Eröffnung von North Stream 2 Manipuliert Russland bereits den Energiemarkt?
Schwerwiegender Verdacht in Brüssel: Dutzende EU-Abgeordnete werfen dem Energiekonzern Gazprom vor, Gaslieferungen bewusst zurückzuhalten und so die Kosten in die Höhe zu treiben.
Mehrere Dutzend EU-Abgeordnete wittern angesichts hoher Energiepreise eine mögliche Marktmanipulation durch den russischen Gaskonzern Gazprom. Die Abgeordneten kritisieren unter anderem, Gazprom habe sich geweigert, Gaslieferungen durch bereits existierende Pipelines zu buchen. Das Unternehmen habe seine eigene Produktion gedrosselt.
Dies lasse vermuten, "dass der Rekordanstieg der Erdgaspreise in Europa in den letzten Wochen ein direktes Ergebnis der bewussten Marktmanipulation und der Maßnahmen von Gazprom sein könnte", heißt es in dem auf Donnerstag datierten Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Untersuchung gefordert
Darin wird die Kommission aufgefordert, eine Untersuchung einzuleiten. Die Brüsseler Behörde bestätigte den Eingang des Briefs am Freitag. Gazprom wies die Vorwürfe zurück. Die EU erhalte alles, was laut Verträgen vereinbart sei, teilte das Unternehmen der Agentur Interfax zufolge mit. Es werde auch versucht, den zusätzlichen Bedarf zu decken. Der Kreml hatte ebenfalls zurückgewiesen, dass Russland irgendetwas mit dem derzeitigen Preisanstieg zu tun habe.
Die EU-Abgeordneten sehen einen Zusammenhang mit der umstrittenen Pipeline Nord Stream 2, über die russisches Gas nach Deutschland geleitet werden soll. Kremlsprecher Dmitri Peskow hatte erklärt, eine Entspannung auf dem Gasmarkt sei nach der Inbetriebnahme von Nord Stream 2 zu erwarten.
Gazprom verweist auf kalten Winter
Gazprom-Chef Alexej Miller sagte der Staatsagentur Tass zufolge, europäische Gasspeicher seien wegen des kalten Winters und Frühlings weniger gefüllt als sonst. Damals sei mehr Gas verbraucht worden als gewöhnlich; und es habe erst später mit der Wieder-Befüllung begonnen werden können. Das wirke sich auch auf die Preise aus.
Das EU-Schreiben wurde auch von dem CDU-Abgeordneten Michael Gahler und dem Grünen-Europaparlamentarier Reinhard Bütikofer unterschrieben. Gahler teilte mit, ein Zusammenhang zwischen Tätigkeiten Gazproms und der schnellen Inbetriebnahme von Nord Stream 2 erscheint "nicht weit hergeholt".
Die Kommission solle den Vorwürfen nachgehen. Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte, man habe die Lage auf dem Energiemarkt genau im Blick. Nord Stream 2 müsse transparent und diskriminierungsfrei betrieben werden. Die Leitung ist fertiggebaut, aber noch nicht in Betrieb.
- Nachrichtenagentur dpa