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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Israel schlägt Feuerpause vor Bringt dieses Angebot einen Durchbruch im Krieg in Nahost?
Israel unterbreitet der Hamas offenbar ein weitreichendes Angebot für eine Feuerpause. Doch was genau ist das eigentlich? Und rückt ein Frieden damit näher?
Noch immer befinden sich mehr als 130 israelische Geiseln in der Gewalt der Terrororganisation Hamas. Die in den Gazastreifen verschleppten Menschen könnten nun zentraler Bestandteil eines Deals zwischen Israel und der Hamas werden. Laut einem Bericht des US-Portals "Axios" bietet die israelische Führung der Terrororganisation eine zweimonatige Feuerpause an. Im Gegenzug sollen alle Geiseln freigelassen werden.
Der Druck auf die israelische Regierung, die Gewalt im Gazastreifen zu begrenzen und die Freilassung der Geiseln zu erwirken, war zuletzt sowohl außen- als auch innenpolitisch gewachsen. Besonders die USA sprachen sich vehement dafür aus, die Intensität der Kampfhandlungen in dem Palästinensergebiet zu reduzieren. In Israel machten Angehörige der Geiseln immer wieder ihrem Unmut über die Regierung Luft. Der Vorwurf: Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und sein Kriegskabinett seien gar nicht an den Geiseln interessiert.
Nun könnte Bewegung in diese Angelegenheit kommen – wenn die Hamas das Angebot annimmt, woran es erhebliche Zweifel gibt. Der Vorschlag einer zweimonatigen Feuerpause wäre das bisher substanziellste Angebot der israelischen Regierung an die Terrororganisation. Doch was ist überhaupt eine Feuerpause? Und welches Angebot soll Netanjahus Regierung der Hamas genau unterbreiten? t-online gibt einen Überblick.
Was ist eine Feuerpause?
Eine Feuerpause, auch Waffenruhe genannt, ist eine zeitweise Unterbrechung der Kampfhandlungen zwischen zwei Kriegsparteien. Der Begriff ist nicht völkerrechtlich geregelt. Zumeist wird eine Feuerpause damit verbunden, dass die Kriegsparteien ihre Toten und Verletzten bergen oder die Zivilbevölkerung im Kriegsgebiet mit humanitären Hilfen versorgt werden können. Die Kampfhandlungen können jederzeit wiederaufgenommen werden.
Der Begriff der Waffenruhe oder Feuerpause ist nicht zu verwechseln mit dem Waffenstillstand. Dieser ist vertraglich geregelt und durch die Artikel 35 bis 41 der Haager Landkriegsordnung von 1907 definiert. Ein Waffenstillstand gilt als Vorstufe für Friedensverhandlungen.
Gab es im laufenden Gaza-Krieg schon Feuerpausen?
Bereits Ende November hatte es eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas gegeben. Sie dauerte insgesamt eine Woche an. In dieser Zeit hat die Hamas 105 Geiseln freigelassen. Im Gegenzug ließ Israel 240 bis dahin inhaftierte Palästinenserinnen und Palästinenser frei. Außerdem ermöglichte Israel während der Feuerpause humanitäre Hilfen im Gazastreifen.
Die Waffenruhe endete am 1. Dezember, weil Israel der Hamas vorwarf, nicht – wie zuvor vereinbart – alle entführten Frauen und Kinder freigelassen zu haben. Die Hamas warf der israelischen Regierung dagegen vor, Angebote zur Geiselfreilassung abgelehnt zu haben. Zudem wollte die Terrororganisation keine israelischen Soldatinnen freilassen.
Wie könnte der israelische Vorschlag aussehen?
Laut dem "Axios"-Bericht bietet Israel der Hamas eine Feuerpause an, die bis zu zwei Monate andauern könnte. "Axios" bezieht sich dabei auf die Aussagen zweier nicht namentlich genannter israelischer Beamter. Offiziell geäußert hat sich Israel dazu noch nicht. Im Gegenzug soll die Hamas alle im Gazastreifen verbliebenen Geiseln freilassen. Dabei soll es sich um 136 Menschen handeln. Israel geht jedoch davon aus, dass Dutzende bereits in der Gefangenschaft der Hamas verstorben sein könnten.
Dem Bericht zufolge soll das israelische Kriegskabinett bereits vor zehn Tagen das Angebot intern beschlossen haben. Es sieht jedoch keine Vereinbarung für ein Kriegsende vor. Dabei hat man sich offenbar auf ein Stufenmodell geeinigt.
In einer ersten Phase sollen Frauen sowie Männer über 60 Jahren und alle Geiseln in kritischem Zustand freigelassen werden, jedoch noch keine Soldaten – weder weibliche noch männliche. Erst in einer zweiten Phase soll die Hamas alle Soldaten sowie Männer unter 60 Jahren, die keine Militärangehörigen sind, aus der Geiselhaft entlassen. Zudem sollen dann die Leichen verstorbener Geiseln überstellt werden.
Das Angebot sieht zudem Verhandlungen zwischen Israels Regierung und der Hamas darüber vor, wie viele palästinensische Gefangene aus israelischen Gefängnissen entlassen werden. Auch sie sollen nur schrittweise freikommen. Noch sind rund 6.000 Palästinenserinnen und Palästinenser in Israel inhaftiert. Netanjahus Regierung schließt dem Bericht zufolge aus, dass alle freikommen sollen. Das hatte die Hamas zuletzt gefordert. Es könnte jedoch eine "bedeutende Zahl" in die Freiheit entlassen werden.
Nicht zuletzt ist Israel offenbar dazu bereit, einen Teil seiner Truppen in der Zeit der Waffenruhe aus dem Gazastreifen abzuziehen. Dabei geht es wohl vor allem um die am dichtesten besiedelten Gebiete, wie etwa Gaza-Stadt und den nördlichen Gazastreifen. Geflüchtete Zivilisten sollen dann schrittweise zurückkehren können.
Ob die Hamas das Angebot annimmt, ist fraglich. Angeblich soll die Terrororganisation es bereits abgelehnt haben. Das zumindest berichtet die Nachrichtenagentur AP unter Berufung auf einen anonymen ägyptischen Beamten. In Kairo soll verhandelt worden sein. Noch gibt es jedoch keine offiziellen Mitteilungen – weder von israelischer noch von Hamas-Seite.
Wie ist das angebliche Angebot zustandegekommen?
Besonders Katar und Ägypten hatten sich zuletzt als Vermittler im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern eingeschaltet. Möglicherweise geht das Angebot, über das "Axios" schreibt, darauf zurück. Bereits am Sonntag hatte das "Wall Street Journal" berichtet, dass diese beiden Länder und die USA einen diplomatischen Prozess herbeiführen wollen. Auch dabei ging es um die Freilassung der Geiseln, den Rückzug der israelischen Soldaten sowie ein Ende des Krieges. Verhandlungen darüber sollen in der ägyptischen Hauptstadt Kairo stattfinden.
- Katars Drahtseilakt: Welche Rolle spielt das Land im Nahostkonflikt?
Israel und die Hamas seien zumindest wieder zu Gesprächen bereit, nachdem die Unterredungen nach dem Ende einer Waffenruhe Ende November wochenlang gestockt hatten, berichtete das "Wall Street Journal" unter Berufung auf mit den Gesprächen vertraute Kreise. Die Bereitschaft beider Seiten, über die Rahmenbedingungen zu sprechen, sei ein positiver Schritt, zitierte die US-Zeitung eine Quelle. Die Vermittler arbeiteten nun daran, die Kluft zu überbrücken.
Könnte die Hamas von einer Feuerpause profitieren?
Das gilt als gesichert. Wie viel Vorteil sie daraus schlagen kann, ist aber unklar, zumal das israelische Militär im Gazastreifen den Norden und weite Teile des Südens unter Kontrolle hat. Außerdem hat Israel laut eigenen Angaben bereits Tausende Hamas-Terroristen eliminiert. Wie viele genau und ob dies tatsächlich für eine Zerschlagung der Hamas – wie es Israels Kriegsziele vorsehen – ausreicht, darüber gibt es in Israel und bei seinen Verbündeten unterschiedliche Auffassungen. Mehr dazu lesen Sie hier.
In Israel gibt es jedenfalls Befürchtungen, dass die Hamas die Zeit nutzen könnte, um sich neu aufzustellen, und gestärkt aus der Feuerpause hervorgehen könnte. Sollte Israel außerdem tatsächlich einige Soldaten aus dem Gazastreifen abziehen, so wäre es nach Ablauf der Feuerpause schwieriger, signifikante Kampfhandlungen wiederaufzunehmen.
- axios.com: "Scoop: Israel proposes 2-month fighting pause in Gaza for release of all hostages" (englisch)
- ihl-databases.icrc.org: "Convention (IV) respecting the Laws and Customs of War on Land and its annex: Regulations concerning the Laws and Customs of War on Land. The Hague, 18 October 1907." (englisch)
- wsj.com: "U.S., Arab Allies Push Hostage-Release Plan Aimed at Ending Israel-Hamas War" (englisch)
- timesofisrael.com: "Hamas rejects Israel’s offer of two-month pause in Gaza fighting — Egyptian official" (englisch)
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa