Hisbollah-Chef Nasrallah ist tot Er hat seine Nachfolge offenbar schon geregelt
Er führte 30 Jahre lang die Terrororganisation Hisbollah. In dieser Zeit machte sich Hassan Nasrallah weit über den Nahen Osten hinaus viele Feinde. Jetzt ist er tot.
Hassan Nasrallahs ermüdende Reden waren berüchtigt. Der Chef der libanesischen Hisbollah-Terroristen hielt oft stundenlange Ansprachen. Dabei trug er stets ein traditionelles schiitisches Gewand und einen schwarzen Turban. Als treuer Verbündeter Teherans übernahm der Politiker und Kleriker mit Anfang 30 das Amt als Chef der islamistischen "Partei Gottes".
Embed
Im Schatten der Wirtschaftskrise und militärischer Konflikte mit dem Nachbarland und Erzfeind Israel baute Nasrallah den politischen Einfluss der Hisbollah im multireligiösen Libanon stetig aus. Am Freitag hat die israelische Armee Nasrallah bei einem Angriff in einem Beiruter Vorort getötet. Er wurde 64 Jahre alt und war Vater von vier Kindern.
Flucht, Studium und Aufstieg zum Generalsekretär
Nasrallah wurde 1960 in einer armen Gegend im Osten der libanesischen Hauptstadt Beirut geboren. Mit Beginn des Bürgerkriegs im Libanon floh seine Familie in den Süden des Landes. Im Jahr 1976 brach er für religiöse Studien in die irakische Schiitenhochburg Nadschaf auf. Nasrallah wurde jedoch nur zwei Jahre später wegen seiner oppositionellen Tätigkeiten von der säkularen Baath-Partei unter dem damaligen Machthaber Saddam Hussein ausgewiesen.
Mit der israelischen Invasion im Libanon entstand 1982 die Hisbollah, der sich Nasrallah anschloss. Unterstützt wurde die Terrorgruppe sowohl politisch als auch militärisch vom Iran. Der Bürgerkrieg, der den Libanon bis heute prägt, dauerte bis Anfang der 1990er-Jahre. Verheerende Anschläge sowie Entführungen während der Zeit gehen auf das Konto der Hisbollah. Nach dem Tod von Anführer Abbas al-Mussawi, den Israel 1992 ermordete, wurde er zum Generalsekretär der Organisation gewählt.
Die Hisbollah gewinnt politischen Einfluss im Libanon
Seit der ersten Wahl nach Ende des Bürgerkriegs 1992 ist die Hisbollah auch als Partei im libanesischen Parlament vertreten, sie betreibt auch karitative Einrichtungen. Dem militärischen Arm gehören nach Schätzungen Zehntausende Kämpfer. Dieser wird von der Europäischen Union als Terrororganisation eingestuft, in Deutschland gilt seit 2020 ein Betätigungsverbot für die gesamte Hisbollah.
Öffentlich setzte sich Nasrallah vor allem gegen die Marginalisierung der Schiiten ein. Seine Anhänger im Nahen Osten sahen den einflussreichen Generalsekretär als spirituellen und politischen Mentor. Bei den jüngsten kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem Erzfeind Israel wirkte Nasrallah aber zunehmend angeschlagen. Israels Geheimdienstoperationen und Bombardierungen im Libanon versetzten der Organisation schwere Schläge.
Nasrallah sichert seine Stellung
Der fragile Frieden mit dem Nachbarland Israel wurde unter Nasrallah mehrfach gebrochen. 1997 starb sein ältester Sohn bei bewaffneten Kämpfen, der Verlust und das "Märtyrertum" verschafften Nasrallah Respekt innerhalb der Bewegung. Auch ein unter deutscher Vermittlung vollzogener Gefangenentausch mit Israel im Jahr 2004 trug zu seinem Ansehen bei. Im Libanonkrieg 2006 offenbarte die Hisbollah mit gewaltigen Raketenangriffen schließlich ihre iranische Unterstützung.
Danach kontrollierte die Hisbollah unter Nasrallah jahrelang große Teile im Süden des Libanons, in der Bekaa-Ebene im Nordosten sowie Vororte der Hauptstadt Beirut. An der Grenze zu Israel observierte die UN-Beobachtermission Unifil die Lage.
Solidarität mit der Hamas
Nach dem Terrorüberfall der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres unterstützte die Hisbollah die Terrororganisation aus dem Gazastreifen nach eigenen Angaben aus humanitären und religiösen Gründen. Als Folge des Beschusses aus dem Libanon mussten mehr als 60.000 Israelis aus dem Grenzgebiet flüchten. Israel gab zuletzt die Rückkehr dieser Menschen als Kriegsziel aus.
Mitte September startete Israels Armee nach Monaten des gegenseitigen Beschusses eine Bombenkampagne im Libanon, bei der Hunderte Menschen getötet wurden, auch viele hochrangige Kommandeure der Schiitenmiliz. Ziel Israels war, die Hisbollah personell und militärisch zu schwächen und eine Rückkehr der Bürger nach Nordisrael zu ebnen.
Zustimmung im Libanon für Hisbollah angeschlagen
Nasrallah schmiedete in seiner Amtszeit Bündnisse mit Politikern verschiedener Lager, darunter auch mit dem ehemaligen christlichen Präsidenten Michel Aoun, um seinen Einfluss auszubauen. Lange Zeit genoss er in der schiitischen und arabischen Welt teils hohes Ansehen, seine Popularität sank jedoch im Zuge militärischer Konflikte. Viele Libanesen waren etwa entsetzt über die Anschuldigungen, die Hisbollah unter Nasrallah habe den ehemaligen Hoffnungsträger und Premierminister Rafik Hariri getötet.
Ob sich am Kräftegewicht des von Dauerkrisen geplagten Landes durch Nasrallahs Tod etwas ändert, sehen Beobachter skeptisch. Ein libanesischer General im Ruhestand ging vor einiger Zeit davon aus, dass die Hisbollah ihren Kurs unverändert fortsetzen wird. "Nasrallah hat sich immer wieder bedroht gefühlt." Er habe bereits entschieden, "wer ihn im schlimmsten Fall ersetzen soll", so der General.
- Nachrichtenagentur dpa