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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Nach Kritik Diskussion um Karnevals-Absage: Ministerium äußert sich
Muss die nächste Karnevalssaison wegen Corona komplett ausfallen? Mit entsprechenden Aussagen wird Gesundheitsminister Spahn seit Dienstag zitiert. Nun hat sich sein Ministerium geäußert.
Das Bundesgesundheitsministerium wehrt sich gegen Kritik an Minister Jens Spahn (CDU), der in einer Schalte des Gesundheitsausschusses des Bundestages eine Komplettabsage der Karnevalssaison im Herbst und Winter angeregt haben soll. "Wenn sich das Infektionsgeschehen wieder dynamisch entwickle, müssten wir uns fragen, worauf wir am ehesten verzichten können", sagte ein Sprecher des Ministeriums auf Anfrage von t-online.de. "Deswegen sind Kontakteinschränkungen zwar schmerzhaft – aber im Vergleich am einfachsten zu verkraften."
Feierlichkeiten, Veranstaltungen und private Zusammenkünfte einzuschränken, sei Gegenstand von Gesprächen zwischen den Gesundheitsministern der Länder und dem Gesundheitsministerium, ergänzte der Sprecher. Ein Ergebnis eines solchen Abwägungsprozesses könnten neuerliche Begrenzungen sein.
"Kann mir Karneval in diesem Winter nicht vorstellen"
Der "Rheinische Post" zufolge hatte Spahn in der Schaltkonferenz des Gesundheitsausschusses gesagt: "Ich war selbst Kinderprinz und komme aus einer Karnevalshochburg – ich weiß also, wie wichtig Karneval für viele Millionen Deutsche ist, aber ich kann mir Karneval in diesem Winter, mitten in der Pandemie schlicht nicht vorstellen." Dies sei "bitter, aber so ist es".
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Zu einem Szenario, dass bis zum Karneval im Winter möglicherweise ein Impstoff vorliegt, äußerte sich das Ministerium wie folgt: "Informationen über die tatsächliche Impfstoffverfügbarkeit liegen derzeit noch nicht vor. Auch ist noch nicht bekannt, wie viele Impfdosen zum Aufbau eines Impfschutzes erforderlich sind", erklärte der Sprecher. Dem Pandemieplan entsprechend würden die Länder Voraussetzungen zur Impfstoffbestellung, Lagerung und zur Durchführung der Impfung strukturell vorbereiten. Dabei würden auch länderspezifische Bedarfe und Möglichkeiten berücksichtigt.
"Pauschalabsage können wir nicht zustimmen"
Die drohende Komplettabsage der Karnevalssaison rief am Mittwoch gemischte Reaktionen hervor. Während mehrere Vereinigungen den Minister kritisierten und pauschale Aussagen als wenig zielführend und zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht bezeichneten, sahen andere auch Chancen, nun alternative Konzepte umzusetzen.
Der Präsident des Bunds Deutscher Karneval (BDK), Klaus-Ludwig Fess, übte Kritik an Spahn. "Es ist im August viel zu früh, Veranstaltungen abzusagen", sagte Fess den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). "Einer Pauschalabsage der Session können wir nicht zustimmen." Fess fügte hinzu, er gehe davon aus, "dass der Minister dazu noch ein klares Statement abgeben wird".
Der Präsident des Gonsenheimer Carneval Vereins aus Mainz, Martin Krawietz, tat Spahns Aussagen im Südwestrundfunk als Meinungsäußerungen ab. Das sei aber kein konkretes Verbot. "Fakt ist, dass die Fastnacht viele Facetten hat", sagte Krawietz. Dabei sei zu unterscheiden, ob die Fastnacht auf der Straße oder im Saal gefeiert werde. "Es besteht bei allen Vereinen ein Konsens darüber, dass wir die kommende Kampagne nicht so feiern können, wie wir es die vergangenen Jahrzehnte gemacht haben."
"Das ist auch eine große Chance"
In Teilen erhielt Spahn Zuspruch vom Präsidenten des Festkomitees Kölner Karneval, Christoph Kuckelkorn. "Der Straßenkarneval, der Kneipenkarneval, das sind so Elemente, die wir uns nicht vorstellen können", sagte Kuckelkorn am Mittwoch im WDR-"Morgenmagazin". "Auch Ballveranstaltungen können wir uns nicht vorstellen."
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Kuckelkorn wollte Feiern allerdings nicht grundsätzlich ausschließen, etwa wenn ein Hygienekonzept vorliegt. Man könne ja auch mit Maske in ein Restaurant gehen und diese dann am Platz abnehmen. Natürlich müsse der Sicherheitsabstand eingehalten werden, sagte Kuckelkorn weiter. Alkohol sei sicherlich eine Komponente, die man berücksichtigen müsse. "Vielleicht gibt es ja auch Veranstaltungen, in denen es auch gar keinen Alkohol mehr gibt oder nur noch eingeschränkt Alkohol." Künstler würden vielleicht anteilsmäßig auf ihre Gage verzichten. Die Vereine müssten jetzt herausarbeiten, was der Kern des Karnevals sei und diesen klein inszenieren. "Das ist auch eine große Chance."
Skeptischer äußerte sich SPD-Chef Norbert Walter-Borjans. "Das, was Karneval ausmacht, gerade in den Zentren des Karnevals, das wird nicht gehen", sagte der Rheinländer am Mittwoch im ntv-"Frühstart". Er sei "tief traurig, wenn er nicht in der üblichen Form ablaufen kann". Walter-Borjans betonte aber: "Karneval, so wie er ist, geht nicht mit 1,50-Abstand und Schutzmaske." Auch Veranstaltungen, wie man sie kenne, würden so nicht gehen. Am Ende sei das gar nicht kontrollierbar. Deswegen müsse man neue Formen finden.
"Steht der Politik in dieser Form nicht zu"
Der Präsident der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN), Roland Wehrle, hingegen zeigte sich enttäuscht von Spahn. Es sei schade, dass die Politik meine, von oben herab irgendetwas festlegen zu müssen, sagte Wehrle der Deutschen Presse-Agentur. Ihr stehe es in dieser Form ohnehin nicht zu, die Fastnacht abzusagen. "Ich möchte Herrn Spahn ein Zitat von Johann Wolfgang von Goethe ins Gedächtnis rufen: Der Karneval – und damit auch die Fastnacht – ist ein Fest, das dem Volke nicht gegeben wird, sondern dass sich das Volk selbst gibt."
Wehrle kündigte an, dass die VSAN Ende September über die Fünfte Jahreszeit 2021 entscheiden werde. Allerdings könne sich an der Bewertung auch danach noch etwas ändern.
- Mit Material der Nachrichtenagenturen AFP, dpa