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Ständig das Gefühl zu schwanken: Schwindel-Formen und Ursachen


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Schwindel
Wenn die Welt aus dem Gleichgewicht gerät


Aktualisiert am 19.12.2024Lesedauer: 7 Min.
Eine Frau stützt ihren Kopf mit ihren Händen: Schwindelgefühl kann viele Ursachen haben. Auch ernste Krankheiten können dahinterstecken.Vergrößern des Bildes
Eine Frau stützt ihren Kopf mit ihren Händen: Schwindelgefühl kann viele Ursachen haben. Auch ernste Krankheiten können dahinterstecken. (Quelle: Pornpak Khunatorn/getty-images-bilder)
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Manchmal fühlt es sich an, als stünde man auf einem schwankenden Schiff. Oder alles dreht sich plötzlich. Schwindel ist ein beunruhigendes Gefühl und hat viele Gesichter. Jeder sechste Deutsche lässt sich deswegen ärztlich behandeln. Je höher das Alter, desto wahrscheinlicher werden die Beschwerden.

Was hinter Schwindelgefühl stecken kann, welche Formen und Behandlungsmöglichkeiten es gibt, erklärt Professor Frank Schmäl vom im Gespräch mit t-online.

Definition: Was ist eigentlich Schwindel?

Zunächst einmal ist Schwindel (Vertigo) ein Symptom, keine Krankheit. Es kann viele Ursachen haben, tritt in unterschiedlichen Formen auf. Medizinisch gesehen handelt es sich bei Schwindel um "eine Missempfindung bei der räumlichen Orientierung des Patienten in seiner ihn umgebenden Umwelt", erklärt Schmäl.

"Entweder hat der Patient das Gefühl, er bewegt sich unnatürlich gegenüber seiner Umgebung oder er hat das Gefühl, dass sich die Umgebung unnatürlich um ihn herum bewegt."

Sinneskonflikt führt zu Schwindel

Doch wie kommt es zu dieser Missempfindung? "Bei einigen Schwindelarten ist es so, dass die Informationen, die das Gehirn von Auge, Gleichgewichtsorgan und Körper erhält, nicht übereinstimmen. So kommt es zu einem Sinneskonflikt", sagt Schmäl.

Der Facharzt für HNO erläutert dies am Beispiel der Reisekrankheit: Während einer Autofahrt liest ein Mitfahrer auf dem Beifahrersitz eine Zeitung. Das Gleichgewichtsorgan nimmt wahr, dass der Wagen beschleunigt, abbremst und Kurven fährt und meldet die Bewegungen an das Gehirn. Das Auge dagegen sieht aber nur das statische Zeitungsbild. Die Informationen von Auge und Gleichgewichtssystem passen in diesem Fall also nicht zusammen. Der Gleichgewichtssinn ist gestört. Das Gehirn reagiert auf die widersprüchlichen Informationen, indem es ein Schwindelgefühl verursacht. Hinzu kommen häufig Unwohlsein, Übelkeit und sogar Erbrechen.

Das Gleichgewichtssystem (vestibuläres System) umfasst das Gleichgewichtsorgan im Innenohr und steht über die Nervenbahnen in direktem Kontakt mit dem Gehirn. Es gibt an, in welche Richtungen wir uns bewegen. Seine Informationen zur Orientierung im Raum werden ergänzt von den Meldungen der Augen und des Tastsinns. Das Gehirn als Schaltzentrale verarbeitet die unterschiedlichen Informationen und setzt sie so um, dass wir uns im Raum orientieren können.

"Ein anderer Fall liegt bei Patienten vor, die das Gefühl haben, ständig zu schwanken", sagt Schmäl. Viele Betroffene seien schon bei mehreren Ärzten gewesen, ohne dass eine organische Ursache festgestellt werden konnte. Ihr Problem liege oft darin, dass sie sich meist nach oder während einer organischen Schwindelerkrankung stark auf ihr Gleichgewicht und ihren Körper konzentrierten.

"So nehmen sie Körperschwankungen wahr, die wir alle haben, nur dass die meisten darauf nicht achten". Bei diesem nicht organischen Schwindelphänomen liege die Ursache nicht in einem Sinneskonflikt, sondern in der zu starken Fokussierung der Betroffenen auf die eigene Körperwahrnehmung.

Diese Arten von Schwindel gibt es

Schwindel hat viele Gesichter. Er kann in Form einer Schwindelattacke in bestimmten Situationen anfallsartig einsetzen oder dauerhaft bestehen, "Die häufigsten Schwindelformen sind Drehschwindel, Schwankschwindel und Benommenheitsgefühl. Darüber hinaus gibt es noch Liftschwindel und Schwarzwerden vor den Augen im Sinne eines Kreislaufschwindels", sagt Schmäl.

Schwindelarten und wie sie sich äußern:

  • Drehschwindel: Diese Schwindelform tritt häufig nach dem Aufstehen auf. Die Betroffenen haben das Gefühl, dass sich alles um sie herum dreht. Begleitsymptome können Übelkeit und Erbrechen sein. Der Lagerungsschwindel stellt eine Variante des Drehschwindels dar. Die Schwindelattacken treten durch Lageänderungen des Kopfes auf. Ein Grund für Lagerungsschwindel sind meist kleine, bewegliche Ohrsteine, die sich in den Bogengängen des Innenohrs ablagern.
  • Schwankschwindel: Die Wahrnehmungsstörung äußert sich in dem Gefühl, dass sich der Boden unter den Füßen bewegt oder weggerissen wird.
  • Liftschwindel: Beim Liftschwindel fühlt sich der Betroffene, wie in einem Aufzug hoch- oder runtergezogen, eventuell begleitet von einem Fallgefühl.
  • Benommenheitsschwindel: Wer unter dieser Schwindelform leidet fühlt sich oft benommen, unsicher und taumelig. Häufig stecken innere Krankheiten oder Nervenstörungen dahinter. Neben einer Fallneigung und Benommenheit kann ein Gefühl der Ohnmacht dazukommen.

Viele Arten von Schwindel geben Hinweise auf eine mögliche Ursache. Allerdings geht nicht jede Krankheit mit nur einer typischen Schwindelform einher. Daher können sich die Symptome überschneiden und individuell unterschiedlich sein.

Welche Symptome gehen mit Schwindel einher?

Schwindel als Symptom tritt oft nicht allein auf, sondern wird von weiteren Beschwerden begleitet. "Häufige Begleitsymptome sind Übelkeit, teilweise Erbrechen sowie Gleichgewichtsstörungen bis hin zur Fallneigung", sagt Schmäl. Je nach Ursache der Erkrankung könnten aber auch Ohrgeräusche und eine Hörminderung (beides bei Morbus Menière), Kopfschmerzen (bei der vestibulären Migräne), Schweißausbrüche, Herzklopfen und Angst zeitgleich vorkommen.

Das Phänomen, dass Schwindelgefühl in Kombination mit Übelkeit und Erbrechen auftritt, ist vielen bekannt von der Reisekrankheit. Warum das so ist, erklärt der Experte folgendermaßen: "Das Gleichgewichtszentrum und das Brechzentrum sind eng miteinander verknüpft." Warum das so ist, ist wissenschaftlich noch nicht ausreichend geklärt. Daher wirkten Mittel gegen Erbrechen meist auch bei Schwindel und umgekehrt.

Häufigkeit: Altersschwindel ist weit verbreitet

Schwindel und Gleichgewichtsstörungen gehören neben Kopf- und Rückenschmerzen zu den häufigsten Beschwerden, die Patienten in die Arztpraxen führen. So klagt etwa jeder sechste Patient über Schwindel. Bei den über 65-Jährigen liegt der Anteil bereits bei über 30 Prozent.

"Die Zahl der Schwindelpatienten hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen", sagt Schmäl. Vor allem ältere Patienten klagten immer häufiger über Gleichgewichtsstörungen und fühlten sich "wackelig auf den Beinen". Das habe zum einen damit zu tun, dass die Lebenserwartung gestiegen sei, zum anderen aber auch, dass viele Menschen noch im hohen Alter aktiver seien (Sport, Reisen) und dabei Angst hätten, wegen ihrer Gleichgewichtsprobleme zu stürzen oder sich zu verletzen.

Oft sind es mehrere Gründe, die hier zusammenkommen: Nebenwirkungen von Medikamenten, Missempfindungen in den Beinen in Folge einer Polyneuropathie, Kreislaufprobleme oder Durchblutungsstörungen im Kopf.

Wann zum Arzt mit Schwindel?

Nicht jeder Schwindel ist harmlos und vergeht von selbst. Da auch ernste Erkrankungen zugrunde liegen können, ist in diesen Fällen eine ärztliche Abklärung wichtig. "Wenn ein Patient plötzlich akuten, starken Schwindel hat oder über längere Zeit ein Unsicherheitsgefühl hat, sollte er immer einen Arzt aufsuchen", rät Schmäl. Insbesondere bei älteren Menschen könnten akute Schwindelanfälle auch ein Hinweis auf einen Schlaganfall im Kleinhirn sein, bei dem jede Minute zählt.

Schwindelambulanzen: Hilfe von Spezialisten

Die Ursachen des Schwindels herauszufinden, ist nicht immer einfach. Daher leiden Patienten oft jahrelang unter unklaren Symptomen, suchen mehrere Ärzte auf, ohne dass die Auslöser geklärt werden können.

Wenn nicht klar ist, woher das Schwindelgefühl kommt, ist eine umfassende und zielführende Diagnostik wichtig. Schwindelambulanzen können das leisten und haben schon vielen Patienten geholfen, ihre Beschwerden endlich wieder loszuwerden. "In den letzten Jahrzehnten hat sich die Diagnostik stark weiterentwickelt und es sind seltene Schwindelerkrankungen entdeckt worden. "Daher ist der Hausarzt häufig überfordert", sagt Schmäl, der selbst eine Schwindelambulanz leitet. Er hat mehr als 25 Jahre Erfahrung in der Forschung und Behandlung von Schwindel und Gleichgewichtsstörungen und selbst jährlich etwa 3.000 Patienten mit Schwindel behandelt.

Sein Resümee: "Eine frühzeitige, richtige Diagnose erspart dem Patienten einen unnötig langen Leidensweg und auch den Krankenkassen unnötige Kosten durch überflüssige Untersuchungen." So bringe ein kostenaufwendiges MRT der Halswirbelsäule bei Schwindel keine Erkenntnisse in Bezug auf die Schwindelursache, werde aber dennoch von vielen Ärzten bei Patienten mit Schwindel durchgeführt.

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Diagnose: Arzt stellt vier Kardinalfragen

Um herauszufinden, welche Art von Schwindel vorliegt und wodurch er ausgelöst wird, sind mehrere diagnostische Schritte notwendig. Dabei ist es möglich, dass mehrere Fachbereiche wie zum Beispiel HNO-Heilkunde, innere Medizin, Augenheilkunde, Orthopädie und Neurologie hinzugezogen werden müssen.

"Besonders wichtig ist erst einmal das Gespräch", sagt Schmäl. Es helfe dem Arzt, Hinweise auf eine Verdachtsdiagnose zu erhalten. "Hilfreich sind hier vier Kardinalfragen: die Art des Schwindels, die Dauer, auslösende Faktoren und Begleitsymptome."

Bei älteren Patienten sei die Analyse der Medikamente sinnvoll, da Schwindel oft als Nebenwirkung von Medikamenten auftrete. Anschließend erfolge eine Analyse der Augen und die sogenannte Lagerungsprüfung. Diese dient dazu, die häufigsten Ursache von Schwindel, den Lagerungsschwindel, zu erkennen.

Danach prüft der Arzt in der Regel, ob die Sensoren und Nerven des Gleichgewichtsorgans auf beiden Seiten funktionieren. Bildgebende Verfahren wie eine Magnetresonanztomographie (MRT) des Kopfes oder des Gleichgewichtsorgans (Felsenbein-CT) können bei bestimmten Verdachtsdiagnosen notwendig sein.

"Besteht ein Verdacht auf einen Kreislaufschwindel, sollten eine Langzeitblutdruckmessung und ein Schellong-Test erfolgen." Bei diesem handelt es sich um eine Analyse von Puls- und Blutdruckveränderung nach schnellem Aufstehen aus zehnminütiger Liegendposition. Gebe es dagegen Hinweise auf eine Gangstörung durch Polyneuropathie, sollten die Nervenleitgeschwindigkeit beim Neurologen gemessen werden.

Ursachen: Woher kann Schwindel kommen?

Schwindelsymptome können harmlos und vorübergehend sein, aber auch auf ernste Erkrankungen hinweisen. Neben neurologischen Störungen, Ohren-Erkrankungen oder Herz-Kreislauf-Leiden sind auch psychische Erkrankungen wie Angststörungen denkbar. Plötzlich einsetzende, häufige oder anhaltende Schwindelanfälle sollten daher unbedingt von einem Arzt abgeklärt werden.

Behandlung: Therapie hängt von Ursache ab

"Schwindel ist ein Symptom, das viele Ursachen hat. So vielfältig wie die Ursachen sind auch die Therapien", sagt Schmäl. Liege zum Beispiel ein Ausfall eines Gleichgewichtsnervs vor, so werde unter anderem eine Behandlung mit Kortison empfohlen.

Bei anderen Formen des vestibulären Schwindels sieht die Therapie anders aus. Beim sogenannten gutartigen Lagerungsschwindel, bei dem lose Kristalle (Otolithen) im Gleichgewichtsorgan des Ohrs die Sensoren stören, haben sich laut Schmäl "verschiedene Befreiungsmanöver" bewährt. Durch eine festgelegte Bewegungsabfolge in Sitz- und Liegeposition werden die Kristalle so verschoben, dass sie von der falschen Stelle wieder wegbewegt werden und dann keinen Schwindel mehr auslösen.

Bei einer beidseitigen Funktionsstörung des Gleichgewichtsorgans spricht man von einer bilateralen Vestibulopathie, die sich in bewegungsabhängigem Schwankschwindel mit Sehstörungen bei Bewegungen äußert. Hier muss ein intensives Training des Gleichgewichtssystems erfolgen, um die Störung auszugleichen, sagt Schmäl. Im Fall von kreislaufbedingtem Schwindel bei niedrigem Blutdruck zeige Ausdauersport meist gute Wirkung.

Im Falle eines sogenannten Morbus Menière, einer Abflussstörung der Innenohrflüssigkeit mit stundenlangen Drehschwindelanfällen, Tinnitus, Hörminderung und Erbrechen, komme eine medikamentöse Therapie – oral und/oder mit Injektionen ins Mittelohr – in Betracht. Bei vestibulärer Migräne empfiehlt Schmäl Verhaltensmaßnahmen und eine medikamentöse Behandlung.

Bei einer zentral vestibulären Störung, bei der Bereiche des Hirnstammes und/oder des Kleinhirns infolge einer neurologischen Erkrankung geschädigt sind, ist die Therapie häufig schwierig und beinhaltet auf jeden Fall ein längerfristiges Gleichgewichtstraining.

Gleichgewichtstraining: Den Schwindel wegtrainieren

Die Behandlung von Schwindel kann durch ein begleitendes Gleichgewichtstraining unterstützt werden. "Ein Training des Gleichgewichtssystem wird in der Regel bei drei Ursachen empfohlen: einseitige oder beidseitige Störung des Gleichgewichtsorgans und zentral vestibulären Störungen", sagt Schmäl.

Wie ein solches Training aussehen kann, zeigt das folgende Video:

Empfohlener externer Inhalt
Youtube

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Bei den Übungen kommt es vor allem auf zwei Dinge an: die Blickfeldstabilisierung (Augengegenlenkung bei Kopf- und Körperbewegungen) und die Aufrechterhaltung des Körpergleichgewichts. "Diese beiden Hauptfunktionen sollten durch Fixationsübungen bei Kopf- und Körperbewegungen und durch Balanceübungen trainiert werden", sagt Schmäl. Der Trainingseffekt sei abhängig vom Umfang der Störung und vom Alter des Patienten.

Die häufige Gangunsicherheit im Alter hat meist mehrere Ursachen (multifaktoriell): Probleme mit dem Kreislauf, Nebenwirkungen von Medikamenten, Durchblutungsstörungen im Kopf, altersbedingte Schrumpfung des Gehirns und Störungen des Bewegungsapparates. Gerade bei diesen älteren Patienten ist es sinnvoll, sich durch das Training zu stabilisieren'", sagt Schmäl. Zusätzlich könne ein Training der Beinmuskulatur, zum Beispiel auf dem Trimmfahrrad, Stürzen vorbeugen.

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