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Kindergeld und Kinderfreibetrag: Der neue Streit in der Ampel


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Ampel-Streit ums Geld
Und es geht schon wieder los


23.01.2024Lesedauer: 5 Min.
Muss die Ampel auf Sparkurs bringen: Finanzminister Christian Lindner (FDP).Vergrößern des Bildes
Muss die Ampel auf Sparkurs bringen: Finanzminister Christian Lindner (FDP). (Quelle: Arnulf Hettrich/imago-images-bilder)
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Ab jetzt kein Streit mehr? Von wegen. In der Ampelkoalition geht es weiter hoch her. Auslöser dieses Mal: Kindergeld, Kinderfreibetrag und Kindergrundsicherung.

Ricarda Lang findet, dass es so nicht weitergehen kann. Die Grünen-Chefin steht am Montag in der Berliner Grünen-Zentrale bei einer Pressekonferenz vor Journalisten. Doch eigentlich spricht sie zu ihren Kolleginnen und Kollegen der Ampelkoalition: zur SPD, zur FDP, aber auch zu ihren Grünen.

"Wenn man sich am 1. Januar hinstellt und sagt 'Jetzt wird alles anders', und Ende Januar schon wieder die gleichen Streitereien, das gleiche öffentliche Gekeile entsteht – dann führt das bei vielen Menschen zu Frust", sagt Ricarda Lang. "Weniger öffentlich zu streiten, das darf kein Neujahrsvorsatz bleiben, das muss endlich Realität werden."

Weniger Streit, damit nicht noch mehr Vertrauen verloren geht – das hat sich die Ampel schon zigfach vorgenommen. Nur hat es bisher nie funktioniert. Auch in diesem Jahr nicht. Erst hat sich in den vergangenen Wochen ein Zoff ums Klimageld hochgeschaukelt, obwohl alle Ampelpartner es eigentlich haben wollen. Und nun streiten sich die Koalitionäre über drei weitere K-Themen: Kindergeld, Kinderfreibetrag und Kindergrundsicherung.

Es geht mal wieder um Milliarden Euro. Und bei der Kindergrundsicherung auch darum, was aus einem Projekt wird, bei dem sich die Koalition schon im vergangenen Jahr verkeilt hatte und das nun im Bundestag festhängt.

Schnell wird es persönlich

Im Zentrum des aktuellen Streits steht eine simple Frage, über die sich die Ampel regelmäßig streitet: Wer soll wie viel Geld vom Staat bekommen?

Mit dem Kinderfreibetrag werden vor allem Menschen mit hohen Einkommen bei der Steuer entlastet. Wer weniger oder gar nichts verdient, erhält stattdessen Kindergeld. Die Ampelkoalition hat das Kindergeld Anfang 2023 deutlich von 219 auf 250 Euro pro Monat erhöht – ein Plus von rund 14,2 Prozent. Auch der Kinderfreibetrag steigt in diesem Jahr erneut – um etwa 9,8 Prozent je Kind von 6.024 Euro pro Jahr auf 6.612 Euro. Für Spitzenverdiener kann das zu einer monatlichen Steuerentlastung von 377 Euro führen. Also mehr als die 250 Euro Kindergeld.

Seit Langem lautet deshalb die Kritik von Verbänden und linken Parteien, dem Staat seien Kinder reicher Eltern mehr wert als Kinder armer Eltern. So geht es nicht, findet SPD-Finanzpolitiker Michael Schrodi und fordert deshalb am Freitag, auch das Kindergeld müsse dieses Jahr noch mal steigen. Es wird schnell grundsätzlich – und persönlich. Wohl auch, weil das Kindergeld ein Kernbestandteil der Kindergrundsicherung ist.

Am Ende sind alle sauer

"Dass die Kindergrundsicherung für Christian Lindner kein prioritäres Projekt war, dürfte mittlerweile jeder verstanden haben", poltert Schrodi. "Die SPD wird aber ganz sicher nicht mitmachen, wenn daraus am Ende eine 'Reiche-Eltern-Grundsicherung' werden soll." Selbst der SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, meist ein Mann der leiseren Töne, wird am Montag laut: "Warum der Finanzminister wenige Tage nach der Entscheidung über den Haushalt 2024 mit einer Erhöhung des Kinderfreibetrags um die Ecke kommt, ist mir unbegreiflich", sagt er der "Rheinischen Post".

Und wie es so ist bei einem ordentlichen Ampelstreit, sind inzwischen alle sauer. In der SPD halten sie das Signal, der Staat tue bei knappen Kassen etwas für die Reichen und vergesse die Armen, in den aktuellen Krisen für höchstgefährlich. Über die Kommunikation des FDP-Chefs und Finanzministers Christian Lindner ärgert man sich dort schon länger. Es wirke mittlerweile so, als wolle Lindner mit Absicht provozieren, heißt es dort.

Lindner und seine FDP hingegen fühlen sich zu Unrecht öffentlich in die Rolle des Buhmanns gedrängt. Immerhin setze man mit der Erhöhung des Freibetrags nur ein Gesetz aus dem Herbst 2022 um – was durchaus stimmt. Richtig ist auch: Die Anhebung des Kindergelds auf 250 Euro im vergangenen Jahr war überproportional hoch, nach der ursprünglichen Berechnung hätte es 2024 nur 244 Euro betragen müssen.

"Ich bin sehr überrascht über die aktuelle Diskussion, und der Zeitpunkt ärgert mich", sagt FDP-Familienpolitikerin Gyde Jensen t-online. "Manche in der Regierungskoalition scheinen bewusst Streit bei einem Thema zu suchen."

Auch die Grünen fürchten den nächsten großen Streit und wollen sich eigentlich zurückhalten, müssen aber zugleich die zerbröselnden Erfolge der Kindergrundsicherung verteidigen. Ein Gesetz im Entwurfsstadium, das im Bundestag seit vielen Wochen auf Ebene der Berichterstatter festhängt, also ziemlich am Anfang.

Manche Grüne sind deshalb so mürbe, dass sie der FDP hinter vorgehaltener Hand Blockade vorwerfen. Und im Kanzleramt sind sie vor allem genervt ob des erneuten öffentlichen Heckmecks. Eines Streits, an dem dummerweise die SPD von Kanzler Olaf Scholz selbst nicht ganz unbeteiligt ist.

Eine Gerechtigkeitsfrage – zwei Antworten

Im Kern des Streits steht eine Gerechtigkeitsfrage, die SPD und Grüne anders bewerten als die FDP: Ist es okay, dass Gutverdiener mit dem Kinderfreibetrag mehr vom Staat profitieren als Menschen mit weniger Geld? Ist es sogar erwünscht, damit sich "Leistung lohnt"?

Bei den Grünen hatte man eigentlich gedacht, diese Frage sei mit der Kindergrundsicherung entschieden. Ihr Langzeitziel ist es, dass dem Staat irgendwann jedes Kind gleich viel wert ist – Kindergeld und Kinderfreibetrag also am Ende aufs Gleiche hinauskommen. Weil das aber sehr teuer würde, will man nun zumindest verhindern, dass die Schere zwischen beidem, die die Ampel im vergangenen Jahr mit der deutlichen Erhöhung des Kindergelds etwas geschlossen hatte, jetzt wieder aufgeht.

"Das Kindergeld muss parallel zum Kinderfreibetrag steigen, das ist eine Frage der Gerechtigkeit", sagt deshalb Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch t-online. Bei den Grünen fühlen sie sich in dieser Position durch den Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung bestätigt. Dort steht in Paragraf 7: "Werden die Freibeträge für Kinder [...] angehoben, wird der Kindergarantiebetrag entsprechend erhöht."

Kindergarantiebetrag soll der neue Name für das Kindergeld werden, sobald die Kindergrundsicherung irgendwann Wirklichkeit wird. Und genau da liegt das Problem: Die Kindergrundsicherung gibt es eben noch nicht, weil sie im Parlament festhängt. Und ob alles so kommt wie im Entwurf, ist nach der Vorgeschichte alles andere als sicher.

In der FDP beantworten sie die Gerechtigkeitsfrage deshalb bisweilen anders. Die Erhöhung des Kinderfreibetrags ist für die Liberalen lediglich die logische Folge der Bürgergelderhöhung und "verfassungsrechtlich vorgegeben", wie Fraktionsvize Christoph Meyer betont. "Wir müssen die Verhältnismäßigkeit zwischen Kinderfreibetrag und Kindergeld wiederherstellen, indem wir den Kinderfreibetrag erhöhen", sagt er t-online.

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Kompromiss à la Ampel?

Auch die FDP schließt dabei nicht grundsätzlich aus, dass das Kindergeld weiter steigt. Nur sind die Liberalen der Ansicht, dass darüber erst später entschieden werden soll. "Nach einer überdurchschnittlichen Erhöhung für 2023 und 2024 wollten wir erst im Herbst 2024 erneut über die Höhe des Kindergelds sprechen", sagt FDP-Familienpolitikerin Gyde Jensen t-online. Wer vorzeitig darüber diskutieren wolle, müsse das nötige Geld auftreiben.

Von einer solchen Vereinbarung allerdings wollen weder SPD noch Grüne im Bundestag etwas wissen. Und auch im Kanzleramt haben sie das offensichtlich etwas anders verstanden. Die Bundesregierung wolle in den nächsten Wochen prüfen, ob auch das Kindergeld erneut angehoben werden muss, sagt Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag.

Um den derzeitigen Abstand von Kindergeld zu Kinderfreibetrag zu wahren, müsste das Kindergeld in diesem Jahr um etwa 9 Euro steigen. Gut möglich, dass es die am Ende nicht ganz werden – aber zumindest etwas mehr. Es wäre jedenfalls eine Einigung nach dem altbekannten Ampelmuster: Etwas mehr für alle. Aber eben erst nach dem großen Knall.

Verwendete Quellen
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