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Intimhygiene: Expertin erklärt, warum der Po immer noch ein Tabuthema ist


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Kolumne "Gesundheit!"
Warum der Po immer noch ein Tabuthema ist

MeinungEine Kolumne von Dr. med. Yael Adler

Aktualisiert am 20.01.2024Lesedauer: 4 Min.
Der Rücken einer Frau im Bad: Analhygiene ist für viele Menschen immer noch mit Tabus behaftet.Vergrößern des Bildes
Der Rücken einer Frau im Bad: Analhygiene ist für viele Menschen immer noch mit Tabus behaftet. (Quelle: sirawit99/imago-images-bilder)
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Ästhetik, Hygiene, Sexualität: Unser Hintern bietet ganz viele Reizthemen. Warum das so ist und warum uns das juckt, erklärt unsere Expertin Yael Adler.

Vor Jahren wurde in Frankreich eine ältere Dame interviewt, die sich zügig auf ihren 100. Geburtstag zubewegte. "Ich habe nur eine einzige Falte", verkündete sie stolz: "Ich sitze drauf!" Schön, wer das von seinem Po sagen kann. Mitunter nämlich ist es gar nicht so einfach, sich auf Dauer ein Po-sitives Verhältnis zu dieser Körperpartie zu bewahren: Die große Analfalte ist unter all unseren Körperfalten eine Art Diva – auch wenn sie von uns vorwiegend im Dunkeln gehalten wird.

Unsere rückwärtige Körperöffnung weckt die unterschiedlichsten Assoziationen. Für die einen ist es nur der gut versteckte diskrete Hinterausgang, den feste Stoffwechselprodukte nehmen, wenn sie unseren Körper, respektive Darm, verlassen.

Andere sehen im Anus lediglich ein hygienisches Problem, fürchten Geruchsbelästigung oder Bremsspuren in der Unterwäsche. Wieder andere betrachten ihn fröhlich als Sexualorgan, in dem man allerhand Spaß haben kann, besonders wegen der durch ihre vielen Nervenfasern empfindlichen Haut um den Analring. Keine Krisenregion, sondern eine erogene Zone!

Yael Adler
(Quelle: Markus Höhn)

Zur Person

Dr. med. Yael Adler ist Fachärztin für Dermatologie, Venerologie, Phlebologie und Ernährungsmedizin (DGEM). Seit 2007 praktiziert sie in ihrer eigenen Praxis in Berlin. Ihr Talent, komplexe medizinische Sachverhalte anschaulich und unterhaltsam zu vermitteln, stellt sie seit Jahren in Vorträgen, Veranstaltungsmoderationen und den Medien unter Beweis. Über Prävention und Therapien spricht sie regelmäßig in ihrem Podcast "Ist das noch gesund?". Ihre Bücher "Haut nah" und "Darüber spricht man nicht" standen auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste. Mit ihrem letzten Buch "Genial vital! – Wer seinen Körper kennt, bleibt länger jung" durfte sich die leidenschaftliche Ärztin erneut über diese Spitzenplatzierung freuen.

Ein sehr sensibler Ort

Ganz gleich, wie wir zu unserer Hinterpforte stehen: Ihre reichhaltige Bakterienflora, die Menge an Duft- und Schweißdrüsen, der reibende Haut-auf-Haut-Kontakt bei Bewegung sowie das Hygieneverhalten rund um den Po sorgen dafür, dass die Analfalte ein sehr sensibler und anfälliger Ort ist.

Es gibt also kaum ein Körperteil, bei dem die Gegensätze so nah beieinanderliegen: Ein schöner Po ist sowohl für Frauen als auch für Männer ein absoluter Hingucker und ein möglicher Auslöser für sexuelle Begierde. Wir verbinden mit ihm Erotik, assoziieren mit einem knackigen Männerpo eine gute Potenz und mit sehr weiblichen Rundungen ein gebärfreudiges Becken. Und doch gibt es eine Seite am Po, über die man nicht so gerne spricht. Zum Beispiel, wenn es unangenehm riecht oder dort gar juckt.

Wenn's stinkt, gehen wir in den Selbstschutzmodus

Übler Geruch besitzt für uns generell eine Alarmfunktion. Wenn es irgendwo stinkt, gehen wir in Deckung. Gestank signalisiert, dass Gefahr lauert. Wo es mieft, besteht potenziell ein Risiko für Krankheit. Als archaisches Wesen schaltet der Mensch sofort in den Selbstschutzmodus, er atmet flach oder hält die Luft an, neigt sogar zur Flucht. Die Pupse, die jemand Fremdes etwa im Aufzug hinterlassen hat, sind ein wahrer Alptraum für unser Riechorgan. Nur unsere eigenen Duftmarken sind davon interessanterweise ausgenommen.

Wie gesagt: Die Ästhetik und Erotik des Körperteils Po stehen in krassem Kontrast zu dem, was wir sonst noch damit verbinden. Nahezu jeder Mensch macht im Leben mindestens einmal Bekanntschaft mit Juckreiz am Po, aber kaum einer spricht darüber – ein Tabuthema in einer Tabufalte.

Juckreiz: Bloß nicht zu viel waschen!

Die Ursachen für diesen Analjuckreiz können vielfältig sein: Das Sensibelchen reagiert nämlich schnell mal über. Die Analhaut ist so zart, dass kleinste Verletzungen durch zu aggressives Sauberreiben, durch Verletzungen beim Sex, Reibung beim Sport in Verbindung mit Schweiß und Pofaltenbehaarung sehr rasch Juckreiz hervorrufen.

Häufigster Auslöser ist nicht etwa ein ungewaschener Hintern, sondern ganz im Gegenteil: ein zu intensiv geseifter, gequälter Po. Wenn es dort juckt, denkt der Mensch, dass die Pofalte nun erst recht intensiv gewaschen werden möchte, "weil sie doch bestimmt dreckig ist". Sofort beginnt er, die ohnehin schon geschundene Haut mit noch mehr Seife zu malträtieren. In Wirklichkeit wird gerade der Rest an Schutzfunktionen weggewaschen. Und die Verzweiflung ist groß, dass sich trotz Schrubben und Seifen – und womöglich Feuchttüchern – immer noch Geruchsreste erschnuppern lassen.

Jede Intimregion inklusive Anus hat einen bestimmten Eigenduft, den Sie mit keinem Hygieneprodukt der Welt losbekommen. Er ist nicht etwa von Schmutz oder Stuhlresten bestimmt, sondern wird durch die körpereigenen Duftdrüsen verströmt. Sie sollten ihn also als naturgegeben hinnehmen. Ähnliches gilt so auch für den Duft im Genitalbereich.

Das radikale Poseifen führt deshalb zum Juckreiz, weil sich leicht Seifenreste in der Rosette sammeln. Die Rosette hat ihren Namen daher, dass der Sphinkter, der äußere Schließmuskel des Anus, außen viele Fältchen aufweist, die – jetzt wird es besonders poetisch – wie die Blüte einer Rose aussehen. In diesen zarten Fältchen entfalten Seifenreste allerdings eine toxische Wirkung. Schnell entsteht ein juckendes Analekzem. Der Teufelskreis aus noch intensiverem Waschen und noch schlimmerem Jucken geht in die nächste Runde.

Ursachenforschung im Analbereich

Dennoch muss bei Analjuckreiz nach weiteren Ursachen geforscht werden. Neben Krankheiten wie Schuppenflechte und Neurodermitis in der Pofalte können ausgeleierte Hämorrhoiden den Frieden empfindlich stören. Das sind Krampfadern im Anus, direkt hinter dem Schließmuskel. Jeder Dritte leidet darunter. Sie dienen eigentlich dazu, das Poloch abzudichten, wie ein aufblasbarer Dichtungsring, und so das Austreten von Stuhl oder Schleimhautsäften zu verhindern.

Wenn diese Adern jedoch ausleiern und wie verbeulte Schläuche aussehen, leckt der Schließmechanismus, und es treten Minimengen an Flüssigkeit aus dem Po aus. Sie sammeln sich in der Rosette und der Analfalte, reizen die Haut und führen ebenfalls zu einem juckenden Analekzem.

Wenn alle Familienmitglieder dem Juckreiz erliegen, kann es sein, dass fadenförmige Madenwürmer im Analbereich Wohnung genommen haben. Bei Mädchen und Frauen können sie auch die Vagina entzünden. Die Würmer kriechen nachts aus dem Anus und deponieren draußen Eier, die dann tagsüber nach unten fallen und von der Familie wie Staub eingeatmet werden. Wer jetzt hemmungslos kratzt, hat das Material schließlich auch unter den Fingernägeln.

Was gegen Juckreiz am Po hilft

Es gibt verschiedene Alltagsprozeduren, mit denen man im Allgemeinen gut über die Runden kommt: Reinigen Sie den Po vorzugsweise nur mit Wasser. Wem das nicht reicht, der kann mit einem milden sauren (ca. pH 5) synthetischen Tensid (Zucker- oder Kokostenside) waschen und danach gründlich abspülen.

Wird der Juckreiz akut, beruhigen Sitzbäder mit Schwarztee, Eichenrinde oder künstlichem Gerbstoff. Zur Vorbeugung und Therapie von Reizungen gibt es weiche, reichhaltige Zinkpaste oder verschiedene Cremes mit und ohne Kortison. Hier und generell bei andauernden Beschwerden wäre aber der Rat des Facharztes einzuholen.

Ballaststoffreiche Nahrung und mindestens zwei Liter Flüssigkeit am Tag, viel Bewegung und ein ausgewogener Magnesiumspiegel machen den Stuhlgang flutschig und beweglicher.

Sind Sie älter als 55 Jahre, sollten Sie turnusmäßig zur von der Krankenkasse bezahlten Darmspiegelung gehen.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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