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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Geheime Chatgruppe der Trump-Regierung "Besonders ein Punkt ist problematisch"

Erneut erschüttert ein Skandal das Weiße Haus: Ein Journalist konnte in einer "geheimen" Chatgruppe von Ministern mitlesen. Welche Konsequenzen zieht Präsident Trump?
"Eine der schockierendsten Indiskretionen der nationalen Sicherheit der vergangenen Jahre", "eklatant illegal und gefährlich", "bizarr und beunruhigend", "unfassbar": Nach der Veröffentlichung eines eigentlich geheimen Chats zwischen Mitgliedern der US-Regierung sparen Medien und Opposition in den USA nicht mit Superlativen. Präsident Donald Trump und seine Mitstreiter geraten unterdessen in Erklärungsnot.
Der Chefredakteur des US-Magazins "The Atlantic", Jeffrey Goldberg, hatte am Montag in einem Artikel öffentlich gemacht, dass er in der Messaging-App Signal offenbar versehentlich zu einer Chat-Gruppe hinzugefügt worden war, in der Mitglieder der US-Regierung wohl hochsensible Pläne für einen Militärangriff im Jemen teilten. Mehr dazu lesen Sie hier. Teilnehmer sollen unter anderem Vizepräsident J. D. Vance, Verteidigungsminister Pete Hegseth, Außenminister Marco Rubio sowie weitere Kabinettsmitglieder und hochrangige Regierungsbeamte gewesen sein.
Ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates bestätigte bereits, dass der Chatverlauf höchstwahrscheinlich authentisch sei. Er kündigte eine interne Prüfung an. Donald Trump hingegen behauptete zunächst, er wisse nichts von einem Gruppenchat, erklärte aber auch, er sei ohnehin "kein großer Fan" von "The Atlantic". Später bezeichnete er den Vorfall als "Ausrutscher". Sowohl US-Medien als auch die oppositionellen Demokraten fordern nun nicht nur eine Aufarbeitung des Vorfalls, sondern auch personelle Konsequenzen. Doch wird es dazu kommen? Und könnten die Beteiligten sogar juristisch belangt werden?
Trump-Sprecherin: Keine "Kriegspläne" besprochen
Für den Politologen David Sirakov ist eines klar: Dass Mitglieder der Trump-Regierung überhaupt die Signal-App verwenden, wirke "unprofessionell". Im Gespräch mit t-online sagt der Direktor der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz: "Das überrascht ein Stück weit und kommt unerwartet." Denn bisher habe die Trump-Administration professioneller und besser vorbereitet gewirkt als noch zur ersten Amtszeit des Präsidenten. Signal sei jedoch kein Dienst, "den man für vertrauliche oder streng geheime Informationen von Regierungen nutzt".
Signal ist eine App zum Versenden von Nachrichten, wie etwa auch WhatsApp. Laut Matt Blaze, Professor für Informatik und Recht an der Georgetown University, biete die Verschlüsselung von Nachrichten bei Signal einen "gewissen Schutz", dennoch sei die App nicht für hochsensible, geheime Gespräche geeignet. Denn Signal laufe auf "grundsätzlich unsicheren Geräten", sagte Blaze der "Washington Post" – also etwa auf Smartphones oder Laptops, die mit dem Internet verbunden sind und so Angriffen ausgesetzt sein können.

Zur Person
David Sirakov (geb. 1975) ist Politikwissenschaftler und Direktor der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz, einer Bildungseinrichtung mit Fokus auf die transatlantischen Beziehungen. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit der US-Innenpolitik, mit besonderem Schwerpunkt auf die politische und gesellschaftliche Polarisierung und den Aufstieg des Populismus in Europa und den USA sowie die Außenpolitik der USA.
Laut "The Atlantic" ist die App generell nicht für den Austausch vertraulicher Informationen zugelassen. Trumps Sprecherin Karoline Leavitt erklärte am Dienstag auf X, die Rechtsberatung des Weißen Hauses habe "Leitlinien zu einer Reihe verschiedener Plattformen herausgegeben", damit die Spitzenbeamten der Regierung "so sicher und effizient wie möglich kommunizieren können".
Ob Signal darunter falle, teilte Leavitt jedoch nicht mit. Noch 2023 hatte das US-Verteidigungsministerium die App nicht autorisiert. Weiterhin wies Leavitt zurück, dass "Kriegspläne" besprochen oder vertrauliches Material in der betroffenen Gruppe geteilt worden sei. Mehr zu den Sicherheitsbestimmungen der US-Regierung lesen Sie hier.
- Kommentar zum Skandal um Chatgruppe: Die Vereinigten Staaten von Amateurika
- US-Vize Vance in geheimer Chatgruppe: "Ich hasse es, Europa aus der Patsche helfen zu müssen"
Hatten alle Teilnehmer nötige Sicherheitsfreigaben?
Mit Blick auf rechtliche Fragen legt US-Experte Sirakov den Fokus jedoch auf einen anderen Vorgang. "Besonders ein Punkt ist dabei problematisch: die programmierte Löschung mancher Nachrichten nach einer bestimmten Zeit." Laut dem "Atlantic"-Bericht soll Gruppengründer Mike Waltz, Trumps nationaler Sicherheitsberater, manche der Nachrichten mit einer automatischen Löschung nach einer beziehungsweise vier Wochen versehen haben. Jene Nachrichten verschwinden nach der voreingestellten Zeit.
"Hier liegt ein klarer Rechtsbruch vor: Denn US-Regierungen sind dazu verpflichtet, offizielle Kommunikation zu dokumentieren und zu archivieren", erklärt Sirakov. "Hegseth, Waltz und Co. haben das aber schlicht außer Acht gelassen." "Die Verantwortlichen können von Glück reden", dass letztlich wohl "nur" der "Atlantic"-Journalist Goldberg als Außenstehender Zugang zu den Informationen erhielt, so Sirakov weiter.
Es gibt jedoch weitere Ungereimtheiten: Auch Joe Kent, Trumps Kandidat als Chef des National Counterterrorism Center, soll Teil der Gruppe gewesen sein. Noch ist Kent jedoch nicht durch den Senat bestätigt worden. "Es stellt sich die Frage, ob er bereits über die entsprechende Sicherheitsfreigabe verfügt", sagt Sirakov. Zudem sei nicht klar, "warum der Finanzminister Scott Bessent Teil dieser Gruppe war".
Fall erinnert an Hillary Clintons E-Mail-Affäre
In US-Medien werden bereits Parallelen zu der E-Mail-Affäre der ehemaligen US-Außenministerin und demokratischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton gezogen. In ihrer Zeit als Ministerin (2009–2013) hatte Clinton private Server zur Verarbeitung von Regierungs-Mails genutzt. Während des US-Wahlkampfs 2016 und der folgenden Amtszeit Trumps hatten dieser und sein Team den Vorgang für Angriffe auf Clinton genutzt. Trump forderte immer wieder, dass Clinton "eingesperrt" werden müsse. Eine Untersuchung seitens des FBI förderte später keine von Clinton verschuldeten Unregelmäßigkeiten zutage.
In diesem Kontext weist Sirakov auf einen weiteren Vorgang hin: "Trotz der Kampagne, die Trump gegen Clinton fuhr, gingen Mitglieder seiner ersten Administration später genauso vor wie einst Clinton." Auch Trumps Tochter und ehemalige Beraterin Ivanka sowie ihr Ehemann und ebenfalls ehemaliger Präsidentenberater Jared Kushner sollen private Server für E-Mails genutzt haben. Kushner soll sogar die Regierungsarbeit betreffende Nachrichten über WhatsApp verschickt haben.
"Der aktuelle Fall erinnert daher mehr an die Geheimakten, die bei Joe Biden und Donald Trump gefunden wurden", erklärt Sirakov. "Beide Präsidenten sind in den Fällen nicht unschuldig, aber es war Trump, der sensiblere Daten etwa zu Angriffen auf den Iran in Privaträumen lagerte." Trump kam wegen der Akten sogar vor Gericht, rechtliche Folgen hatte das jedoch nicht. Im vergangenen Juli stellte die zuständige Richterin das Verfahren überraschend ein.
Müssen Trumps Mitstreiter Konsequenzen fürchten?
Für den US-Experten stellen sich nun vor allem zwei Fragen: "Wie sehr verantwortet sich die Trump-Regierung? Und benennt die Administration die beteiligten Personen?" Angesichts der Tragweite der Affäre fordert Sirakov: "Es muss personelle Konsequenzen geben." Besonders Verteidigungsminister Hegseth habe sensible Informationen geteilt. Laut dem "Atlantic"-Bericht hatte er in dem Chat nicht nur den Zeitpunkt der Angriffe auf die Huthi-Miliz im Jemen gesendet, sondern auch die eingesetzten Waffensysteme, Ziele und Angriffsintervalle übermittelt.
Dennoch glaubt Sirakov nicht an schwerwiegende Folgen für die Kabinettsmitglieder des US-Präsidenten. "Bisher verfolgen Trump und seine Mitstreiter stets doppelte Standards. Das, was sie an Professionalität anderen abverlangen, gilt für sie selbst häufig nicht."
Ob der aktuelle Fall rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen werde, bleibe abzuwarten, sagt Sirakov. Noch habe niemand geklagt, also müsse sich auch kein Richter damit befassen. "Doch selbst wenn es zu einem Prozess kommen würde, zweifle ich an einem Urteil gegen die Trump-Administration", erklärt Sirakov. "Und auch wenn es ein solches Urteil geben sollte, ist fraglich, ob sich die Administration daran hält." Die US-Justiz stehe derzeit unter "immensem Druck vonseiten der Regierung", so der Politologe. "Richtern wird schon jetzt mit einem Amtsenthebungsverfahren gedroht, wenn sie gegen die neue US-Administration ermitteln."
- Telefongespräch mit David Sirakov am 25. März 2025
- theatlantic.com: "The Trump Administration Accidentally Texted Me Its War Plans" (englisch, kostenpflichtig)
- edition.cnn.com: "Damning Yemen group chat reflects an administration indifferent to the rule of law" (englisch)
- washingtonpost.com: "How should officials discuss military plans? Not over Signal, experts say." (englisch)
- thehill.com: "5 takeaways from Trump officials war planning group chat breach" (englisch)
- x.com: Beitrag von @PressSec
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa