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Arztsprache entziffern: Medizinersprache verstehen – Tipps für Patienten


Kopfzerbrechen bei vielen Patienten
So verstehen Sie die Geheimsprache Ihres Arztes

MeinungEine Kolumne von Dr. med. Yael Adler

17.08.2024Lesedauer: 4 Min.
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Lieber einmal öfter nachfragen: Befunde sind in medizinischer Fachsprache verfasst und für Patienten deshalb oft unverständlich.Vergrößern des Bildes
Lieber einmal öfter nachfragen: Befunde sind in medizinischer Fachsprache verfasst und für Patienten deshalb oft unverständlich. (Quelle: Tom Werner/getty-images-bilder)

Wenn Mediziner fachsimpeln, verstehen Patienten oft kein Wort. Dabei geht es um ein wichtiges Gut: Ihre Gesundheit. Unsere Kolumnistin Dr. Adler gibt Tipps für solche Situationen.

Wer früher Ärztin oder Arzt werden wollte, musste erst einmal Latein lernen – Medizin und Latein gehörten irgendwie zusammen. Doch als ich das Große Latinum endlich geschafft hatte, stellte sich heraus, dass es für das Medizinstudium auch ein Semester "Latein für Mediziner" getan hätte. Dabei prägen lateinische und griechische Begriffe bis heute die Medizin; das rührt natürlich daher, dass die Heilkunst im antiken Griechenland die Wiege unserer europäischen Medizin war.

Einige Ärzte nutzen Geheimsprache bewusst

Weil sich Mediziner während des Studiums und auch im Arbeitsalltag zum Großteil in der Welt der Fachbegriffe und Codes bewegen, fällt es ihnen manchmal schwer, diese später wieder zu verlassen – etwa im Gespräch mit den Patienten. Es soll sogar Kollegen geben, die diese Geheimsprache ganz bewusst einsetzen: Arztlatein als eine Sammlung mystischer Formeln, die gar nicht verstanden werden müssen – gerade das Mystische macht sie so wirksam! Mancher denkt dabei an Schamanensprüche, die man ja auch nicht verstehen müsse. Im Gegenteil: Sie wirken, weil sie so geheimnisvoll und rätselhaft sind.

Yael Adler
(Quelle: Markus Höhn)

Zur Person

Dr. med. Yael Adler ist Fachärztin für Dermatologie, Venerologie, Phlebologie und Ernährungsmedizin (DGEM). Seit 2007 praktiziert sie in ihrer eigenen Praxis in Berlin. Ihr Talent, komplexe medizinische Sachverhalte anschaulich und unterhaltsam zu vermitteln, stellt sie seit Jahren in Vorträgen, Veranstaltungsmoderationen und den Medien unter Beweis. Über Prävention und Therapien spricht sie regelmäßig in ihrem Podcast "Ist das noch gesund?". Ihre Bücher "Haut nah" und "Darüber spricht man nicht" standen auf Platz 1 der "Spiegel"-Bestsellerliste. Mit ihrem letzten Buch "Genial vital! – Wer seinen Körper kennt, bleibt länger jung" durfte sich die leidenschaftliche Ärztin erneut über diese Spitzenplatzierung freuen.

Weil nun der eine oder andere Kollege jedoch auch ein Interesse daran hat, dass seine Patienten ihm folgen und umsetzen können, was er ihnen empfiehlt, hält er nach einem komplizierten Fachbegriff gekonnt inne, blickt sein Gegenüber bedeutungsvoll an und übersetzt das Gesagte noch einmal in verständliches Deutsch. Damit ist der Kollege sehr erfolgreich. Schamane und Erklärer in einem – seine Patienten jedenfalls lieben ihn dafür.

Patentrezept, um andere zu beeindrucken

Wer Medizin studiert oder später als Arzt arbeitet, muss hin und wieder auch Vorträge halten. Bei der Struktur des Vortrags halten sich viele Kollegen gern an ein Drei-Säulen-Modell:

  1. Bekannte Informationen
  2. Neues, das man als Zuhörer versteht
  3. Neues, das hochwissenschaftlich klingt, dem Publikum aber nahezu unverständlich ist

Der Mix aus diesen drei Elementen scheint das Patentrezept für einen guten und erfolgreichen Vortrag zu sein. Selbstverständlich ist die dritte Säule eine sportliche Herausforderung und soll vor allem die Mitstudenten oder später die Kollegen auf Fachkongressen beeindrucken. Doch im Grunde erzählt sie manchmal auch von Hybris und Arroganz genauso wie von Hemmungen und Minderwertigkeitskomplexen, unter denen nun mal auch einige Mediziner leiden.

Die Verwendung einer komplizierten Sprache kann also mehrere Gründe haben. Sie kann Schutzpanzer sein, von Ignoranz und fehlendem Verständnis für die Bedürfnisse des Gegenübers zeugen oder der Demonstration von Macht und Herrschaftswissen dienen.

Da rutscht das Herz förmlich in die Hose

Für Patienten ist die Fachsimpelei weniger lustig. Ein Beispiel: Eine 25-jährige Patientin treibt gerne Sport, bemerkt aber seit einiger Zeit nach dem Training hin und wieder Herzrhythmusstörungen. Erst bleibt ihr Herz fühlbar stehen, dann rumpelt es pochend und unregelmäßig wieder los. Besonders unheimlich wird das Ganze, wenn sie abends im Bett liegt und zur Ruhe kommen will. Die junge Frau wird von Panik erfasst und sucht eine Kardiologin auf. Nach umfassender Untersuchung teilt ihr die Ärztin die Diagnose mit: "Sie leiden unter supraventrikulären Extrasystolen mit kompensatorischer Pause."

Aha, das klingt schon mal gefährlich. Jetzt rumpelt das Herz der Patientin nicht mehr nur, es rutscht ihr förmlich in die Hose! Dabei hätte ihr die Herzspezialistin diesen Schockmoment gut und gerne ersparen können, hätte sie einfach Folgendes gesagt: "Ich habe gute Nachrichten für Sie: Ihr Leiden ist harmlos und betrifft viele Menschen, vor allem junge Frauen und Sportler und auch Personen, die sehr übermüdet sind. Man muss es nicht behandeln. Es sind ungefährliche Herzrhythmusstörungen. Dabei entsteht am Erregungszentrum im Vorhof des Herzens ein Extraimpuls, der für einen Moment das Herz pausieren lässt, ohne dass dies zu einem Problem für den Körper wird. Das Herz wird kurz darauf weiter fröhlich vor sich hin pumpen. Wir sollten jetzt prüfen, ob Sie einen Mangel an Eisen, Magnesium oder Kalium haben. Vielleicht können wir Ihr Herz dadurch etwas unterstützen. Und bitte achten Sie auf ausreichend Schlaf!"

Das klingt konstruktiv, optimistisch und vor allem verständlich. Fachbegriffe dürfen gewiss fallen, sollten aber unbedingt eingeordnet und erklärt werden. Andernfalls wird der Patient ohne Grund nur weiter verunsichert.

Wie Sie als Patient durchblicken

Gut und verständlich zu kommunizieren, haben die Ärzte meiner Generation in der Regel im Studium nicht gelernt, und später im Beruf sind sie einfach nur auf "Learning by doing" angewiesen. Doch die gute Nachricht: Als Patient können Sie hier Ersthelfer und Korrektiv sein! Wenn Sie den Arzt nicht oder nur teilweise verstehen, sollten Sie ihn einfach darum bitten, gerade geäußertes Fachchinesisch verständlich zu übersetzen. Das ist Ihr gutes Recht, das Sie auch unbedingt wahrnehmen sollten.

Wichtig für Sie ist auch, dass Ihnen die Diagnose lesbar aufgeschrieben wird. So haben Sie hinterher die Möglichkeit, noch einmal genauer nachzulesen, was dahintersteckt. Sie können sich sogar ganze Befunde kostenlos (!) in leicht verständliche Sprache übersetzen lassen, und zwar von einem Sozialprojekt, das von Medizinstudenten ins Leben gerufen wurde. Unter www.washabich.de können Sie im Internet einen Befund anonym hochladen und ein paar Tage später die Übersetzung abrufen.

Einige Ärzte sind schon dazu übergegangen, den medizinischen Sachverhalt oder die Vorgänge und Veränderungen bei einer Operation in kurzen Skizzen aufzuzeichnen: Wie wird man bei der anstehenden OP vorgehen? Woher kommen die Schmerzen in der Brust? Wo genau befindet sich der Verschluss des Blutgefäßes, und mit welchen Methoden wird das Gefäß nun wieder aufgeweitet? Der Vorteil ist nicht nur der, dass Sie im Anschluss eine nette Zeichnung in Händen halten: Ein zeichnender Arzt redet langsamer und wird zur Anschaulichkeit gezwungen.

Haben Sie keine Furcht vor Ärztelatein und kommen Sie gesund durch die Zeit!

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Eigene Meinung
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