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Spanien: Sozialist Sanchez siegt klar – verfehlt aber absolute Mehrheit


Wahl in Spanien
Sozialist Sanchez siegt klar – verfehlt aber absolute Mehrheit

Von dpa, dru, aj

Aktualisiert am 11.11.2019Lesedauer: 4 Min.
Sozialist Pedro Sánchez: Seit einem Misstrauensvotum Anfang des Jahres geschäftsführender Ministerpräsident Spaniens.Vergrößern des Bildes
Sozialist Pedro Sánchez: Seit einem Misstrauensvotum Anfang des Jahres geschäftsführender Ministerpräsident Spaniens. (Quelle: Sergio Perez/reuters)
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Pedro Sánchez heißt der klare Sieger der Parlamentswahl in Spanien. Völlig unklar bleibt hingegen, von wem das Land künftig regiert wird. Die Parteien sind zerstritten, eine Einigung unwahrscheinlich.

Die Sozialisten von Ministerpräsident Pedro Sánchez haben bei der zweiten Parlaments-Neuwahl des Jahres in Spanien ihren Erfolg vom April wiederholt –doch der "Bloqueo", die politische Lähmung in Madrid, droht nach der Abstimmung vom Sonntag noch unüberwindbarer zu werden. Das Erstarken der Rechtspopulisten und die zunehmende Parteienzersplitterung machen die Lage im neuen "Congreso de los Diputados" noch komplizierter als zuvor.

Nach Auszählung von fast allen Stimmen verpasste die Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE) von "Pedro dem Schönen", wie Frauenliebling Sánchez genannt wird, mit 28 Prozent erneut deutlich die absolute Mehrheit. Sie wird sich nach diesen Zahlen mit 120 von insgesamt 350 Sitzen (drei weniger als nach der April-Wahl) begnügen müssen. Sánchez selbst gab sich dennoch optimistisch und versprach, dass er ab Montag daran arbeiten werde, die Blockade zu beenden. "Wir werden alle Parteien ansprechen bis auf jene, die Hass verbreiten."

Zudem verbucht die ultrarechte Partei Vox einen Riesen-Erfolg. Sie konnte im Vergleich zur Wahl vor rund sechs Monaten gleich um rund fünf Prozentpunkte zulegen, kam auf rund 15 Prozent. Mit diesen Zahlen wird Vox die Zahl ihrer Parlamentssitze von 24 auf 52 mehr als verdoppeln. "Deutsche Verhältnisse", klagten politische Beobachter mit Blick auf die AfD.

Mehrere kleine Parteien ziehen erstmals ins Parlament ein, darunter die neue linke Bewegung Más País (Mehr Land). Am Gesamtbild im Parlament von Madrid ändert sich derweil nur wenig. Die konservative Volkspartei PP des smarten aber bisher recht erfolglosen Parteichefs Pablo Casado (38) verbesserte sich gegenüber der letzten Abstimmung um rund vier Punkte auf knapp 21 Prozent. Kein Kunststück: Im Frühjahr fuhr die PP das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte ein. Mit 87 Abgeordneten (21 mehr) bleibt sie aber auch weiter deutlich hinter dem Erzrivalen PSOE nur zweitstärkste Fraktion.

"Szenario völliger Unsicherheit"

Eine große Koalition der beiden Traditionsparteien PSOE und PP wäre theoretisch die einzige denkbare Möglichkeit, ohne Verhandlungen mit Massenbeteiligung eine Regierung mit absoluter Mehrheit von mindestens 176 Sitzen zu bilden. Dies hatten die Parteispitzen aber vor der Wahl kategorisch ausgeschlossen.

Medien hatten das Unheil vor der Abstimmung kommen sehen. "Verdruss" ("El Mundo") "Ungewissheit" ("El País") und "Politischer Stau" ("Heraldo") war auf den Titelseiten großer Tageszeitungen zu lesen. Der Sender RTVE sprach von einem "Szenario völliger Unsicherheit" – den ganzen Tag lang flimmerte in den TV-Schirmen die Gretchenfrage: "Wird es am Ende eine Regierung geben?".

Sind linke Wähler aus Frust zu Hause geblieben?

Die Politikverdrossenheit spiegelt sich auch in der niedrigen Wahlbeteiligung, die 69,90 Prozent betrug. Bei der letzten Wahl hatten noch 71,76 Prozent der Wahlberechtigten abgestimmt.

Vor allem viele linke Wähler seien aus lauter Frust zu Hause geblieben, mutmaßten politische Beobachter. "Die Politiker sind alle gleich und müssen alle gehen!", erklärte eine Gruppe ernüchterter linker Literaturstudenten in einem Madrider Café. Wie viele andere Gleichgesinnte blieben der Wahl fern. Das spielte der Rechten in die Hände – ebenso wie die Zuspitzung des Konflikts in der abtrünnigen Region Katalonien, die bei vielen Bürgern neue nationalistische Gefühle entfacht hat.

Das von Vox überholte Linksbündnis Unidas Podemos (UP) erlebte mit knapp 13 Prozent eine schwere Niederlage und rutschte von 42 Sitzen auf etwa 35. Ein Fiasko gab es für die liberalen Ciudadanos, die zuvor noch mitgeredet hatten und nun völlig einbrachen. Mit weniger als sieben Prozent (April 15,8) stürzten sie von 57 auf etwa zehn Mandate.

Eine Regierungsbildung wäre im Grunde nur noch denkbar, wenn Sánchez sich mit seiner Forderung nach Duldung einer Minderheitsregierung der PSOE durchsetzt – was aber ebenfalls als äußerst unwahrscheinlich gilt. Sánchez hatte am Freitag gesagt, er werde der PP, UP und den Liberalen "innerhalb von 48 Stunden" nach der Wahl einen Vorschlag zur "Beendigung der Blockade" vorlegen. Vermutlich wird er um genau diese Duldung bitten.

Mit Vox will der Sozialist nicht sprechen. Es handele sich um eine "ultrarechte Partei", die "Homosexuelle als Kranke" bezeichne und Medien schließen wolle. "Die Geschichte Europas hat einen Namen für solche Bewegungen", betonte Sánchez, der die Partei von Stierkampffan Santiago Abascal in die Nähe der Franco-Diktatur rückt.

Abascal jubelte vor Hunderten von Anhängern mit einem lauten "Viva Espana!"-Schrei. "Heute hat sich in Spanien eine patriotische Alternative konsolidiert", rief er vor dem Madrider Parteisitz unter tosendem Applaus. Man werde "keinen Schritt zurück" machen.

Bereits vierte Parlamentswahl seit Ende 2015

Es war bereits die vierte Parlamentswahl seit Ende 2015. Eine politische Blockade hatte Spanien bereits 2016 erlebt, als das Land trotz zweier Wahlgänge innerhalb von sechs Monaten wegen der starken Stimmenzersplitterung fast ein Jahr ohne reguläre Regierung blieb. Nach einem Misstrauensvotum gegen seinen konservativen Vorgänger Mariano Rajoy kam Sánchez im Juni 2018 mit einer Minderheitsregierung an die Macht. Weil er im Februar seinen Etat nicht durchbringen konnte, gab es im April die erste Neuwahl des Jahres.

Ende September musste König Felipe VI. dann eine weitere vorgezogene Wahl ausrufen, weil die Frist zur Bildung einer neuen Regierung auch nach monatelangem Verhandlungs-Gezerre ohne Einigung abgelaufen war. Nun deutet alles auf eine weitere Neuwahl 2020. Was dann? Der Analyst der konservativen Digital-Zeitung "El Espanyol", Angel Fermoselle, und der linke Íñigo Errejón von der Newcomerpartei Más País sind sich erstaunlich einig: Dann müssen neue Parteiführer her.

Das mag nötig sein, denn Spanien steht vor vielen Problemen: Allen voran der Unabhängigkeitskonflikt in Katalonien, zudem droht bei anhaltend hoher Arbeitslosigkeit (der zweithöchsten in der EU) eine Konjunkturabschwächung. Und da sind ja auch noch die aufstrebenden Rechtspopulisten. "Spanien darf keine Zeit mehr verlieren!", forderte die Zeitung "ABC" am Sonntag.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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