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Ausbildung von Generälen und Polizisten
Wie Deutschland Putschisten und Terrorregime unterstützt

Von Horand Knaup

07.02.2021Lesedauer: 5 Min.
Im Zweifel Know-how aus Deutschland: Polizisten in Belarus im vergangenen SommerVergrößern des Bildes
Im Zweifel Know-how aus Deutschland: Polizisten in Belarus im vergangenen Sommer (Quelle: imago-images-bilder)
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Wenn im Ausland Generäle putschen oder Polizisten Demonstranten niederknüppeln, gilt: Ausgebildet wurde das Führungspersonal oft auch in Deutschland. Doch in Berlin interessiert das bisher kaum jemanden.

Die Nachrichten aus der malischen Hauptstadt Bamako waren irritierend. Im August des vergangenen Sommers stürzte im vermeintlichen Vorzeigeland der Sahel-Zone ein "Nationales Komitee zur Errettung des Volkes" den amtierenden Präsidenten. Schnell sprach sich herum: Der Anführer der Junta, General Assimi Goita, hatte in früheren Jahren Antiterror-Lehrgänge unter anderem in Deutschland und Frankreich besucht.

Der Schreck währte allerdings nur kurz, denn rasch war zumindest in der EU eine Sprachregelung gefunden. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell verkündete: "Wir bilden keine Soldaten zu Putschisten aus." Die Anführer der Revolte seien vor allem in den USA und Russland trainiert worden.

Doch Zweifel blieben. Schließlich klang das nach: Es kann nicht sein, was nicht sein darf.

Nachdenklicher als je zuvor fragen sich deshalb inzwischen Politiker und Experten in Berlin: Wen bilden wir da eigentlich bei uns aus?

Zumal im Sahel, "dessen Stabilität für Deutschland und Europa von ganz unmittelbarer Bedeutung" sei, wie es im Auswärtigen Amt heißt. Was machen die in Deutschland geschulten Offiziere mit ihrem Wissen? Und treten sie in ihrer Heimat wirklich für die Werte ein, die ihnen in Europa oder den USA vermittelt werden?

Mali ist nur ein Beispiel von vielen, das Zweifel weckt: Mal sind deutsche Ausbilder vor Ort, aber auch in Deutschland haben in den letzten Jahrzehnten Tausende von Sicherheitsexperten aus der ganzen Welt Lehrgänge durchlaufen, darunter Generäle, Polizeichefs, Kriminalisten.

Ob Großlagen, Waffenkunde, das Beenden von Geiselnahmen, die Echtheitsprüfung von Pässen oder Menschenrechte – vermittelt wird den ausländischen Schülern so gut wie alles, was auch in deutschen Lehrplänen vermittelt wird.

Auch materiell ist Deutschland großzügig. Im Rahmen sogenannter "Ertüchtigungsprogramme" gibt es eine Menge nützlicher Dinge, von Druckern und Funkgeräten bis hin zu geländegängigen Fahrzeugen und Nachtsichtgeräten.

Nur: Was passiert eigentlich mit all den Dingen, die die Trainees in die Heimat mitnehmen? Entsprechen unsere Ausbildungsprinzipien auch den Gegebenheiten der jeweiligen Partnerländer? Und in welchem Zusammenhang werden die Materialien eingesetzt, die Fahrzeuge, Funkgeräte oder Nachtsichtgeräte, die die Bundesregierung spendiert?


Schon 2018 hatte der Europäische Rechnungshof – lange vor dem Putsch in Bamako – in einem Bericht über die EU-Programme in Mali und Niger die Ertüchtigungsprogramme nachdrücklich infrage gestellt.

Im Sahel gehört zum Beispiel Algerien seit Jahren zu den Großkunden deutscher Militärtechnologie. Im vergangenen Sommer tauchten im benachbarten Mauretanien in der Lagerhalle eines langjährigen Ex-Präsidenten an die 100 Fahrzeuge auf, darunter nagelneue deutsche Lkw und Toyota-Pickups für den Wüstenkrieg.

Kein Interesse an Evaluierung

"Auf welche Partner haben wir uns eingelassen?" stöhnen inzwischen Diplomaten im Auswärtigen Amt. Zumal gerade aus Mali bekannt ist, dass hochrangige Militärs grenzüberschreitend mit kriminellen Organisationen zusammenarbeiten und zur Vermögenselite des Landes gehören.

Deshalb die Nachfrage bei Sicherheitsexperten. "Wir wissen nicht, was mit den Ausgebildeten geschieht", sagt etwa Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Schon vor zwei Jahren, lange vor der Revolte in Bamako, hatte sein damaliger Kollege Denis Tull Änderungen angemahnt: "Für Ertüchtiger kann es nicht darum gehen, die Politik der Vergangenheit fortzusetzen – mit noch mehr Mitteln." Die Bundesregierung müsse "erheblich darin investieren, ihre eigenen Vorhaben zu beobachten und zu evaluieren, um Anpassungs- und Lernprozesse zu ermöglichen".

Aber an einer gründlichen Evaluierung und Überprüfung ihrer Hilfen und Missionen hatte die Bundesregierung bisher kein Interesse. Der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr zum Beispiel wurde nie evaluiert, trotz jahrelangen Drängens der Grünen.

Der Grund: Häufig geht es gar nicht darum, ein Land militärisch oder zivil zu stärken. Die Ertüchtigung kann sogar ein eher nachrangiges Motiv sein. Wie etwa in Mali.

In dankenswerter Klarheit erklärte vor einiger Zeit ein Referatsleiter des Bundesverteidigungsministeriums: "Wir sind nicht zuallererst für Mali in Mali. Wir sind erstens in Mali wegen unserer Kooperation mit Frankreich; weil wir ein Interesse haben, dass die EU ein aktiver Akteur in der Sicherheitspolitik bleibt; und weil wir wollen, dass die UN ein Akteur in der internationalen Konfliktbewältigung bleiben. Und erst dann, nach all diesen Faktoren, beteiligen wir uns an einer militärischen Mission, damit Mali stabil wird und zu einem Frieden findet."

Dass sich selbst die westlichen Bündnispartner dabei nicht immer einig sind, erleichtert die Sache nicht gerade. Schon in Afghanistan verfolgten die Amerikaner eine andere, robustere Strategie als Deutsche oder Franzosen.

Es gibt keine verlässlichen Verhältnisse

Nicht anders ist die Lage in Mali: Für die Franzosen steht im Sahel vor allem die Terrorismusbekämpfung im Vordergrund, weshalb die französischen Einheiten bisweilen wenig zimperlich vorgehen und dies auch von den Deutschen erwarten. Die hingegen wollen zuerst zivile Strukturen stärken und versuchen, ihre Strategie begleitend militärisch abzusichern.

Ein großes Missverständnis kommt hinzu: Die Ausbildungsprogramme, die ausländische Generäle oder Polizeioffiziere in Deutschland durchlaufen, gehen vom Young-Leader-Prinzip aus. Sie gründen auf der Annahme, dass die Ausgebildeten – wie im Westen – eine Karriere anpeilen, die auf Engagement und Leistung beruht.

Auf Prinzipien also, wie sie in Bundeswehr-Hochschulen, US-Militärakademien und anderen westlichen Kaderschmieden üblich sind. Damit verbunden ist die Hoffnung, die Kursteilnehmer von einst später einige Ränge höher als Entscheider wieder zu treffen.

Nur: In Kenia oder Afghanistan, in Mali oder wie gerade in Äthiopien spielen für Karrieren ganz andere Faktoren als Ehrgeiz, Leistung oder gar der Glaube an den Rechtsstaat eine Rolle. In der Regel geht es vielmehr um die ethnische Zugehörigkeit, um Loyalität, um Netzwerke – und manchmal auch um das nötige Maß an Gerissenheit und Brutalität.

"Ertüchtigung basiert auf der Annahme stabiler Verhältnisse", konstatiert Sicherheitsexperte Kaim. Auf der Annahme, dass die Programm-Absolventen zumindest Teile des aufgeklärten westlichen Wertekanons übernommen und verinnerlicht haben.

Doch verlässliche Verhältnisse gibt es in jenen Staaten, aus denen die Gäste kommen, zumeist nicht. Geordnete Regierungswechsel? Eine funktionierende unabhängige Justiz? Wirksame Anti-Korruptionskampagnen? Alles in der Regel nicht vorhanden.

Also rausgehen und alle Hilfen einstellen? Oder sich doch weiter engagieren? "Es ist ein unauflösbares Dilemma", bilanziert Kaim. "Aber man muss sich Rechenschaft darüber ablegen."

Eigentlich keine Lizenz zum Rechtsbruch

Immerhin, im Bundestag sind die Fraktionen inzwischen auf die Problemlage aufmerksam geworden. Linkspartei und Grüne sind ohnehin skeptisch, wenn die Bundeswehr fremden Armeen mit Ausrüstung und Ausbildung zur Seite steht.

Auch in der SPD hat die Debatte begonnen. "Es muss nachvollziehbar sein, wer wie oft und zu was ausgebildet wurde", meint nun auch die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Gabriela Heinrich. Verbleib und Einsatzverwendungen von Materialhilfe als auch von EUTM und EUCAP ausgebildeten Sicherheitskräften (Trainingsprogramme für Mali und Niger) müssten dokumentiert werden. "Darin müssen wir und die Missionen besser werden."

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Womöglich hat Heinrich dabei an Weißrussland gedacht. Es ist ein paar Jahre her, da schulte die deutsche Polizei Hunderte von Grenzschützern, Milizionären und Kriminaltechnikern aus Weißrussland, teils in Deutschland, teils in der Heimat der Gäste.

Im August 2010 durften sich weißrussische Grenzschützer bei der Elitetruppe GSG9 umschauen, einige Wochen später waren Weißrussen dabei, als 20.000 Polizisten Castro-Transporte ins niedersächsische Gorleben eskortierten. Ziel der Schulung war es, den weißrussischen Kollegen "das transparente und bürgernahe Verhalten der Polizei" zu demonstrieren, wie es damals hieß.

Eine Lizenz zum Rechtsbruch bekamen die Gäste gewiss nicht mit auf den Heimweg; aber irgendwas scheinen sie damals missverstanden zu haben: Heute sichern sie mit Knüppelorgien und willkürlichen Verhaftungen den Machterhalt von Diktator Alexander Lukaschenko ab.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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