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Nachts im Körper: Hormone steuern unsere innere Uhr – und unseren Alltag


Schlaf, Stress, Hunger
Das passiert wirklich über Nacht im Körper

MeinungEine Kolumne von Dr. med. Yael Adler

22.02.2025 - 09:26 UhrLesedauer: 4 Min.
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Schlaf: Hormonpegel steigen und sinken im Laufe der Nacht, sie bestimmen unsere innere Uhr. (Quelle: IMAGO/imago)
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Menschen orientieren sich seit Millionen von Jahren an einem biologischen 24-Stunden-Rhythmus. Licht und Hormone spielen eine entscheidende Rolle.

Wir alle sind Uhr-Menschen. In unserem Zwischenhirn gibt es nämlich einen kleinen, aber mächtigen Bereich im Hypothalamus: den Nucleus suprachiasmaticus. Dieser winzige Kern ist verantwortlich für unsere innere Uhr und spielt eine zentrale Rolle in unserem 24-Stunden-Rhythmus, der gebieterisch unsere biologischen Prozesse steuert.

Yael Adler
(Quelle: Markus Höhn)

Zur Person

Dr. med. Yael Adler ist Fachärztin für Dermatologie, Venerologie, Phlebologie und Ernährungsmedizin (DGEM). Ihr Talent, komplexe medizinische Sachverhalte anschaulich und unterhaltsam zu vermitteln, stellt sie seit Jahren in Vorträgen, Veranstaltungsmoderationen und den Medien unter Beweis. Ihre Bücher "Haut nah" und "Darüber spricht man nicht" standen auf Platz 1 der "Spiegel"-Bestsellerliste. Mit ihrem letzten Buch "Genial vital! – Wer seinen Körper kennt, bleibt länger jung" durfte sich die leidenschaftliche Ärztin erneut über diese Spitzenplatzierung freuen.

Wichtigster äußerer Taktgeber für diesen Rhythmus ist der Wechsel zwischen Tag und Nacht. Er läuft seit über vier Milliarden Jahren ab, und viele unserer Körperfunktionen sind diesem Rhythmus untergeordnet. Dazu gehört die Ausschüttung aller Hormone, die zeitlich gepulst sind. So werden etwa Sexualhormone zur Fortpflanzung, Stresshormone zur Bewältigung von Herausforderungen und Hormone zur Regulation unseres Energiehaushalts und Nahrungstriebs ebendiesem Rhythmus entsprechend freigesetzt.

Ein Zeitgeber für unseren Körper

Die Netzhaut in unseren Augen nimmt Lichtreize auf und leitet diese Informationen über spezialisierte Nervenzellen an den Nucleus suprachiasmaticus weiter. Dieser Kern wiederum ist mit der Zirbeldrüse, auch als Epiphyse oder das "dritte Auge" bekannt, verbunden. In der Zirbeldrüse wird bei Dunkelheit das Hormon Melatonin produziert. Licht unterdrückt die Melatoninproduktion, sodass dieses Hormon vor allem nachts freigesetzt wird.

Melatonin ist ein bedeutender Zeitgeber für unseren Körper: die Dunkelheitsinformation, die durch Melatonin vermittelt wird, erreicht jede Zelle und wird über spezifische Rezeptoren aufgenommen. Melatonin kann Gene aktivieren und so auf verschiedene Organe einwirken, es verhilft zur Senkung der Körpertemperatur in der Nacht. Auch die morgendliche Freisetzung von Cortisol und die Insulinausschüttung werden direkt durch Melatonin beeinflusst. Außer Insulin und Glucagon beeinflussen die folgenden Hormone den Stoffwechsel:

Dieses Hormon hat zwei Gesichter

Cortisol, das "Stresshormon", ist wichtig für Flucht und Angriff. Morgens, wenn wir aufwachen, erreicht es seinen Höhepunkt und hilft uns, energiegeladen in den Tag zu starten. Etwas später sinkt der Cortisolspiegel ab, mit einem kleinen Anstieg zur Mittagszeit, bevor er in der Nacht seinen Tiefpunkt erreicht und uns Ruhe gönnt.

Dieses Hormon hat zwei Gesichter. Einerseits sorgt es dafür, dass wir im Actionfall genug Energie haben, indem es Zucker bereitstellt und Proteine aus unseren Muskeln in Zucker umwandelt, der sofort verfügbar ist. Andererseits kann ein ständig hoher Cortisolspiegel problematisch werden. Er wirkt wie ein überaktiver Zuckermeister, der ständig Zucker produziert und den Insulinspiegel hochtreibt. So fördert Cortisol den Aufbau von Zucker in der Leber. Zudem begünstigt es die Speicherung von Fett, dummerweise besonders im Bauchbereich, was zu Entzündungen und Übergewicht führt.

Menschen mit dauerhaft hohem Cortisolspiegel neigen daher eher zur Gewichtszunahme. Durch die ständige Erhöhung des Blutzuckerspiegels zwingt Cortisol die Bauchspeicheldrüse, mehr Insulin abzugeben, was auf Dauer zu Insulinresistenz und Diabetes führen kann. Es fördert die Fettspeicherung, besonders im Bauchbereich, und erhöht unseren Appetit auf kalorienreiche Lebensmittel. Verschiedene Faktoren wie Stress, Schlafmangel und Übergewicht treiben den Cortisolspiegel weiter in die Höhe.

Nächtliche Atemaussetzer führen zu einer Senkung von Sauerstoff in der Nacht und zu einer Art Erstickungszustand, sodass der Körper quasi kurz vor dem Tod aufwacht. Dazu werden Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin ausgeschüttet – dies verhindert das Abnehmen. Übergewicht wiederum verstärkt die Schlafapnoe aufgrund der massigen Weichteile, die auf die Atemwege drücken, und auch, weil die Zunge in den Schlund zurückfällt und diesen blockiert. Ein Teufelskreis!

Cortisol greift auch auf die Proteine in unseren Muskeln zu und verwandelt sie in Zucker. Das ist gerade so, als würde man ein Haus abreißen, um Brennholz zu bekommen – kurzfristig vielleicht hilfreich, langfristig aber schädlich, weil so die Muskeln geschwächt werden.

Das macht doch Appetit

In unserer Magenwand wird der Appetitanreger Ghrelin hergestellt, ein Hormon, das in rhythmischen Abständen, etwa alle sechs Stunden, freigesetzt wird und dem Körper ein Hungergefühl signalisiert. Der Ghrelinspiegel steigt an, wenn die Energiereserven des Körpers schwinden: Man wird hungrig. Nach der Nahrungsaufnahme sinkt der Ghrelinspiegel schnell wieder ab.

Eine Eselsbrücke: Ghrelin erinnert an ”grow“ (wachsen) und sorgt dafür, dass wir essen. Es spielt eine Schlüsselrolle dabei, den Appetit zu steigern und uns zum Essen zu motivieren. Interessanterweise hat sich gezeigt, dass proteinreiche Kost den Ghrelinspiegel eher senkt als fettreiche. Das bedeutet, dass proteinreiche Mahlzeiten das Hungergefühl effektiver unterdrücken und uns länger satt halten können.

Kein Hunger im Schlaf

Im Fettgewebe wird das Appetitzügler-Hormon Leptin gebildet. Es stammt vorwiegend aus den Körperfettzellen und zeigt, dass genügend Energiereserven zur Verfügung stehen. Damit unterdrückt Leptin unseren Hunger. Es hat einen günstigen Einfluss auf die Zuckerverwertung, indem es den Insulinhaushalt regelt. Die höchsten Werte erreicht Leptin in der zweiten Nachthälfte, also nach Mitternacht und vor den frühen Morgenstunden. Dies hilft uns, nachts trotz Hunger nicht aufzuwachen.

Auch Insulin unterliegt einem Tag-Nacht-Rhythmus: In den frühen Morgenstunden sind hohe Insulinwerte zu verzeichnen, und auch die Empfindlichkeit der Zellen ändert sich im Tag-Nacht-Rhythmus. Mittags steht die Empfindlichkeit auf dem Höhepunkt, morgens etwas niedriger und abends am niedrigsten.

Abends wie ein Bettelmann

Um nach chronobiologischen Gesichtspunkten richtig zu essen, sollte man abends auf Kohlenhydrate verzichten, da diese sonst nachts eher zu Fettansatz und Übergewicht führen können. Sie verhindern durch den folgenden Insulinanstieg auch die Ausschüttung von Wachstumshormonen, was nicht nur den Fettabbau, sondern auch den Muskelaufbau in der Nacht steuert. Abends also eher etwas Leichtes oder völliges "Dinnercancelling".

Morgens wie ein Kaiser, mittags wie ein König und abends wie ein Bettelmann … – das haben wir doch alle schon mal irgendwo gehört. Manche Weisheiten altern nicht.

Hören Sie auf Ihre innere Uhr, kommen Sie damit gut durch Nacht und Tag und gesund durch die Zeit!

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • eigene Meinung
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