Briefe an alle 18-jährigen Das planen Union und SPD für den Wehrdienst

Die kommende Regierung orientiert sich beim Wehrdienst am schwedischen Modell. Damit handelt sie sich auch rechtliche Schwierigkeiten ein.
Nicht zuletzt wegen der Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus und seiner außenpolitischen Abkehr von Europa rückte die Frage einer Wehrpflicht in den Koalitionsverhandlungen in den Vordergrund. Die Union wollte eine Wiedereinführung der 2011 ausgesetzten Pflicht erreichen. Letztlich einigte sich die Koalition auf Neuregelungen für einen Wehrdienst. Ein Überblick über die von Union und SPD festgeschriebenen Beschlüsse:
Freiwilliger Wehrdienst
"Wir schaffen einen neuen attraktiven Wehrdienst, der zunächst auf Freiwilligkeit basiert", heißt es im Vertrag. Dies knüpft an Überlegungen von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) an. Wer 18 Jahre alt wurde, sollte einen Brief mit einer Einladung zum Wehrdienst mit einer Dauer zwischen 6 und 23 Monaten erhalten: Männer mussten ihn beantworten, Frauen nicht.
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Allein durch das Anschreiben hoffte Pistorius, ausreichend freiwillige Rekruten zu finden. Derzeit hat die Bundeswehr rund 180.000 aktive Soldaten. Bis 2031 sollen es mehr als 200.000 sein.
Schweden als Vorbild
Im Koalitionsvertrag wird auf das schwedische Modell verwiesen. Auch hier werden die 18-Jährigen eines Jahrgangs angeschrieben und nach Vorauswahl ein Teil gemustert. Die am besten geeigneten – Frauen wie Männer – werden zum einjährigen Dienst herangezogen. Dies ist derzeit nur ein Bruchteil der Gemusterten.
Rechtlich ist es eine Wehrpflicht, faktisch konzentriert sich die Auswahl aber auf motivierte und besonders geeignete. Ziel des Dienstes ist es, vor allem ausgebildete Reservisten zu haben, die regelmäßig an Übungen teilnehmen müssen.
Koalitionsvertrag stellt Freiwilligkeit infrage
Im Koalitionsvertrag heißt es, der Dienst soll "zunächst" auf Freiwilligkeit basieren. Weiter unten im Text heißt es: "Wir werden noch in diesem Jahr die Voraussetzungen für eine Wehrerfassung und Wehrüberwachung schaffen." Mit der Aussetzung der Wehrpflicht 2011 verschwanden auch die Kreiswehrersatzämter und Daten von Reservisten. Die Bundeswehr kann auch keine aktuellen Meldeadressen mehr ermitteln. Dies soll sich ändern. Die allgemeine Wehrpflicht könnte mit einfacher Mehrheit im Parlament wiederbelebt werden, etwa bei einer Zuspitzung der Kriegsgefahr.
Auch andere praktische Probleme sind noch nicht gelöst: Die Bundeswehr könnte einen ganzen Jahrgang neuer Rekruten derzeit weder unterbringen noch ausbilden. Dies müsste stufenweise umgesetzt werden.
Stichwort Wehrgerechtigkeit: Rechtliche Probleme der Neureglung
Dies wiederum könnte rechtliche Probleme aufwerfen: Die Wehrgerechtigkeit war schon in der Endphase der Wehrpflicht öfter Thema vor Gericht. Wenn nur ein kleiner Teil des Jahrgangs gebraucht wird, stellt sich die Frage, wer verpflichtet wird und wer nicht. Im Grundgesetz ist zudem verankert, dass es nur Männer trifft.
Dies wurde zwar noch Anfang des Jahrtausends vom Verfassungsgericht gebilligt. Unter Juristen ist aber strittig, ob dies heute dort noch genauso gesehen würde. Um eine Wehrpflicht auf Frauen auszudehnen, müsste das Grundgesetz mit Zweidrittelmehrheit geändert werden. Dies ist mit den Mehrheitsverhältnissen nach der Bundestagswahl unrealistisch.
- Nachrichtenagentur Reuters