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Britische Unterhauswahl: Tories droht historisches Aus


Großbritannien vor der Wahl
Er kann gar nicht mehr verlieren


Aktualisiert am 04.07.2024Lesedauer: 4 Min.
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Keir Starmer: Der Labour-Chef dürfte neuer Premierminister Großbritanniens werden. (Quelle: Phil Noble/reuters)

Die konservativen Tories könnten bei der heutigen Unterhauswahl ein historisch schlechtes Ergebnis einfahren. Wie konnte es so weit kommen?

Rishi Sunak wollte sich kämpferisch geben. "Es ist erst vorbei, wenn es vorbei ist", schrieb der britische Premierminister am Wochenende auf der Plattform X. Versehen wurde der Post mit einem jubelnden Bild des Regierungschefs, nachdem die englische Fußballnationalmannschaft wenige Minuten zuvor mit zwei Toren eine verloren geglaubte Partie bei der Europameisterschaft drehen konnte.

Viel spricht allerdings nicht dafür, dass Sunak und seine konservativen Tories am heutigen Donnerstag ein ähnliches Kunststück vollbringen können: Tatsächlich spricht Sunak nicht mehr von einem eigenen Sieg, sondern nur davon, eine "Supermehrheit" der Konkurrenz zu verhindern. Denn bei der Wahl für das britische Unterhaus sagen nahezu alle Umfragen der regierenden Partei eine historische Niederlage voraus. Doch wie läuft die Wahl genau ab und welche Parteien könnten stattdessen triumphieren? t-online gibt einen Überblick über die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wie ist die Ausgangslage vor der Wahl?

Die Kräfteverhältnisse sind bei den beiden größten Parteien seit mehr als zwei Jahren zementiert. Die konservativen Tories von Sunak, die aktuell die britische Regierung stellen, liegen seit November 2021 in allen Umfragen hinter der sozialdemokratischen Labour-Partei. Kurz bevor Sunak im Oktober 2022 Liz Truss als Regierungschef ablöste, lag der Rückstand auf Labour bei etwa 30 Prozentpunkten. Laut einer kurz vor der Wahl veröffentlichten Yougov-Umfrage würde Labour aktuell auf 39 Prozent der Stimmen kommen, die Tories kommen trotz eines zum Teil von haarsträubenden Fehlern geprägten Wahlkampfs auf 22 Prozent.

Auf Rang drei liegt seit einigen Monaten die Rechtsaußenpartei Reform UK des Brexit-Hardliners Nigel Farage mit aktuell 15 Prozent. Der 60-Jährige hatte sich 2021 aus der aktiven Politik zurückgezogen, hatte aber Anfang Juni überraschend angekündigt, erneut für das Parlament zu kandidieren. Verschiedene Umfragen sahen seine Partei zwischenzeitlich bereits vor den Tories auf Rang zwei. Dahinter liegen die britischen Liberalen mit rund 12 Prozent.

Wie läuft die Wahl genau ab?

Jeder Wähler hat in den Ländern England, Schottland, Nordirland und Wales genau eine Stimme, mit der der Abgeordnete für den eigenen Wahlkreis gewählt wird. Derjenige mit den meisten Stimmen zieht nach dem Prinzip "The Winner takes it all" in das Parlament ein. Eine absolute Mehrheit ist nicht notwendig.

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Da dadurch die Stimmen für die unterlegenen Kandidaten "verfallen", sind die national erhobenen Umfragen nur bedingt aussagekräftig, um am Ende die korrekte Verteilung der Sitze jeder Partei im Unterhaus zu ermitteln. Berechnungen von Yougov gehen etwa davon aus, dass Labour aktuell bei rund 39 Prozent Zustimmung zwischen 391 und 466 der insgesamt 650 Mandate erringen könnte, was in jedem Fall eine absolute Mehrheit bedeuten würde. Die Konservativen können laut den Berechnungen mit 78 bis 129 Sitzen rechnen, wodurch sie ihr Ergebnis mehr als halbieren dürften.

Mehr Sitze als die Reform UK könnten aktuell die Liberalen erringen: Sie könnten mit bis zu 87 Abgeordneten in London einziehen, während die Rechtspopulisten von Farage laut Yougov mit maximal 14 Mandaten rechnen könnten. Im Extremfall ist es laut den Berechnungen aber auch möglich, dass die Partei den Einzug komplett verpasst.

Was würde sich mit einer Labour-Regierung ändern?

Anders als sein Vorgänger Jeremy Corbyn hat Parteichef Keir Starmer Labour wieder vom linken Rand in die Mitte gerückt. Der gelernte Jurist und Staatsanwalt gilt als Pragmatiker und ist weniger für sein Charisma oder seine großen Reden bekannt. Der 61-Jährige ist zudem noch immer recht neu in der Politik: Erst vor neun Jahren zog er erstmals ins britische Unterhaus ein.

Im Wahlkampf warb Starmer für eine Rückkehr zur Seriosität in der britischen Politik, versprach ein langfristiges Wirtschaftswachstum und präsentierte sich vor allem als Diener des Landes. "Erst das Land, dann die Politik", betonte er immer wieder. Im Endspurt seines Wahlkampfs warb er noch einmal um Unterstützung für seine Partei: "Wenn Sie Veränderungen wollen, müssen Sie dafür stimmen", sagte Starmer am Mittwoch. Allzu konkrete Forderungen vermied er allerdings. Kritiker werfen ihm vor, keine größeren politischen Ideen zu verfolgen. Zudem gilt er auch als wankelmütig.

Aufgrund der zahlreichen Fehltritte der derzeitigen Regierungspartei hatte Starmer zuletzt allerdings auch Rückenwind aus der Medienwelt erhalten. Erst am Mittwoch gab mit der "Sun" auch die größte britische Boulevardzeitung eine Wahlempfehlung für seine Partei ab, wie zuvor bereits die konservativen Blätter "Financial Times", "Economist" und "Sunday Times".

Wie geht es für die Tories weiter?

Das Wahldebakel hatte sich für die Partei bereits seit vielen Monaten abgezeichnet. Viele Abgeordnete hatten daher bereits in den vergangenen Monaten mitgeteilt, bei der Wahl überhaupt nicht mehr antreten zu wollen. Tatsächlich ist die Lage so prekär, dass viele Minister inklusive Sunak ihren Wahlkreis verlieren könnten. Der aktuelle Premier könnte dadurch zum ersten amtierenden Regierungschef werden, der in seinem Wahlkreis abgewählt wird. Wer die führenden Köpfe zukünftig sein werden, dürfte also erst einmal vom Einzug ins Parlament abhängen.

Noch-Premier Sunak ließ zuletzt offen, ob er nach der Niederlage umgehend den Posten des Parteichefs abgeben wird. Mögliche Anwärter auf den Posten gibt es dagegen schon einige: Für den rechten Flügel der Partei werden immer wieder Ex-Innenministerin Suella Braverman und Wirtschaftsministerin Kemi Badenoch genannt. Vom moderaten Flügel gilt Ex-Verteidigungsministerin Penny Mordaunt als aussichtsreiche Kandidatin. Viele Spekulationen gibt es zudem immer wieder über eine Rückkehr von Boris Johnson. Kurzfristig dürfte sein Comeback aber nicht anstehen, da Johnson bei dieser Wahl überhaupt nicht angetreten ist.

Wahrscheinlich ist, dass sich bei den Konservativen nach der Wahl ein Richtungsstreit entwickeln könnte. Die Frage, wie weit die Partei noch nach rechts rutschen kann, ist durch das Erstarken von Reform UK am rechten Rand präsenter denn je.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters
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