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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Panne in Trumps Regierung Ein Chat-Teilnehmer textete aus Moskau

Hochrangige Mitglieder der US-Regierung haben Kriegspläne in einem Chat diskutiert. Dabei betreiben die USA einen hohen Aufwand, um so etwas zu verhindern.
Es ist eine echte Krise für die Regierung von US-Präsident Trump: Einige seiner höchsten Mitarbeiter haben in einer Chatgruppe auf der Signal-App freimütig über bevorstehende Angriffe gegen die Huthi-Terroristen im Jemen Mitte März diskutiert – nicht wissend, dass versehentlich auch ein Journalist in den Chat eingeladen worden war. Dabei haben die USA ein ganzes Regelwerk entwickelt, um Staatsgeheimnisse zu wahren und Pannen wie diese zu verhindern.
Festgeschrieben sind diese Regeln in mehreren Verordnungen, die bis ins Detail klären, wie und unter welchen Umständen Regierungsmitarbeiter mit sensiblen Informationen umgehen müssen. Allein die Nutzung der kommerziellen Signal-App für die Planung eines militärischen Angriffs ist ein massiver Verstoß gegen diese Regeln, da der Messengerdienst nicht für den Austausch von Staatsgeheimnissen zugelassen ist.
US-Beamte dürfen Messengerdienste nur privat nutzen
Eingerichtet wurde der Chat von Trumps Nationalem Sicherheitsberater Mike Waltz, der allein damit gegen das Spionagegesetz von 1917 verstoßen haben könnte. Zwar ist die App aus US-Sicht sicherer als andere, da sich Chats von Ende zu Ende verschlüsseln lassen und die Server in den USA stehen. Doch ein fähiger Geheimdienst könnte sich trotzdem in das Gerät eines hochrangigen Nutzers hacken und damit Zugriff auf sensible Informationen bekommen.
Im beruflichen Kontext dürfen US-Beamte Signal höchstens nutzen, um etwa ein Treffen zu verabreden. Allerdings gibt es auch keine staatlich gesicherten Messengerdienste, über die US-Beamte sensible Inhalte teilen und besprechen dürften. Dies darf laut Geheimdienstverordnung nur in eigens dafür vorgesehenen Räumen geschehen, die schon baulich höchsten Sicherheitsanforderungen genügen müssen.
Spezialräume zur Besprechung geheimer Informationen
So müssen alle Wände, Türen und Fenster schalldicht und durchbruchhemmend sein, damit niemand Gespräche belauschen oder mit Gewalt in den Raum eindringen kann. Zudem muss ein Raum zur Besprechung geheimer Informationen über eine elektromagnetische Abschirmung verfügen, damit keine elektronischen Signale abgefangen werden können. Aus demselben Grund sind in diesen Räumen auch keine Handys, Bluetooth-Geräte oder Smartwatches zulässig.
Zugang zu diesen Spezialräumen haben nur autorisierte Personen mit einer entsprechenden Sicherheitsfreigabe. Sie müssen sich vor dem Zutritt in einen gesicherten Bereich zum Beispiel per Fingerabdruck und mit einer Sicherheitskarte oder einer PIN identifizieren. Kameras und Sensoren überwachen permanent den Zugang. Die Sicherheitsfreigabe eines Beamten muss regelmäßig überprüft und erneuert werden.
Abhörsichere Räume auch in Privathäusern
Nicht einmal das Oval Office im Weißen Haus genügt all diesen Vorschriften. Über streng geheime Militärpläne wird der Präsident im sogenannten Situation Room unterrichtet. In diesem Krisenzentrum verfolgte zum Beispiel Präsident Obama im Mai 2011 die Militäroperation gegen Terrorführer Osama bin Laden in Pakistan. Dabei entstand dieses berühmte Foto:
Die abhörsicheren Spezialräume gibt es aber nicht nur im Weißen Haus. Allein das Verteidigungsministerium unterhält Hunderte davon, nicht nur in Washington, sondern auch in Kommandozentralen oder in Auslandsbasen wie im deutschen Ramstein. Auch das Finanz- und das Außenministerium sowie die Geheimdienste der USA besprechen sensible Themen in solchen Räumlichkeiten. Hochrangige Beamte, Minister oder Senatoren bekommen sogar in ihren Privathäusern abhörsichere Räume eingebaut, damit sie auch von zu Hause aus arbeiten können.
Ein Chat-Teilnehmer war wohl gerade im Kreml
Doch selbst dieser Service hätte die jüngste Sicherheitspanne wohl nicht verhindern können, da mehrere Teilnehmer des Chats gar nicht von zu Hause kommuniziert haben. So schrieb Vizepräsident J. D. Vance in der Unterhaltung, dass er den Rest des Tages in Michigan auf einer Veranstaltung verbringen werde, wo er sich dann tatsächlich auch aufhielt. Noch brisanter war allerdings der Aufenthaltsort von Trumps Russland-Gesandtem, Steve Witkoff.
- Immobilienmogul Steve Witkoff: Trumps heimlicher Außenminister
Der befand sich mutmaßlich gerade zu Gesprächen im Kreml, als der Chat begann, auf jeden Fall aber in Moskau. Sicherheitsexperten weisen darauf hin, dass russische Geheimdienste bei solchen Gelegenheiten leicht auf elektronische Geräte zugreifen könnten. Unklar ist, ob aus der Chatgruppe heraus tatsächlich sicherheitsrelevante Informationen in unbefugte Hände gelangt sind.
Trumps Vorwürfe gegen Hillary Clinton
Problematisch ist der Kriegschat im Messengerdienst aber noch aus anderer Sicht. So waren die Nachrichten bei Signal so eingestellt, dass sie sich nach einer bestimmten Zeit selbst löschen. Das widerspricht aber dem US-Staatsrecht. Das sieht vor, dass relevante staatliche Kommunikation archiviert werden muss. Unklar ist allerdings, ob den Verantwortlichen juristische Konsequenzen drohen. Diese müssten vom Justizministerium vorangetrieben werden, das der Trump-Loyalistin Pam Bondi untersteht. Es ist zweifelhaft, dass Bondi ernsthaft gegen Trump und ihre Kabinettskollegen ermitteln lässt.
Dabei ist es nicht ohne Ironie, dass die größte Sicherheitspanne der vergangenen Jahre ausgerechnet der Trump-Regierung widerfährt. Trump selbst hatte nach seiner ersten Amtszeit geheime Dokumente mitgenommen und auf seinem Anwesen Mar-a-Lago in Florida gelagert. Ermittler fanden später vertrauliche und streng geheime Dokumente zum Teil in seinem Badezimmer verstreut. Trump wurde deswegen zwar angeklagt, doch der Prozess wurde inzwischen eingestellt.
Trump selbst dürfte angesichts des Verhaltens seiner Mitarbeiter auch an seinen ersten Wahlkampf im Jahr 2015 denken. Seine damalige Konkurrentin hieß Hillary Clinton. Die hatte als Außenministerin dienstliche E-Mails über einen privaten Anbieter laufen lassen. Obwohl das FBI Clinton entlastete, nutzte Trump die Panne im Wahlkampf gnadenlos aus und behauptete, dass Clinton wegen ihrer Nachlässigkeit ins Gefängnis gehöre. Dass er diese Standards nun auch an sich selbst anlegt, darf bezweifelt werden.
- theatlantic.com: The Trump Administration Accidentally Texted Me Its War Plans
- military.com: Hegseth and Other Top Trump Officials Just Failed OPSEC Jeff
- US-Verordnung zum Umgang mit Staatsgeheimnissen
- US-Verordnung zur Einrichtung abhörsicherer Spezialräume