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Corona-Impfgipfel: Für den Sieg über Corona braucht es viel mehr


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Corona-Impfgipfel
Es reicht einfach nicht

  • Johannes Bebermeier
Eine Analyse von Johannes Bebermeier

Aktualisiert am 02.02.2021Lesedauer: 5 Min.
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Berechenbarkeit bei Impfdosen: Hier verkündet Angela Merkel die Ergebnisse des Impfgipfels. (Quelle: reuters)

Der Impfgipfel ist vorbei, die Politiker geben sich zufrieden. Sie verkennen, dass der Jahrhundertkrise mit kurzfristigen Therapien nicht beizukommen ist. Es braucht endlich eine Lösung, die dauerhaft trägt.

Ein ungeschriebenes Gesetz der Politik besagt, dass Politiker auf Pressekonferenzen Erfolge verkünden müssen. Egal wie klein sie auch sein mögen, egal wie groß der Streit vorher war. Und natürlich haben sich Angela Merkel, Markus Söder und Michael Müller auch nach dem Impfgipfel wieder daran gehalten.

Hier ein bisschen mehr versprochene Verlässlichkeit, da ein nationaler Impfplan, und natürlich tut jeder ab sofort noch mehr sein Bestes, damit künftig etwas schneller geimpft werden kann.

Das ist nicht nichts. Aber es reicht angesichts der Herausforderungen dieser Jahrhundertkrise eben längst nicht aus.

Die Politik müht sich an den inzwischen kaum noch lösbaren Problemen von gestern ab, während schon jetzt absehbar ist, dass die Probleme von morgen noch viel größer sein werden. Sie laboriert an den akuten Symptomen herum und tut zu wenig dafür, die schlimmer werdende Krankheit zu heilen. Dabei ließe sich noch etwas tun.

Wenn man jetzt anfängt.

Relativieren und Verantwortung sozialisieren

Das Impfproblem liegt so offen da, dass es inzwischen kaum noch jemand ernsthaft anzweifelt: Andere Länder kommen wesentlich schneller voran als die EU und Deutschland. Israel steht sowieso sehr viel besser da, die USA und Großbritannien auch, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain ebenfalls.

Die CDU versucht bisher, diesem Umstand vor allem mit einer Mischung aus Relativierungen und breit verteilter Verantwortlichkeit beizukommen. Schlechte Nachrichten und die politische Verantwortung dafür sozialisierte der zuständige Gesundheitsminister Jens Spahn zuletzt gerne. Er streute sie so breit, dass letztlich alle verantwortlich sind – und damit niemand.

In einem Interview mit der "Bild am Sonntag" aus der vergangenen Woche, das als Entschuldigung Spahns Schlagzeilen machte, sagt er Sätze wie diesen: "Wir hatten alle zusammen das trügerische Gefühl, dass wir das Virus gut im Griff hätten." Wir alle.

Das ist nicht nur unwahr, es ist auch das Gegenteil einer Entschuldigung.

Der Impfstoffknappheit, die das Tempo der Impfungen massiv beschränkt, begegnet Spahn mit Hinweisen auf die rasend schnelle Impfstoffentwicklung – und Relativierungen. Wenn ihm die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" erklärt, dass es den Unmut eben gebe, weil in anderen Ländern schneller geimpft werde, antwortet der Gesundheitsminister: "Aber nicht in vielen." Es ist wohl die neue deutsche Genügsamkeit.

Genug der Genügsamkeit

Dem treuen Regierungspartner SPD hat die Spahn'sche Selbstzufriedenheit selbst recht lange genügt. Dann erhöhte sie erst mit einem Fragenkatalog an das Gesundheitsministerium und jetzt mit dem lautstarken Ruf nach einem Impfgipfel den politischen Druck.

Ihr wird das nun von manchen als reines Wahlkampfmanöver ausgelegt, und natürlich hofft die SPD, dass es ihr nützt. Treu stillzuhalten, das hat sie in der großen Koalition unter Schmerzen gelernt, hilft eh nur der Union. Doch das Problem beim Impfen ist ja real, die SPD hat es sich nicht für ihren Wahlkampf ausgedacht. Insofern kann man ihr schwer vorwerfen, das Richtige zu tun, nur weil sie davon auch profitieren könnte. Aber man kann ihr vorwerfen, längst nicht genug vom Richtigen zu tun.

Schon vor dem Gipfel waren die Forderungen der SPD zwar sehr laut, aber inhaltlich auch sehr überschaubar. Der "nationale Impfplan", den Genossen orchestriert verlangten, klingt zwar gut. Aber auch die SPD weiß, dass der Grund für unzuverlässige Lieferungen nicht der böse Wille des Gesundheitsministers, sondern fehlender oder ausfallender Impfstoff ist.

Die SPD setzte sich deshalb auch dafür ein, die Impfstoffproduktion zu erhöhen, und wer wollte ihr da widersprechen. Allein ihre laute Forderung könnte vielleicht beim einen oder anderen Hersteller dazu geführt haben, dass man doch noch mal überlegt, ob nicht etwas mehr drin ist, damit man öffentlich nicht so blöd dasteht. Doch wie die Produktion wirklich nachhaltig erhöht werden kann? Da war die SPD auffällig leise.

Wie robust darf es sein?

Dabei gibt es diverse Vorschläge. Die Linke fordert schon seit Langem, die Hersteller zu zwingen, ihre Lizenzen freizugeben, damit andere Firmen die Impfstoffe nachproduzieren können. Immerhin seien sie mit viel Steuergeld entwickelt worden.

Die Grünen fordern eine Notimpfstoffwirtschaft. Neben Abnahmegarantien sehen sie im Zweifel durchaus robuste staatliche Eingriffe vor. Alle Pharmakonzerne seien "unverzüglich ihren Fähigkeiten entsprechend in die Produktion einzubeziehen", fordert Parteichef Robert Habeck. "In letzter Konsequenz" könnten auch aus Sicht der Grünen die Hersteller gezwungen werden, ihre Lizenzen freizugeben.

Den knalligen Begriff der Notimpfstoffwirtschaft hat sich inzwischen sogar CSU-Chef Markus Söder zu Eigen gemacht, auch wenn er damit offenbar etwas weniger harte Eingriffe verbindet als Grüne und Linke.

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Man kann die Vorschläge in der Sache falsch finden, CDU und SPD tun das. Aber es sind immerhin konkrete Vorschläge, die mehr tun, als die vergangenen Versäumnisse der europäischen Impfstoffbestellung zu beklagen, an denen sich jetzt auch nichts mehr ändern lässt.

Die Vorschläge erkennen an, dass das Impfstoffproblem auch dann nicht verschwinden wird, wenn der anfängliche Engpass in einigen Wochen mit weiteren Zulassungen wohl erst einmal überwunden ist. Denn wir werden auch mittel- und langfristig mehr Produktionskapazitäten brauchen.

Das Zeitalter der Pandemien

Was in der Wissenschaft schon länger angedacht wird, hat jetzt einmal mehr der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach in die politische Debatte eingebracht. Und es sind schon wieder keine guten Nachrichten, die Lauterbach verkünden muss.

Durch die Ausbreitung der verschiedenen Virusmutationen gibt es inzwischen große Zweifel daran, dass sich mit den jetzigen Impfstoffen eine Herdenimmunität erreichen lässt, die gegen alle Mutationen schützt. Im Rennen der Impfungen mit den Mutationen sind die Mutationen im Vorteil.

Die gute Nachricht ist: Die neuartigen mRNA-Impfstoffe lassen sich schneller an die Mutationen anpassen als herkömmliche Vektorimpfstoffe. Nur müssen sie eben nicht nur entwickelt, sondern auch produziert werden. "Die Produktion und das Impfen sind der Flaschenhals", schreibt Lauterbach auf Twitter. "So war es schon in dieser Impfwelle."

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Die Produktionskapazitäten müssten deshalb massiv erhöht werden, mit staatlichem Geld, fordert er. Man könne auf weitere Mutationen nicht mit dem Produktions- und Impftempo von heute reagieren. Zumal Experten ohnehin davon ausgehen, dass Corona längst nicht das einzige gefährliche Virus bleiben wird und wir wegen Umweltzerstörung und Globalisierung in einem Zeitalter der Pandemien leben.

"Deutschland muss auch autark die Bevölkerung schützen können", fordert Lauterbach deshalb. Also im Zweifel den Impfstoff für alle Bürger eigenständig produzieren können. Selbst wenn man sich mit einer arbeitsteiligen Produktion in Europa zufrieden geben würde – es wäre ein weiter Weg.

Kurzfristig ein bisschen mehr Impfstoff – damit ist es lange nicht getan.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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