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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Abstimmung im US-Senat Showdown um Kavanaugh
Allen Vorwürfen zum Trotz: Die Republikaner wollen Donald Trumps Kandidaten Brett Kavanaugh jetzt rasch durchdrücken. Auch die Gegenseite macht noch ein letztes Mal mobil.
Das Drama, das die USA gut zwei Wochen lang in seinen Bann gezogen hat, steuert auf den Höhepunkt zu: Der Senat soll noch am Wochenende über Brett Kavanaugh abstimmen, Donald Trumps höchstumstrittenen Mann für den Supreme Court. Das erste Votum dürfte schon am Freitag stattfinden.
Es sind die Republikaner, die den ramponierten Kandidaten nun schnellstmöglich über die Ziellinie bringen wollen. Nachdem das FBI eine weitere Untersuchung zu Kavanaugh vorgelegt hat, wollen sie zur Tat schreiten.
Die Demokraten weigern sich, sie betonen die zahlreichen Vorwürfe, die die FBI-Untersuchung ausgelassen hat – und in den Hallen des Kapitols in Washington schlugen sich am Donnerstag Tausende Demonstranten lautstark auf ihre Seite.
Kavanaugh wird von mehreren Frauen beschuldigt, sie sexuell bedrängt zu haben. Die Fälle sollen sich in den Achtzigerjahren abgespielt haben. Noch komplizierter ist seine Berufung dadurch geworden, dass die Nation anhand seines Falles darüber streitet, wie mit derartigen Anschuldigungen im #Metoo-Zeitalter umzugehen ist. Wie man den Spagat schafft, Opfern zu glauben, aber Vorverurteilungen zu verhindern.
Mehrheit auf der Kippe
Die Mehrheit für Kavanaugh steht auf der Kippe. Es wird am Ende auf eine Handvoll Senatoren ankommen, die in ihren Lagern jeweils am Rand zur Mitte stehen. Die Republikaner verfügen nur über eine hauchdünne Mehrheit in der Kammer.
In ihren Reihen stehen die moderaten Senatorinnen Jeff Flake, Susan Collins und Lisa Murkowski im Fokus, die zwischenzeitlich Zweifel an Kavanaugh angemeldet hatten. Bei den Demokraten könnte Joe Manchin, der im erzkonservativen West Virginia um seine Wiederwahl kämpft, für Kavanaugh stimmen. Die zweite Abstimmung könnte schon am Samstag stattfinden.
Die Ergebnisse der FBI-Untersuchung selbst sind dabei bislang unter Verschluss. Senatoren dürfen ein Exemplar seit Donnerstagfrüh in einer Geheimschutzstelle im US-Kapitol einsehen.
Die Untersuchung war am vergangenen Freitag angeordnet worden, nachdem sowohl Christine Blasey Ford, die Kavanaugh vorwirft, sie im Jahr 1982 im betrunkenen Zustand zu vergewaltigen versucht zu haben, als auch der Beschuldigte einen historischen Auftritt vor dem Senat hatten. Dann vollzog der republikanische Senator Jeff Flake eine Volte: Er sorgte dafür, dass der Ausschuss die Personalie ans Plenum weiterleitete, aber einfordern solle, dass das FBI noch einmal Zeugen befragt.
Zeugen abgewimmelt
Bekannt geworden ist, dass das FBI mit neun Personen gesprochen hat. Dabei dürfte es sich vor allem um Freunde Blasey Fords und Kavanaughs aus der damaligen Zeit handeln sowie um das Umfeld einer zweiten Anklägerin: Deborah Ramirez hatte angegeben, Kavanaugh habe ihr zu Studienzeiten auf einer Party seinen Penis ins Gesicht gehalten.
Die Republikaner sehen in den Unterlagen nicht einmal "einen Ansatz für Fehlverhalten". Offensichtlich hat der Bericht keine belastenden Erkenntnisse zu Fords Vorwürfen zutage gefördert. Die Demokraten betonen, der Bericht würde zahlreiche aufgeworfene Fragen und Vorwürfe ausklammern.
Tatsächlich sind weder Blasey Ford noch Kavanaugh selbst zu den Vorwürfen befragt worden. Ebenso wenig wurde eine dritte Frau vernommen, die Kavanaugh vorgeworfen hatte, an Gruppenvergewaltigungen beteiligt gewesen zu sein. Auch andere Zeugen, die in den Medien angaben, sie könnten Angaben zu Kavanaughs Alkoholproblem machen, wurden von den Ermittlern abgewimmelt.
Die Demokraten und viele Beobachter vermuten, dass das Weiße Haus dem FBI mit voller Absicht möglichst enge Grenzen für die Untersuchung gesetzt hat.
Der Umgang mit Kavanaugh hatte zuletzt sowohl Präsident Trump als auch dessen konservative Wählerbasis verärgert. Es gäbe eine Verurteilung des Richters, ohne dass es Beweise geben würde.
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Zu impulsiv für die Richterbank?
In Washington ist neben den Vorwürfen der Frauen in den vergangenen Tagen eine zweite Ebene ins Zentrum gerückt: Kavanaughs Wutauftritt in der vergangenen Woche.
Er hatte die demokratischen Senatoren herablassend behandelt und ihnen etwa einen "Rachefeldzug im Namen der Clintons" vorgeworfen, weil diese nicht die Wahlniederlage 2016 gegen Trump überwunden hätten. Zudem wirkte der 53-Jährige für viele Beobachter nicht glaubwürdig in seinen Angaben über seinen Alkoholkonsum.
Sogar Donald Trump sprach aus, was sein Kandidat sich selbst nicht eingestehen wollte: Dass Brett Kavanaugh als junger Mann Probleme mit dem Alkohol gehabt habe.
Seine unbeherrschte Aussage hat bei vielen Befürchtungen ausgelöst, dass Kavanaugh das Richteramt zu parteiisch ausüben könnte. Mehr als 1.700 Jura-Professoren haben sich nach seinem Auftritt am Donnerstag gegen seine Nominierung ausgesprochen, auch das ist ein beispielloser Vorgang in der US-Rechtsgeschichte.
Spät am Donnerstagabend (Ortszeit) musste Kavanaugh selbst noch einmal Abbitte leisten: In einem Gastbeitrag für das – ihm wohlgesonnene – "Wall Street Journal" schrieb er, er sei vorige Woche "vielleicht zu emotional" gewesen. Das sei aber nur eine Ausnahme gewesen, in Zukunft wolle er wieder ein überparteilicher Richter sein.
- Eigene Recherchen
- Beitrag von Kavanaugh im "Wall Street Journal" (engl.)