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Corona-Politik von Bund und Ländern: Faul, fahrlässig, gefährlich


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Corona-Politik
Faul, fahrlässig, gefährlich

  • Annika Leister
MeinungEin Kommentar von Annika Leister

02.11.2021Lesedauer: 3 Min.
Angela Merkel und Jens Spahn: Sie machen es sich gerade leicht.Vergrößern des Bildes
Angela Merkel und Jens Spahn: Sie machen es sich gerade leicht. (Quelle: Political-Moments/imago-images-bilder)

Die Kanzlerin kündigt harte Maßnahmen gegen Ungeimpfte an. Doch das ist ein äußerst bequemer Weg. Denn sie sind nicht unser größtes Problem.

Der Herbst ist da, die Infektionszahlen sind in die Höhe geschossen – und die deutsche Politik führt wieder einmal ihr liebstes Theaterstück auf: Planlos in der Pandemie. Wie beim immer wiederkehrenden Silvester-Klassiker wünschte man sich wenigstens einen Butler, der fleißig nachschenkt, um den Humor während der Wiederholung nicht zu verlieren. Cheerio, Miss Merkel!

Doch Corona ist kein Theater, Humor ist fehl am Platz. In Bundes- und Landesregierungen scheint man das über die Leichtigkeit des Sommers und den Irrsinn des Wahlkampfs vergessen zu haben.

Nach wie vor stehen Leben und Existenzen auf dem Spiel, allzu schnell können sich die Intensivstationen füllen. Unter einem überlasteten Gesundheitssystem werden Ungeimpfte und Geimpfte gleichermaßen leiden.

Die größten Pandemieprobleme sind hausgemacht

Die Untätigkeit der Regierenden ist bitter, noch bitterer ist aber: Das ist jetzt schon seit Monaten so. Die derzeit größten Pandemieprobleme sind deswegen allesamt hausgemacht.

Problem Nummer 1: Wir befinden uns – wieder – in einem Blindflug. Dass die derzeit wieder sehr hohen Infektionszahlen in Wirklichkeit noch sehr viel höher sind, ist anzunehmen. Denn, Hand aufs Herz: Wann haben Sie sich zum letzten Mal testen lassen? Vielleicht, als Tests noch kostenlos waren und an jeder Ecke ein Testzentrum stand?

Virologen, Modellierer und Gesundheitsexperten haben die Bundesregierung vor der Abschaffung der kostenlosen Tests gewarnt. Die hat es trotzdem getan – als Strafe für die Ungeimpften, als Erleichterung für die Staatskasse.

Gespart wurde damit an der gänzlich falschen Stelle, konsequent getestet wird seither nur noch in den Schulen. War die Datenlage in Deutschland wegen nicht digitalisierter Gesundheitsämter ohnehin schon immer besonders schlecht, ist sie jetzt zu nichts mehr zu gebrauchen.

Sicher, die Hospitalisierungsrate gilt im Post-Impf-Zeitalter als neue Währung. Doch auf die Infektionszahlen kann und sollte man noch nicht verzichten. Sie sind unter anderem ein wichtiges Frühwarnsystem für die Krankenhäuser.

Deren Angestellte müssen ohnehin ausbaden, was Bundes- und Landesregierungen gerade verbocken. Ein wenig Hilfe und Planungssicherheit für jene schaffen, für die man einst so engagiert klatschte, die man aber nie besser bezahlte oder anderweitig entlastete – das sollte oberste Pflicht der Politik sein.

2G und 3G sind eine große Illusion

Problem Nummer 2: Die 3G- und 2G-Regel sind eine große Illusion. Auf dem Papier eingeführt, aber in vielen Bundesländern flächendeckend ignoriert. Der Druck, den die Politik mit ihnen ausüben will, kommt nicht einmal einer Massage gleich.

In Berlin zum Beispiel lebt es sich ungeimpft und ungetestet gänzlich ungestört. In den meisten Bars und Restaurants wird überhaupt nichts kontrolliert. Hier herrschen zum großen Teil wieder Zustände, als hätte es Corona nie gegeben. Ansonsten genügt meist ein Kopfnicken auf die Frage "Geimpft?" oder das flüchtige Wedeln mit dem Handy als Nachweis für den Eintritt. Und aus eigener Erfahrung der jüngsten Wochen kann ich zumindest sagen: In Sachsen und Brandenburg sieht es nicht anders aus.

Volle Innenräume mit Geimpften und Ungeimpften, die ohne Abstand und Maske tanzen, schwitzen, rauchen, reden, singen – und am nächsten Tag wieder brav ins Großraumbüro fahren, ohne sich je testen zu müssen. Ein Fest für Corona, ein Horror für unser Gesundheitssystem.

Problem Nummer 3: Politiker schieben diese Probleme weit von sich. Sie scheinen sie nicht einmal wahrzunehmen. "Noch mehr 2G!", fordern Corona-Experten wie Karl Lauterbach – statt dafür zu sorgen, dass überhaupt mal irgendjemand irgendetwas kontrolliert.

"Impfzentren wieder öffnen!", ruft Gesundheitsminister Jens Spahn – statt sich um die Testrate zu kümmern oder einmal allgemein verständlich zu erklären und zu regeln, wer sich denn jetzt bitte alles boostern lassen soll.

"Starke Einschränkungen für Ungeimpfte" kündigt die Kanzlerin für das Bund-Länder-Treffen in der kommenden Woche bereits jetzt an – ohne Politik und Behörden in die Pflicht zu nehmen, ohne zu erwähnen, dass auch Geimpfte noch infektiös sein können.

Der Sündenbock steht fest

Der Sündenbock steht fest: Die Ungeimpften sind das alleinige Problem, Politik und Behörden haben alles richtig gemacht. Doch dieses Vorgehen ist faul, fahrlässig und hochgradig gefährlich.

Bund und Länder müssen Ungeimpften und Geimpften nun gleichermaßen klarmachen: Der Sommertraum ist vorbei. Wollt ihr Kinder und vulnerable Gruppen schützen, müsst ihr euch weiterhin zusammenreißen.

Vor allem aber müssen sie endlich für die Umsetzung und Einhaltung schon bestehender Regeln sorgen, statt sinnlos neue zu schaffen. Überforderung ist keine Ausrede mehr. Das Verzeihen, um das Jens Spahn seit einem Jahr bittet, ist lange aufgebraucht.

Die Toten und Kranken, die nun kommen, gehen nicht allein auf das Konto von Ungeimpften. Sie gehen ebenso auf das Konto der Regierenden, die ihre Augen vor der Realität verschließen.

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