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HomeGesundheitYael Adler: Gesundheit!

Magenknurren und Blubbern: Was die Geräusche unseres Bauches bedeuten


Blubbern, Knurren und Rauschen
Die Magen-Darm-Symphonie

MeinungEine Kolumne von Dr. med. Yael Adler

25.01.2025 - 11:57 UhrLesedauer: 4 Min.
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Es rumort: Unser Verdauungstrakt macht zuweilen Geräusche. (Quelle: IMAGO/La Nacion/imago)
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Geräusche, die unser Körper erzeugt, sind nicht nur peinlich, sondern oft auch störend und unangenehm. Doch sie haben tiefere Funktionen und können manchmal sogar lebensrettend sein.

Fast jeder kennt diesen Moment, wenn in der konzentrierten Stille laut und für alle hörbar plötzlich unser Gedärm zu uns spricht. Können wir dann wenigstens sagen "Entschuldigung, ich habe heute nicht gefrühstückt", sind wir noch gut dran. Magenknurren, wenn der leere Magen also nur Luft umwälzt, ist sozial einigermaßen akzeptiert – teilnahmsvoll werden die anderen sagen: "Oh, dann essen Sie aber schnell mal was!"

Yael Adler
(Quelle: Markus Höhn)

Zur Person

Dr. med. Yael Adler ist Fachärztin für Dermatologie, Venerologie, Phlebologie und Ernährungsmedizin (DGEM). Seit 2007 praktiziert sie in ihrer eigenen Praxis in Berlin. Ihr Talent, komplexe medizinische Sachverhalte anschaulich und unterhaltsam zu vermitteln, stellt sie seit Jahren in Vorträgen, Veranstaltungsmoderationen und den Medien unter Beweis. Über Prävention und Therapien spricht sie regelmäßig in ihrem Podcast "Ist das noch gesund?". Ihre Bücher "Haut nah" und "Darüber spricht man nicht" standen auf Platz 1 der "Spiegel"-Bestsellerliste. Mit ihrem letzten Buch "Genial vital! – Wer seinen Körper kennt, bleibt länger jung" durfte sich die leidenschaftliche Ärztin erneut über diese Spitzenplatzierung freuen.

Wenn es aber so ein inneres Blubbern, Blähen oder Rauschen ist, wird es richtig unangenehm. Denn hier lassen wir das Publikum ja akustisch eindrucksvoll an unseren inneren Verdauungsvorgängen teilnehmen, am Hin- und Herbewegen unseres Darminhalts und natürlich auch am Freiheitsruf angehaltener Blähungen.

Manch einer beginnt nervös auf dem Stuhl hin und her zu rutschen, weil er in sich spürt, was gleich losgehen wird. Populär sind dann auch akustische Ablenkungsversuche, wie Räuspern, Hüsteln, oder mit dem Stuhl knarren – manchmal allerdings stellt sich dadurch gerade erst die volle Aufmerksamkeit des Publikums ein, die wir eigentlich unbedingt vermeiden wollten.

Unangenehme Bordgeräusche

Wir sind eben doch nicht nur Geist, sondern in solchen Momenten so was von Körper, genauer gesagt Klang-Körper. Der Hohlraum in Magen und Gedärm klingt mal tief, mal hoch – etwa wie der Resonanzraum einer Gitarre; kleine helle Schwingungen machen hohe Töne, langsame tiefe. Säfte glucksen und plätschern. Dieses polyphone Konzert ist aber nichts im Vergleich zu jenen Geräuschen, die neulich eine elegante Dame zwei Flugzeugsitzreihen vor mir erzeugte: Ihr war dermaßen schlecht, dass sie ihren kompletten Mageninhalt in eine zu diesem Zweck in dem kleinen Netz in der Rückenlehne ihres Vordermannes deponierte Tüte entleerte.

Ihre Brechgeräusche, vor allem aber das sich in Verbindung damit im gut geheizten Kabinenraum zügig ausbreitende Geruchsbukett brachten selbst hart gesottene Vielflieger in die Nähe ähnlicher Körperreaktionen.

Wird Ihnen jetzt auch schlecht? Gut, denn es ist ein Relikt, das wir seit der Steinzeit in uns bewahren: Hatte einer aus dem Clan sich eine Lebensmittelvergiftung eingefangen, war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass auch die anderen bald Probleme damit haben würden. Dieser Verdacht reichte, um vorsorglich für klare Verhältnisse in Magen und Darm zu sorgen. Raus damit!

Es ist ein Schutzreflex

Erbrechen ist also ursprünglich ein Schutzreflex, aber was passiert dabei eigentlich?

Als Erstes wird eingeatmet, dadurch zieht sich das Zwerchfell wie der elastische Riemen einer Steinschleuder nach unten. Die Speiseröhre verkürzt sich, der Magenschließmuskel erschlafft, und der Kehlkopfdeckel dichtet die Atemwege ab, damit da nichts hereinkommt. Dann presst das Zwerchfell samt sich zusammenziehender Bauchmuskeln den Mageninhalt in Richtung Mund. Die Speiseröhre weitet sich und – peng!

Oft kommt auch gleich noch ein bisschen Galle mit. Denn während der vorangegangenen Übelkeit hat der Dünndarm den bereits zersetzten Nahrungsbrei schon nicht mehr in Richtung unseres Hinterausgangs, sondern wieder nach oben ich Richtung Magen gesandt – inklusive der Gallenflüssigkeit, die eigentlich zu Verdauungszwecken in den Dünndarm gespritzt wird.

Hirn und Ohr haben entscheidende Funktionen

Master of Desaster ist das Brechzentrum im Hirnstamm in Verlängerung des Rückenmarks, das auf ganz verschiedene Reize anschlägt. Der Magen-Darm-Trakt läutet Alarm, wenn es dort zu voll wird, wenn es nicht recht vorwärts (abwärts) geht, weil etwas den Weg nach unten versperrt. Oder wenn sich Gifte oder fiese Erreger breitmachen, wenn das vegetative Nervensystem die Vorwärtsverdauung unterlässt, die Bauchspeicheldrüse entzündet ist. Oder uns ein Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwür plagt. Auch unser Großhirn vermeldet psychische Regungen wie Ekel, Brechsucht oder widerwärtige Gefühle.

Selbst die Migräne, eine Störung im Gleichgewicht des Gehirnstoffwechsels mit fehlregulierten Botenstoffen und entzündlichen Veränderungen vor Ort, führt nicht selten zu Übelkeit und Erbrechen. Auch unser Gleichgewichtsorgan im Ohr hat einen heißen Draht zum Brechzentrum und versaut uns jede Kreuzfahrt, wenn nur ordentlich Seegang ist. Giftsensoren im Hirnstamm scannen außerdem Medikamente, Alkohol oder Drogen, gesteigerten Hirndruck durch Gehirnerschütterung oder raumgreifende Tumore. Zu erwähnen wären auch die Hormone, die während der Schwangerschaft Zugriff auf den Reflex haben.

Es müssen jedoch nicht immer gleich die Geräusche von jemandem sein, der sich in unserer unmittelbaren Umgebung erbricht; da reichen viel subtilere akustische Signale, um uns aus dem Lot zu bringen. Manchmal sind es schon die kleinen dezenten Schmatz- und Kaulaute unserer Mitmenschen, die uns tief berühren. Es gibt Leute, die kauen so geräuschvoll wie Pferde, die Gras zermalmen – nicht gerade ein besonders appetitanregendes Geräusch.

Misophonie: Hass auf Geräusche

Mancher leidet darunter derart stark, dass es für dieses Missbehagen sogar eine Diagnose gibt: Misophonie (von griech. misos – Hass und phone – Geräusch) – eine Form der verminderten Geräuschtoleranz gegenüber Geräuschen wie etwa Schmatzen, Kauen, Atmen, Schlucken und Schnäuzen, oder – ganz gefährlich – dem Klappern einer schlecht sitzenden Prothese. Wer von Misophonie betroffen ist, wird von seinen Mitmenschen in den Wahnsinn getrieben.

Er zieht sich zurück und speist lieber allein. Die Ursache dafür ist bislang wenig erforscht.

Vieles deutet auf psychische Gründe wie etwa eine Fehlleitung der Selbstwahrnehmung oder eine in bestimmten Regionen des Gehirns veränderte Aktivität hin.

Crunchy-Effekt bei Senioren

Normalerweise sind gerade die Kaugeräusche Musik in den Ohren der Essenden. Untersuchungen in Seniorenheimen haben gezeigt, dass den Bewohnern das eher lasche, zerkochte, wenn nicht gar passierte Essen gleich besser schmeckte, wenn ihnen dazu Crunchy-Kaugeräusche vorgespielt wurden.

Andererseits sorgt das in vielen Familien als Todsünde gebrandmarkte Fernsehen während der Mahlzeiten dafür, dass man sich stärker auf eine geräuschvolle Vorabendserie konzentriert als auf das Kauen und Malmen der anderen am Tisch. Leider kam dabei auch heraus, dass man automatisch mehr in sich hineinschaufelt, wenn beim Essen der Fernseher läuft.

Bleiben Sie also geräuschflexibel und kommen Sie gesund durch die Zeit!

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Eigene Meinung
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