Ein rätselhafter Patient Schluckauf ohne Ende
Nur vermeintlich harmlos: Weil ein 35-jähriger Mann seinen Schluckauf nicht wieder loswird, macht er sich Sorgen. Zu Recht, wie die Kernspinbilder von seinem Kopf zeigen.
Schluckauf kann stören, wehtun und vor allem nerven. Vermutlich deshalb kursieren so viele Tricks, die Abhilfe schaffen sollen: auf einem Bein hüpfen etwa, die Luft anhalten oder Wasser kopfüber trinken. Aber wie sehr man sich auch anstrengt: Am Ende verschwindet der Schluckauf von allein wieder - normalerweise.
Bei einem 35-Jährigen in den USA ist das anders: Der Mann hat seit fünf Tagen Schluckauf. Nichts hilft dagegen, selbst in der Nacht erschüttern die starken Kontraktionen des Zwerchfells seinen Körper. Ganz neu ist das für den Mann nicht: Schon zweimal war er wegen seines Schluckaufs innerhalb der vergangenen vier Wochen in der Notaufnahme vom Long Island Jewish Medical Center in New York. Der Arzt dort hatte ihm das Medikament Chlorpromazin gegeben, das im zentralen Nervensystem wirkt. Eine Linderung hatte der Mann durch das Neuroleptikum aber nicht erfahren.
Als der Patient sich jetzt erneut vorstellt und neben seinem Schluckauf auf von Übelkeit und Erbrechen berichtet, ist dem Internisten Mark Goldin klar, dass die Ursache für die Beschwerden unbedingt abgeklärt werden muss. In "BMJ Case Reports" berichtet er gemeinsam mit einem Kollegen von dem rätselhaften Patienten.
Harmloser Schluckauf oder gefährliche Krankheit?
Ärzte unterscheiden bei Schluckauf zwischen der akuten und der chronischen Form: Der akute Singultus wird durch Rauchen, Alkohol, bestimmte Nahrungsmittel oder Aufregung ausgelöst und ist nach spätestens 48 Stunden vorüber. Alles, was länger dauert, bezeichnen Ärzte als chronisch.
Das Symptom Schluckauf ist dann nicht selten Zeichen für eine schwerwiegende Erkrankung: Tumore oder Entzündungen in der Speiseröhre können ebenso zugrunde liege wie Elektrolyt-oder Hormon-Störungen. Auch schwere Infektionen, Schädel-Hirn-Verletzungen oder ein Schlaganfall können Schluckauf auslösen.
Der Patient berichtet auf Nachfrage, dass er Sensibilitätsstörungen im linken Arm habe. Er vermutet aber, dass diese mit dem Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule zusammenhänge, der bei ihm diagnostiziert worden sei. Bei der Untersuchung stellt der Arzt fest, dass der Mann am linken Oberarm tatsächlich weniger spürt als am rechten.
Schwanken ohne Gleichgewicht
Auch die weiteren neurologischen Tests sind auffällig: Der Arzt bittet den Patienten, die Augen zu schließen, beide Arme nach vorn zu strecken und diese in der Luft zu halten. Das gelingt dem Mann aber nicht. Stattdessen dreht sich sein linker Arm langsam nach innen, ohne dass er etwas davon bemerkt. Beim Versuch, mit geschlossenen Augen seinen Zeigefinger in großem Bogen zur Nasenspitze zu führen, liegt der Patient ebenfalls mit dem linken Zeigefinger oft daneben. Auch geradeaus durch einen Raum gehen kann er nicht, weil er sein Gleichgewicht verliert.
Die Bewegungsstörungen beunruhigen den Arzt, weil sie für einen Prozess im Zentralen Nervensystem (ZNS), das aus dem Gehirn und dem Rückenmark besteht, sprechen. Er lässt umgehend Computertomografie- und Kernspinbilder vom Kopf und Hals des Mannes anfertigen. Darauf lässt sich eine große Gewebemasse erkennen, die dort nicht hingehört. Die Struktur zieht sich vom vierten Hirnventrikel auf Höhe des Kleinhirns bis ins Rückenmark auf Höhe des 7. Halswirbels. Die Struktur erscheint unregelmäßig geformt mit mehreren Hohlräumen.
Anhand der Bilder können die Radiologen nicht abschließend entscheiden, worum es sich bei der Gewebemasse handelt - und wie gefährlich sie ist. Da sie aber immer mehr Symptome auslöst, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie wächst. Dennoch entscheidet sich der Mann, zunächst in den direkt bevorstehenden Urlaub zu fahren. Währenddessen verschleiert sich in seine Sicht zunehmend, er bekommt Schluckstörungen und schwitzt nachts stark.
Als er zurückkehrt, stimmt er einer Operation zu. Die Neurochirurgen entfernen bei dem Eingriff einen orangefarbenen Tumor, den sie sofort von Gewebespezialisten untersuchen lassen. Darin erkennen diese zahlreiche Blutgefäße und spezielle Zellen, die für ein sogenanntes Hämangioblastom sprechen. Dabei handelt es sich um einen gutartigen Tumor, der meist im Zentralnervensystem wächst und nach der chirurgischen Entfernung nur in seltenen Fällen wiederkommt.
Der Eingriff verläuft ohne Komplikationen. Schon am ersten Tag nach der Operation kann der Mann wieder laufen, drei weitere Tage später darf er wieder nach Hause gehen. Bei der Kontrolluntersuchung drei Monate später geht es ihm gut, auch auf den Kernspinbildern ist kein neues Wachstum des Tumors erkennbar.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.