Ausschreitungen an britischer Grenze Reporterin bei "terroristischem Vorfall" in Nordirland erschossen
In Nordirland brennen Autos, Brandsätze fliegen, schwer bewaffnete Polizisten gehen gegen Randalierer vor. Eine 29-jährige Journalistin starb durch Schüsse.
Am Rande der nordirischen Stadt Londonderry ist es zu gewaltsamen Ausschreitungen und tödlichen Schüssen auf eine junge Frau gekommen. Der Tod der 29-Jährigen in der Wohnsiedlung Creggan werde als "terroristischer Vorfall" behandelt, teilte die örtliche Polizei in der Nacht über Twitter mit. Der Täter sei ein "gewalttätiger Nationalist". Die Frau sei getroffen worden, als der Mann auf Polizisten geschossen habe. Es wurden Mordermittlungen eingeleitet.
Bei der Toten handelt es sich um die Journalistin Lyra McKee, die viel über den Nordirland-Konflikt und seine Folgen geschrieben hat – unter anderem für "The Atlantic" und "Buzzfeed News". Sie hatte noch am Donnerstagabend ein Foto im Kurzbotschaftendienst Twitter veröffentlicht, das die Unruhen in Creggan zeigte. "Derry heute Abend. Völlig verrückt", schrieb sie dazu.
Stadt vor allem von Katholiken bewohnt
Zuvor hatte die Polizei darüber informiert, dass in Creggan Brandsätze geschleudert und mehrere Schüsse abgefeuert worden seien. Der Stadtteil gilt als Hochburg irischer Nationalisten. Polizeifahrzeuge wurden Berichten zufolge mit Brandbomben, Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern attackiert. Auf Bildern vom Ort des Geschehens waren brennende Autos, gepanzerte Einsatzfahrzeuge der Polizei und schwer bewaffnete Sicherheitskräfte zu sehen. Zu den Hintergründen gaben die Behörden zunächst keine Details preis. Auslöser der Unruhen soll eine Hausdurchsuchung gewesen sein.
"Ich stand neben dieser jungen Frau, als sie heute Nacht in Creggan/Derry neben einem Land Rover der Polizei gefallen ist", schrieb die Journalistin Leona O'Neill auf Twitter. Sie habe einen Krankenwagen gerufen. Polizisten hätten die Frau aber in einen Polizeiwagen verfrachtet und in ein Krankenhaus gebracht, wo sie gestorben sei. McKee hatte am Donnerstagabend noch ein Foto auf Twitter veröffentlicht, das offenbar die Gewalt in Londonderry zeigte.
Die Ausschreitungen trugen sich vor dem Osterwochenende zu – einem Zeitpunkt, zu dem irisch-katholische Nationalisten an den Aufstand gegen die Briten in Dublin im Jahr 1916 erinnern. Londonderry hat rund 85.000 Einwohner und liegt im äußersten Nordwesten der nordirischen Provinz an der Grenze zur Republik Irland. Dort wohnen vor allem Katholiken, die ihre Stadt schlicht Derry nennen.
Mehrere Sprengsätze explodierten
In dem britischen Landesteil treiben paramilitärische Gruppierungen ihr Unwesen. Seit Jahresbeginn sind wiederholt Sprengsätze in Londonderry explodiert, ohne dass es dabei Verletzte gegeben hätte. Einer davon detonierte im Januar vor einem Gericht mitten in der Stadt, nachdem kurz zuvor eine Warnung bei den Behörden eingegangen war. Unklar war zunächst, ob die neuerlichen Unruhen im Zusammenhang mit dem Osterwochenende stehen, das traditionell für politische Kundgebungen genutzt wird.
Das Karfreitagsabkommen von 1998 hatte den Nordirland-Konflikt beendet. In der britischen Provinz hatten sich jahrzehntelang irisch-katholische Nationalisten und protestantische Loyalisten bekämpft. Seit den Sechziger Jahren starben dabei 3.500 Menschen, viele wurden von der Untergrundorganisation IRA getötet. Zuletzt waren im Zuge der Brexit-Verhandlungen die Sorgen gewachsen, dass die drohende Einführung von Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und der auch künftig zur EU gehörenden Republik Irland die Gewaltspirale in der Ex-Bürgerkriegsregion wieder in Gang setzen könnte.
Das Karfreitagsabkommen sieht neben der Aufteilung der Macht zwischen Protestanten und Katholiken eine Grenze zwischen Irland und Nordirland ohne Kontrollen vor. Die Grenzfrage ist einer der zentralen Knackpunkte im Brexit-Streit.
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Die Vorsitzende der nordirischen Democratic Unionist Party (DUP), Arlene Foster, verurteilte "sinnlose" Gewalt. "Diejenigen, die in den 70er, 80er und 90er Jahren Schusswaffen in unsere Straßen gebracht haben, lagen falsch. 2019 ist es genauso falsch." Die DUP hat bislang abgelehnt, Theresa Mays Abkommen mit der EU zu unterstützen, da sie die Einigkeit des britischen Königreichs gefährdet sieht – sie lehnt jeden Sonderstatus der Region ab. Auch die Vize-Vorsitzende der irisch-republikanischen Partei Sinn Fein, Michelle O'Neill, verurteilte den Tod der jungen Frau und sprach den Angehörigen ihr Beileid aus. "Das war ein Angriff auf die Gemeinschaft, ein Angriff auf den Friedensprozess und auf das Karteifreitagsabkommen."
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP, Reuters