegt als einem deutschen Täter gegenüber", erklärt der Soziologe. Dieser Unterschied sinke aber, je schwerer eine Straftat sei. Ebenso wie grundsätzlich mit der Schwere einer Straftat die Anzeigebereitschaft steige.

Soziale Ungleichheit als Treiber von Vergehen

Es könnte sein, dass Konflikte schwerer zu lösen sind, weil Menschen unterschiedliche Sprachen sprechen oder aus verschiedenen Kulturen kommen. Denkbar sei aber auch, dass Ressentiments, Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit eine Rolle spielen, warum ein ausländischer Täter eher angezeigt werde.

Kriminalität sei kein Naturereignis, dem eine Gesellschaft schutzlos ausgesetzt sei, sagt Baier. Vielmehr sei sie durch soziale Faktoren mitbestimmt. Dies zeigt sich beispielsweise mit Blick auf gesellschaftliche Ungleichheiten wie etwa des Einkommens, des Vermögens oder der Bildung. "Wenn Ungleichheiten zunehmen, nimmt Kriminalität zu. Wenn es hingegen gelingt, allen Menschen über sozialstaatliche Leistungen ein einigermaßen gutes Leben zu ermöglichen, gibt es weniger Kriminalität."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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