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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Besuch in Großbritannien Trump stößt May mit Interview vor den Kopf
Nach den Nato-Staaten ist jetzt Großbritannien dran: Zu Beginn seines Besuchs attackiert Donald Trump den Brexit-Plan von Gastgeberin Theresa May – und droht ihr unverhohlen.
Donald Trump saß noch mit Theresa May beim Staatsdinner zusammen. Man speiste im Blenheim Palace nahe Oxford, dem Geburtsort Winston Churchills, May hatte Trump nebst Gattin Melania mit großer Zeremonie empfangen.
Da kamen schon die ersten Tweets, die ersten Eilmeldungen. Auslöser: ein Interview mit dem US-Präsidenten, das die britische Boulevardzeitung "The Sun" pünktlich zum Abschluss des Dinners am Donnerstagabend veröffentlichte. Und was Trump dort sagte, hatte es in sich.
- Trump lobte den gerade erst im Streit mit May zurückgetretenen Außenminister Boris Johnson. "Ich denke, er wäre ein großartiger Premierminister", sagte Trump über Mays Rivalen. "Er hat das Zeug dazu und ich denke, er hat die richtige Einstellung."
- Trump kritisierte Mays neuen Brexit-Kurs und gab zu Protokoll, er habe ihr Tipps gegeben, die sie jedoch ignoriert habe. "Ich hätte das sehr anders gemacht. Ich habe Theresa May tatsächlich gesagt, wie man das macht, aber sie hat nicht auf mich gehört. Sie hat es verbockt", gibt Trump in dem Interview zu Protokoll. "Ich würde sagen, sie hat wahrscheinlich den umgekehrten Weg gewählt."
- Und Trump drohte gar, für den Fall, dass May ihren Kurs durchziehen wollte. Wenn Großbritannien zu eng mit der EU verbunden bleibe, dann würde es doch kein Handelsabkommen zwischen Großbritannien und den USA geben, weil er, so Trump, dann ja auch wieder mit der EU verhandeln müsse. "Also wird es das Abkommen wahrscheinlich töten." May plant eine Zollunion und ein Freihandelsabkommen mit der EU.
Trumps Äußerungen sind also sowohl ein Eingriff in innere Angelegenheiten seines Gastgeberlandes als auch ein kräftiges Streuen von Salz in die derzeit zahlreichen Wunden Theresa Mays. Die Premierministerin muss um den Rückhalt für sich und ihre Brexit-Pläne kämpfen. Erst vor wenigen Tagen waren Außenminister Johnson und Brexit-Minister David Davis im Brexit-Streit zurückgetreten.
Eine Erklärung in der Nacht
Mit dem Interview stärkte Trump seiner Gastgeberin also nicht den Rücken, er schwächte sie in ihrer innenpolitischen Auseinandersetzung.
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Das Interview schlug solche Wellen, dass das Weiße Haus noch in der Nacht zum Freitag eigens ein Statement herausgab, um die Wogen zu glätten. Dort hieß es: "Der Präsident mag und respektiert Premierministerin May sehr." Wie er in dem Interview gesagt habe, sei May "ein sehr guter Mensch".
Trump zeigte genau das Verhalten, das er gerade erst beim Nato-Gipfel in Brüssel an den Tag gelegt hatte: Vermeintliche Freunde und Verbündete werden von ihm zu Beginn eines Treffens besonders scharf attackiert. Später spricht Trump dann bei gemeinsamen Auftritten in der Regel von einer großartigen Beziehung, die man habe.
Verschärfend hinzu kommt, dass Trump anders als in Brüssel hierbei nun Staatsgast seiner Gastgeberin ist und dafür reichlich Annehmlichkeiten bekommt, wie das Staatsbankett am Donnerstagabend, wie ein von ihm so gewünschter Empfang bei der Queen am Freitag.
Die "Sun" veröffentlichte auch Audioaufnahmen aus dem Interview. Nach Angaben der Zeitung fand das Gespräch am Mittwoch vor dem Nato-Gipfel in der US-Botschaft in Brüssel statt – doch das macht die Sache für May nicht besser. Die "Sun" gehört zum Medienimperium Rupert Murdochs, der auch den Trump sehr wohlgesonnenen Fernsehsender Fox News besitzt.