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HomeGesundheitYael Adler: Gesundheit!

Alkohol zur Verdauung? Dieser Mythos hält nicht stand


Beliebt an den Festtagen
Das hat fatale Konsequenzen

MeinungEine Kolumne von Dr. med. Yael Adler

07.12.2024Lesedauer: 4 Min.
Alkohol trinken: Bei Frauen und Männern ergeben sich unterschiedliche Alkoholmengen im Blut.Vergrößern des Bildes
Alkoholkonsum in geselliger Runde: An den Festtagen wird viel Wein, Bier und Schnaps konsumiert. (Quelle: VioletaStoimenova/getty-images-bilder)
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In der Adventszeit steigt der Kalorienkonsum, und viele greifen zu einem Schnaps zur Verdauung. Doch anders, als diverse Mythen behaupten, hat Alkohol nach üppigem Essen ganz andere Effekte.

Advent und Weihnachten, da ist wieder Trubel in unseren vier (Magen-)Wänden angesagt: Die Menge, die schnelle Abfolge und der Kaloriengehalt unserer Mahlzeiten schnellen auf Jahreshoch, dabei fühlen wir uns alles andere als schwere-los. Also erst mal was zur Verdauung! Möglichst hochprozentig soll er sein, der Magentröster. Aber erfüllt er wirklich unsere Erwartungen?

Yael Adler
(Quelle: Markus Höhn)

Zur Person

Dr. med. Yael Adler ist Fachärztin für Dermatologie, Venerologie, Phlebologie und Ernährungsmedizin (DGEM). Seit 2007 praktiziert sie in ihrer eigenen Praxis in Berlin. Ihr Talent, komplexe medizinische Sachverhalte anschaulich und unterhaltsam zu vermitteln, stellt sie seit Jahren in Vorträgen, Veranstaltungsmoderationen und den Medien unter Beweis. Über Prävention und Therapien spricht sie regelmäßig in ihrem Podcast "Ist das noch gesund?". Ihre Bücher "Haut nah" und "Darüber spricht man nicht" standen auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste. Mit ihrem letzten Buch "Genial vital! – Wer seinen Körper kennt, bleibt länger jung" durfte sich die leidenschaftliche Ärztin erneut über diese Spitzenplatzierung freuen.

Alkohol, chemisch Ethanol, ist ein toxischer Stoff, den der Körper schnell loswerden will – und zwar überwiegend über die Leber. Denn dort wandelt ein Enzym Ethanol in Acetaldehyd um, ein sehr schädliches Zellgift. Folglich hat Alkohol beim Abbau Priorität: Solange er im Körper ist, werden andere Nährstoffe wie Fett oder Kohlenhydrate weitaus weniger effizient abgebaut. Sie werden also erst mal nicht verbrannt, sondern stattdessen gespeichert. Zusätzlich hemmt Alkohol die Fettverbrennung in der Leber und begünstigt die Umwandlung überschüssiger Kalorien in Triglyzeride, die sich munter in Fettzellen wiederfinden.

Beim Essen bleibt der Blutzucker oft erst einmal stabil, bei Alkohol auf leeren Magen hingegen kann man sogar unterzuckern. Und für Diabetiker sind diese Schwankungen gefährlich, weil schwer kontrollierbar.

Cocktails sind tückisch

Die Auswirkungen variieren jedoch noch nach Art des Alkohols: Reine Spirituosen wie Wodka, Gin oder Whisky enthalten keinen Zucker und senken vor allem durch den Alkoholgehalt den Blutzucker. Trockenere Weine, wie Rot- oder Weißwein, haben nur wenig Restzucker, während liebliche Weine oder Dessertweine den Blutzucker zunächst klettern lassen. Bier, aus Malz hergestellt, enthält Kohlenhydrate, die den Blutzucker hochtreiben, obwohl sein Alkoholgehalt gleichzeitig die Glukoseproduktion hemmen kann.

Besonders tückisch sind Cocktails: Sie kombinieren gern hochprozentigen Alkohol mit zuckerhaltigen Zutaten wie Cola, Fruchtsäften oder Sirup. Dadurch steigt der Blutzucker an, um später durch den Alkohol wieder abzufallen.

Belohnungssystem springt an

Mit rund 7 Kalorien pro Gramm steht Alkohol fast auf einer Stufe mit Fett. Zu viel Bier oder Wein treibt also die Kilos nach oben. Alkohol verändert auch unseren Hormonhaushalt: Ghrelin, das "Hungerhormon", steigt an, während Leptin, das das Sättigungsgefühl signalisiert, sinkt. Das erklärt den Heißhunger auf alles Mögliche beim und vor allem nach dem Trinken. Außerdem stimuliert Alkohol das Belohnungssystem im Gehirn, setzt Dopamin frei und macht uns entspannter, was die Hemmschwelle für ungesunde Snacks zusätzlich senkt. Alkohol macht süchtig, weil Dopamin positive Gefühle wie Entspannung oder Euphorie erzeugt. Bei regelmäßigem Konsum passt sich das Gehirn an den Alkohol an: Körpereigene beruhigende Effekte werden geschwächt, und beim Ausbleiben des Alkohols drohen Entzugserscheinungen wie Unruhe, Angst oder Zittern.

Gleichzeitig entwickelt sich allmählich eine Toleranz: Es wird immer mehr Alkohol nötig, um die gleiche entspannende Wirkung zu erzielen. Auf der Langstrecke verändert Alkohol das Gehirn dauerhaft, wodurch ein Teufelskreis der Abhängigkeit entsteht. Anfällig dafür sind Menschen mit genetischer Veranlagung: Bestimmte Gene erhöhen das Risiko, Alkohol als positiv zu empfinden oder langsamer abzubauen. Auch psychische Faktoren wie Stress, Ängste, Depressionen und Traumata steigern die Anfälligkeit, wenn Alkohol als Bewältigungsstrategie dient. Ein weiterer Risikofaktor ist ein sozialer oder beruflicher Kontext, in dem regelmäßig getrunken wird. Jugendliche sind besonders gefährdet, weil ihr Belohnungssystem im Gehirn auf Alkohol oft schneller anspringt und sie riskanter konsumieren.

Fast jedes Organ wird geschädigt

Die Suchtkrankheit hinterlässt nicht nur Spuren im Körper, sie wird auch sichtbar auf der Haut. Alkohol blockiert die Aufnahme essenzieller Vitamine wie A, C und B-Komplex, was die Hautalterung beschleunigt und sie müde und blass macht. Mineralien wie Zink, Magnesium und Eisen fehlen oft, besonders Zinkmangel beeinträchtigt die Wundheilung und macht die Haut anfällig für Ekzeme. Durch die entwässernde Wirkung von Alkohol trocknet sie aus, sie wirkt schlaff und lässt feine Linien stärker hervortreten. Gleichzeitig erweitern sich die Blutgefäße. Dadurch kann es zu Rötungen kommen. Am Morgen nach dem Alkoholkonsum lagert sich gegebenenfalls Wasser im Gesicht ein. Chronische Entzündungen können die Folge sein.

Langfristiger übermäßiger Alkoholkonsum schädigt fast jedes Organ in unserem Körper und steigert das Krebsrisiko für Mundhöhlenkrebs, Rachenkrebs, Kehlkopfkrebs, Speiseröhrenkrebs, Leberkrebs, Brustkrebs, Darmkrebs, Magenkrebs oder Bauchspeicheldrüsenkrebs. Dazu kommen Fettleber, Entzündungen (Hepatitis) und Leberzirrhose, Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen und ein erhöhtes Schlaganfallrisiko.

Alkohol schädigt unsere kognitiven Fähigkeiten und erhöht das Risiko für Depressionen, Angststörungen und Demenz. Hinzu kommen soziale und emotionale Folgen: Beziehungen zerbrechen, berufliche Existenzen geraten ins Wanken, man isoliert sich zunehmend.

Höchstmenge bei Frauen geringer

Der chronische Konsum von Alkohol verändert zudem den Stoffwechsel. Bei Alkoholikern wird der Abbau zunehmend über einen anderen Abbauweg, das Cytochrom-P450-System (CYP2E1) vollzogen. Das führt zu Wechselwirkungen mit Medikamenten. Alkohol steigert die Aktivität des Enzymsystems, das viele Medikamente verstärkt abbaut und zu einer verminderten Wirksamkeit oder erhöhten Giftigkeit führen kann.

Also, to drink or not to drink? Die kritisch diskutierte Höchstmenge liegt bei maximal 10 Gramm reinem Alkohol pro Tag für Frauen und 20 g für Männer. Das sind ca. 125 ml Wein oder 330 ml Bier pro Tag für Frauen und die doppelte Menge für Männer – und das bitte an mindestens zwei Tagen pro Woche nicht. Die WHO und viele Präventionsmediziner sehen gar in jedem Tropfen Alkohol einen zu viel. Einen sicheren Schwellenwert gibt es nicht. Schwangere, Stillende und bei Einnahme bestimmter Medikamente – Finger weg!

Lieber einen Kräuetrtee trinken

Und nun zum saisonal aktuellen Mythos: Ein Verdauungsschnaps wird oft als hilfreich empfunden. Das ist aber reiner Humbug: Alkohol verlangsamt nämlich die Verdauung, er hemmt die Aktivität der Magenmuskulatur und reduziert unsere Magensäureproduktion. Der entspannende Effekt auf die Magenwand kann zwar subjektiv angenehm sein, führt aber nicht zu einer schnelleren Verdauung.

Ein Kräuterlikör kann allenfalls durch die enthaltenen Bitterstoffe die Verdauung leicht anregen, der Alkohol selbst aber hemmt die Fettverdauung, da die Verdauungsenzyme und die Aktivität der Gallenblase minimiert werden. Besser wäre es, Wasser zu trinken oder Kräutertee und eine Runde um den Block zu laufen.

Bleiben Sie prozentresistent und kommen Sie gesund durch die Zeit.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Eigene Meinung
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