t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikAuslandKrisen & Konflikte

Schüsse in Belarus: Polen überlegt, die Grenze zu schließen


Polen meldet mehr als 50 Festnahmen
Lage an polnischer Grenze eskaliert – Berichte über Schüsse

Von afp, t-online, reuters, lr

Aktualisiert am 10.11.2021Lesedauer: 3 Min.
Player wird geladen
Vom Stacheldraht verletzt: Migranten an der EU-Außengrenze zogen sich Schnittwunden zu, als sie versuchten, den Grenzzaun zu überwinden. (Quelle: t-online)
News folgen

Die dramatischen Berichte von Polens EU-Außengrenze häufen sich: Mehr als 50 Migranten wurden festgenommen. Zudem gibt es Schilderungen von Gewalt und Schüssen auf belarussischer Seite.

An der Grenze zwischen Belarus und Polen spitzt sich die Lage weiter dramatisch zu. "Es war keine ruhige Nacht. In der Tat gab es viele Versuche, die polnische Grenze zu durchbrechen", sagte Polens Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak am Mittwoch dem Sender PR1. 15.000 Soldaten befänden sich inzwischen an der Grenze.

Die Polizei in Polen hat nach eigenen Angaben mehr als 50 Migranten festgenommen. Die Menschen hätten in zwei Gruppen die Grenze durchbrochen und seien illegal eingereist, erklärte ein Polizeisprecher. Die Festnahmen seien in den vergangenen 24 Stunden in der Nähe der Ortschaft Białowieża erfolgt. Mehrere Flüchtlinge hätten sich der Festnahme entzogen, nach ihnen werde nun gesucht.

Video von Schüssen veröffentlicht

Auch auf der anderen Seite der Grenze wird die Situation angespannter. Polen warf belarussischen Sicherheitskräften vor, mit Gewalt gegen die Migranten vorzugehen und auch Schüsse abgegeben zu haben, um diese einzuschüchtern. Das polnische Verteidigungsministerium veröffentlichte dazu ein kurzes Video. Auf dem knapp sechs Sekunden langen Clip sind ein Schuss und Schreie von Menschen zu hören.

Der belarussische Grenzschutz veröffentlichte Bilder mehrerer Menschen, die am Kopf und an den Händen bluteten. Zu sehen waren tiefe Schnittwunden in Handflächen, nachdem Menschen versucht hätten, die Stacheldrahtzäune zu überwinden. Es handele sich um Kurden. Sie hätten medizinische Hilfe bekommen, hieß es.

Polnische Behörden halten belarussischen Sicherheitskräften vor, die Lage an der Grenze gezielt destabilisieren zu wollen. So seien Migranten mit Werkzeugen ausgestattet worden, um den Grenzzaun niederzureißen.

"Perfides und menschenverachtendes Verhalten"

Der geschäftsführende Bundesaußenminister Heiko Maas warf dem belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko unterdessen ein "perfides und menschenverachtendes Verhalten" vor. Dagegen werde die Europäische Union weiterhin entschieden vorgehen.

Auf der belarussischen Seite der Grenze sitzen weiterhin zahlreiche Migranten fest. Polen und andere EU-Staaten werfen der Führung in Minsk um Lukaschenko vor, gezielt illegale Grenzübertritte zu orchestrieren. Als Vergeltung für Sanktionen, die gegen Belarus verhängt wurden, solle so der Druck auf die EU erhöht werden. Dazu lasse Lukaschenko Flüchtlinge etwa aus Syrien und dem Irak einfliegen, um sie dann an die polnische Grenze zu schleusen.

Lukaschenko warf der EU im belarussischen Fernsehen eine hybride Kriegsführung vor. "Und ihr Bastarde, Wahnsinnige, wollt, dass ich euch vor Migranten schütze?", sagte er. Schuld an der aktuellen Lage seien internationale Schleuserringe, die Belarus in Folge der EU-Sanktionen nicht mehr stoppe.

Maas: Die EU ist nicht erpressbar

Außenminister Maas erklärte, Lukaschenko drehe weiter an einer gefährlichen Eskalationsspirale. Die EU sei aber nicht erpressbar und werde sich auf vier Punkte fokussieren:

  • die Versorgung der Menschen an der Grenze
  • die Unterbindung illegaler Schleusung
  • die Ausweitung und Verschärfung der Sanktionen gegen das Regime in Minsk
  • die Aufklärungsarbeit in den Herkunftsländern der Migranten

Laut Bundesinnenministerium haben Irak und auch Jordanien bereits zugesagt, Flüge nach Belarus zu streichen. "Wir müssen auch hier schonungslos die Folgen aufzeigen, die Lukaschenkos Handeln für jeden Einzelnen hat", erklärte Maas.

Polen erwägt Grenzschließung

Der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki besuchte am Dienstag das Krisengebiet, um Unterstützung für Tausende zusätzliche Soldaten, Grenzschutzkräfte und Polizei zu demonstrieren, die dorthin beordert worden waren. Der Verteidigungsminister Polens, Mariusz Błaszczak, sagte: "Während wir es vor zwei Tagen mit einer großen Gruppe zu tun hatten, die sich in der Nähe von Kuźnica Białostocka versammelte (…) und versuchte, die Grenze zu überwinden, haben wir es nun mit zahlreichen kleineren Gruppen zu tun, die die polnische Grenze gleichzeitig an mehreren Stellen stürmen".

Polen erwägt laut Regierungssprecher Piotr Müller, die Grenze zu Belarus komplett zu schließen. Dies werde als Option in weiterreichenden Szenarien berücksichtigt, sagte er im Interview mit dem Portal "Wirtualna Polska". Die belarussischen Behörden seien informiert worden, dass eine solche Möglichkeit bestehe, wenn sie ihre Aktivitäten nicht einstellten. Eine Rückmeldung von belarussischer Seite habe es dazu bislang nicht gegeben.

Etwa 1.000 Menschen im Camp

Nach Angaben von Staatspräsident Andrzej Duda befinden sich in einem grenznahen Camp auf belarussischem Staatsgebiet etwa 1.000 Migranten, vor allem junge Männer. Der EU-Kommission zufolge halten sich insgesamt etwa 2.000 Migranten an der belarussischen Grenze zu Polen auf. Laut polnischen Schätzungen befinden sich derzeit insgesamt bis zu 12.000 Migranten in Belarus.

Die EU zog bereits erste Konsequenzen. Die Regierungen der Mitgliedstaaten setzten ein Abkommen mit Belarus zur Erleichterung der Visavergabe teilweise aus. Davon betroffen sind belarussische Behördenvertreter, nicht jedoch gewöhnliche Bürger.

Die EU-Kommission erklärte, zusätzliche Sanktionen gegen das Land würden vorbereitet. Außerdem prüft sie nach eigenen Angaben, ob es verstärkt Flüge etwa aus afrikanischen Ländern, Russland, Indien und dem Iran nach Belarus gibt und wer mit den Maschinen befördert wird.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Neueste Artikel



TelekomCo2 Neutrale Website