Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Wenn gestern und heute verschwimmen Die schleichende Volkskrankheit
Eine Demenzerkrankung ist für Betroffene und Angehörige ein schwerer Schlag. Mit welchen Herausforderungen viele kämpfen müssen – und wie sich dem Leiden vorbeugen lässt, weiß unsere Kolumnistin Dr. Yael Adler.
Manchmal kommen mitten im Leben stehende Patienten ziemlich deprimiert in meine Sprechstunde; nicht, weil sie selbst krank wären, sondern, weil bei einem Elternteil Demenz diagnostiziert wurde.
Den Verfall und den Verlust der Persönlichkeit der Eltern oder auch des Partners, mit dem man lange Zeit durchs Leben gegangen ist, mit ansehen zu müssen, ist schwer zu verkraften. Ungewissheit macht Angst – wie wird diese Krankheit den Betroffenen verändern, was wird dabei dem Partner oder der ganzen Familie abverlangt?
Zur Person
Dr. med. Yael Adler ist Fachärztin für Dermatologie, Venerologie, Phlebologie und Ernährungsmedizin (DGEM). Seit 2007 praktiziert sie in ihrer eigenen Praxis in Berlin. Ihr Talent, komplexe medizinische Sachverhalte anschaulich und unterhaltsam zu vermitteln, stellt sie seit Jahren in Vorträgen, Veranstaltungsmoderationen und den Medien unter Beweis. Über Prävention und Therapien spricht sie regelmäßig in ihrem Podcast "Ist das noch gesund?". Ihre Bücher "Haut nah" und "Darüber spricht man nicht" standen auf Platz 1 der "Spiegel"-Bestsellerliste. Mit ihrem letzten Buch "Genial vital! – Wer seinen Körper kennt, bleibt länger jung" durfte sich die leidenschaftliche Ärztin erneut über diese Spitzenplatzierung freuen.
Alzheimer macht sich schleichend bemerkbar
Mit etwa 60 Prozent aller Demenzerkrankungen ist Alzheimer die häufigste Form. Sie beginnt langsam und schleichend mit kleineren Problemen im Kurzzeitgedächtnis: Sachen werden verlegt, man kann sich nur schwer konzentrieren und hat Orientierungsprobleme.
Im fortgeschrittenen Stadium ist dann auch das Langzeitgedächtnis betroffen: Patienten können sich immer weniger an Dinge aus der Vergangenheit erinnern, ihnen nahestehende Personen werden nicht mehr erkannt. In späteren Demenzstadien bauen sie auch körperlich ab und sind schließlich auf Pflege angewiesen.
Was bei Alzheimerpatienten im Gehirn passiert
Das Gehirn schrumpft, die Kommunikation der Nervenzellen untereinander funktioniert nicht mehr, und Informationen werden nicht mehr weitergeleitet, Nervenzellen sterben ab. Charakteristisch sind Eiweißablagerungen zwischen den Nervenzellen (Beta-Amyloid-Plaques) und innerhalb der Nervenzellen (Tau-Fibrillen).
Im gesunden Zustand sind Tau-Proteine wichtig für den Transport von Nährstoffen und Substanzen in der Nervenzelle. Beta-Amyloid, ein natürlich im Körper vorkommendes Eiweiß, wird im gesunden Gehirn mühelos gespalten und abgebaut. Beide Proteine sind bei Alzheimer chemisch verändert und können dann nicht mehr abgebaut werden. Als Zellmüll stören sie die Kommunikation in und zwischen den Zellen und bewirken die Zerstörung der Verbindungen.
Leider sind die Ursachen für diese chemische Veränderung immer noch nicht eindeutig erkannt. Nicht mehr funktionierende Mitochondrien, die Kraftwerke unserer Zellen, können eine Rolle spielen. Eine beruhigende Nachricht für alle Angehörigen von Erkrankten: Nur etwa ein Prozent der Alzheimer-Fälle ist vererbt, die meisten treten spontan auf.
Verschiedene Formen von Demenz und ihre Merkmale
- Die vaskuläre Demenz rührt von Durchblutungsstörungen im Gehirn her, die oftmals plötzlich einsetzen. Die Symptome können denen der Alzheimer-Demenz ähneln. Allerdings treten Ausfälle nur dort auf, wo das Gehirn regional gestört ist. Eine vaskuläre Demenz wirkt sich im Grunde wie viele kleine Schlaganfälle an verschiedenen Stellen im Gehirn aus: Die Durchblutung ist hier punktuell zum Stillstand gekommen, das unversorgte Hirngewebe geht zugrunde. So kann es zu isolierten Problemen kommen, etwa mit der Konzentration, dem Zuhören, dem Sprechen oder der Orientierung. Auch Wesensveränderungen und psychiatrische Symptome sind möglich. Manchmal ist die vaskuläre Demenz mit Depressionen verbunden, aber auch körperlich sind die Betroffenen zuweilen verlangsamt; sie können nicht mehr gut gehen oder haben Störungen bei der Blasenentleerung. Das Gedächtnis kann dabei durchaus länger erhalten bleiben.
- Die sogenannte frontotemporale Demenz, auch Pick-Krankheit oder Morbus Pick genannt, zeigt Veränderungen in der Persönlichkeit. Oft sind Betroffene reizbar und aggressiv, manchmal fallen sie durch peinliches oder taktloses Benehmen auf. Sie können maßlos essen oder wirken völlig teilnahmslos.
- Bei der Lewy-Body-Demenz lagern sich Eiweißreste des Transportproteins Alpha-Synuclein in den Nervenzellen der Großhirnrinde ab. Es reguliert unter anderem die Dopaminausschüttung. Daher zeigen sich oft Störungen der Motorik, die den Symptomen einer Parkinson-Erkrankung ähneln können. Typisch sind auch optische Halluzinationen, bei denen die Betroffenen Dinge oder Personen sehen, die gar nicht da sind.
Leider sind die meisten Demenzformen bislang nicht gut behandelbar und schreiten voran. Therapeutisch versucht man, den Hirnstoffwechsel und die Ausschüttung von Botenstoffen mit Medikamenten zu beeinflussen. So können Patienten ihren Alltag besser bewältigen. Es bleibt dabei wichtig, das Gehirn zu nutzen, so gut es geht, und für Bewegung und soziale Kontakte zu sorgen.
Dem Gehirn etwas Gutes tun – und Gedächtnisverlust vorbeugen
Der Hausarzt sollte unbedingt den Blutdruck kontrollieren und einstellen – durch Veränderungen im Lebensstil und gegebenenfalls durch Medikamente. Die größte Geißel des Gehirns ist nämlich der Bluthochdruck, gefolgt von zu hohem Cholesterin und zu hohen Blutzuckerwerten. Diese sollten daher überprüft und behandelt werden. Fest steht: Würde man in Deutschland den Blutdruck aller Menschen gut einstellen, könnte man rund 50 Prozent aller Schlaganfälle verhindern.
Setzen Sie zudem auf mediterrane Kost: Fisch, Gemüse, Hülsenfrüchte und Olivenöl mit einfach ungesättigten Fettsäuren scheinen einen schützenden Einfluss zu haben. Angeraten ist dagegen der Verzicht auf zu große Mengen von Milch und Milchprodukten, rotem Fleisch und gesättigten Fettsäuren.
Eiweiß und die darin enthaltenen Aminosäuren (besonders Tryptophan, Tyrosin, Phenylalanin und Glycin) sind die Basis zur Bildung von Gehirnbotenstoffen. Dafür sind die Vitamine B6, B12, C und Folsäure sowie die Mineralstoffe Zink, Magnesium, Kupfer und Eisen notwendig. Durch die mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren wird die Stabilität der Zellmembranen gewährleistet, was man zumindest präventiv nutzen sollte: Samen, Nüsse, Hülsenfrüchte, dunkelgrünes Gemüse, Bananen, Beeren, Fisch, Meeresfrüchte, Fleisch und Innereien versorgen uns mit Mikronährstoffen für die Nerven.
Auch folgende Gewürze und Kräuter können dem Gehirn Gutes tun:
Bockshornklee (meist im Curry), Chili, Gewürznelken, Ingwer, Knoblauch, Koriandersamen, Kreuzkümmel, Kurkuma mit Pfeffer, Safran (am besten als Fäden), Senfkörner, Zimt, Oregano, Rosmarin, Thymian und etliche mehr.
Sorgen Sie auch für eine gesunde Darmflora und setzen Sie auf präbiotische lösliche Ballaststoffe und probiotische Nahrungsmittel! Sparen Sie Salz! Mehr als ein Teelöffel voll sollte es nicht sein – dabei auch die in Lebensmitteln bereits versteckten Mengen nicht vergessen. Salz fördert, zumindest im Mäuseversuch, Demenz. Nicht nur der Blutdruck stieg, in den Mäusen wurde auch eine immunologische Entzündung gemessen, die die Hirndurchblutung verschlechterte und die Ausschüttung von Entzündungsbotenstoffen anheizte.
Und zuletzt: Fordern und trainieren Sie Ihr Gehirn – mit Apps, Kreuzworträtseln, Sudoku. Oder aber man liest Bücher, schreibt Texte, spielt Bridge oder Schach, geht ins Theater und diskutiert darüber mit Freunden, spielt ein Instrument, tanzt oder lernt Italienisch. Geistiges Futter ist ein hervorragendes Gehirntraining, optimal im Kreis von Mitmenschen.
Halten Sie sich geistig wach und kommen Sie gesund durch die Zeit.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Eigene Meinung