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Attentat in Solingen: Der Fall wirft Fragen auf


Behörden überfordert?
Die Messerattacke in Solingen wirft Fragen auf

Von dpa
Aktualisiert am 26.08.2024Lesedauer: 4 Min.
Nach der Messerattacke auf dem Solinger StadtfestVergrößern des Bildes
Eine Frau zündet eine Kerze für die Verstorbenen in Solingen an (Archivbild): Viele Menschen in Deutschland fragen sich, warum sich Behörden mit Abschiebungen so schwertun. (Quelle: Gianni Gattus/dpa/dpa-bilder)
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Der mutmaßliche Täter von Solingen ist zwar nicht als Extremist bekannt gewesen, hätte Deutschland aber verlassen müssen. Was lief schief? Und welche Probleme zeigt der Fall auf?

Das Attentat von Solingen entfacht alte Debatten neu. Drei Menschen wurden am Freitagabend bei einem Stadtfest mit einem Messer getötet. Acht weitere wurden verletzt, vier davon schwer. Tatverdächtig ist ein 26 Jahre alter Syrer, der seit Sonntagabend unter anderem wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und wegen Mordverdachts in Untersuchungshaft ist. Was ist schiefgelaufen – und wer verantwortlich? Ein Überblick.

Wie konnte es zu dem Anschlag kommen?

Grundsätzlich ist es praktisch unmöglich, Anschläge im öffentlichen Raum komplett zu verhindern – gerade wenn es um Einzeltäter geht, die Alltagsgegenstände nutzen. Im konkreten Fall hätte der mutmaßliche Täter eigentlich längst abgeschoben werden sollen, und zwar nach Bulgarien, wo er zuvor registriert worden war.

Nach Polizeiangaben handelt es sich um einen Syrer. Der "Spiegel" berichtete, der Mann sei Ende Dezember 2022 nach Deutschland gekommen und habe in Bielefeld einen Antrag auf Asyl gestellt. Den Sicherheitsbehörden war er demnach nicht als islamistischer Extremist bekannt. Diese Informationen wurden der Deutschen Presse-Agentur bestätigt.

Ein Abschiebeversuch scheiterte, als die Polizei ihn nicht in seiner Unterkunft antraf. Nach Angaben aus Behördenkreisen gab es dann offenbar keine weiteren Versuche. Die 6-Monats-Frist für eine Abschiebung verstrich. Diese Frist wäre verlängerbar gewesen, wenn jemand als flüchtig gilt, beträgt sie 18 Monate. Zuständig sind in solchen Fällen zunächst die Ausländerbehörden vor Ort.

Warum tun sich Behörden mit Abschiebungen so schwer?

Die Zahl der Rückführungen aus Deutschland ist im vergangenen Jahr auf 21.206 gestiegen, nach 18.094 Rückführungen im Vorjahr, wie aus dem in der vergangenen Woche vorgestellten Jahresbericht der Bundespolizei hervorgeht. Insgesamt 4.776 Menschen wurden 2023 an der Grenze zurückgeschoben. Geplant war aber deutlich mehr, und zwar insgesamt die Zurückschiebung oder Rückführung von 52.976 Menschen. Von Januar bis Juli gab es laut Innenministerium 11.102 Abschiebungen, mehr als die 9.185 Abschiebungen im Vorjahreszeitraum.

Dass Abschiebungen scheitern, kann viele Gründe haben, zum Beispiel fehlende Papiere. Oder die Polizei findet den Betroffenen zum geplanten Termin nicht. Der Bundestag hat zu Jahresbeginn Gesetzesverschärfungen beschlossen, um einige dieser Probleme zu adressieren. So wurde die gesetzliche Höchstdauer des Ausreisegewahrsams von bislang 10 Tagen auf 28 Tage verlängert. Außerdem dürfen Behördenvertreter künftig in Gemeinschaftsunterkünften auch andere Räume betreten als nur das Zimmer des Abzuschiebenden.

Allerdings fehlen auch Abschiebehaftplätze. Man habe im vergangenen Jahr in über 300 Fällen einen Haftbefehl erwirkt, um die Zurückschiebung oder Abschiebung zu sichern, sagte Bundespolizeipräsident Dieter Romann in der vergangenen Woche. "Aber es waren alle 800 Abschiebehaftplätze voll."

Nach Ansicht des Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, sind Abschiebeverfahren zu kompliziert, es seien zu viele Behörden beteiligt. Die Kompetenzen liegen hier weitgehend bei Kommunen und Ländern, die Bundespolizei kommt dann bei der Durchführung ins Spiel. "Die Bundespolizei braucht endlich die gesetzlichen Kompetenzen, diese Abschiebungen auch in eigener Zuständigkeit durchzuführen. Dazu zählt auch die Beschaffung von Papieren im Ausland und der Betrieb eigener Abschiebehaftanstalten", sagte Wendt der Deutschen Presse-Agentur.

Welche Verschärfungen sind für Messer im Gespräch?

Wenn es nach Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) geht, sollen Messer in der Öffentlichkeit nur noch bis zu einer Klingenlänge von sechs Zentimetern statt bisher zwölf Zentimetern mitgeführt werden dürfen. Für gefährliche Springmesser soll es ein generelles Umgangsverbot geben. Ob das die Täter aufhält, die einen Angriff vorsätzlich und geplant begehen, kann man bezweifeln. Der Terror-Experte Peter Neumann sagte dazu t-online: "Die Terroristen können ihre Anschläge durchführen, wie sie wollen. Sie könnten genauso gut mit Autos in die Menge fahren. Danach würde aber niemand auf die Idee kommen, Autos zu verbieten. Ein Messerverbot allein ändert also nicht viel." Das gesamte Interview lesen Sie hier.

Kann Deutschland kontrollieren, wer ins Land kommt?

Nur bedingt. Zwar gibt es seit Mitte Oktober vergangenen Jahres Grenzkontrollen zu Polen, Tschechien und der Schweiz. Bereits seit September 2015 gibt es Kontrollen an der österreichischen Grenze. Die sind aber nur punktuell. Faeser und Bundespolizei-Präsident Romann loben die Kontrollen als Erfolg und verweisen dabei unter anderem auf die Festnahme von Schleusern. Zudem würden Menschen auch an der Grenze zurückgewiesen. Die Zahl unerlaubter Einreisen ist zuletzt gesunken.

Nur: Wer Asyl beantragen will, darf in der Regel auch ins Land. Und falls jemand doch zurückgeschickt wird, ist fraglich, ob er oder sie nicht einfach später oder an anderer Stelle einreise. Unions-Fraktionsvize Jens Spahn (CDU) sagte der "Rheinischen Post": "Die deutschen Grenzen müssen für irreguläre Migration geschlossen werden." Die Frage wäre dann jedoch, wie genau.

Faeser jedenfalls will an den Grenzkontrollen festhalten, bis deutlich weniger Menschen unerlaubt nach Europa einreisen. Deutschland nehme viel mehr Migranten auf als andere Länder, was unfair sei. "Ich bin nicht mehr bereit, dass wir diese Zahlenverteilung innerhalb Europas hinnehmen", sagte sie in der vergangenen Woche. In Berlin hofft man auch auf die Wirkung der jüngst verschärften europäischen Asylregeln – die müssen aber auch erst einmal umgesetzt werden.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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