Plötzlicher Herztod So viele könnten durch Erste Hilfe gerettet werden
Jedes Jahr sterben Zehntausende Menschen nach plötzlichem Herzstillstand. Mit einer sofortigen Wiederbelebung wäre das vermeidbar, meint ein Experte.
Bernd Böttiger, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin des Universitätsklinikums Kölns, spricht von mindestens 70.000 Menschen, die jedes Jahr in Deutschland an plötzlichem Herzversagen sterben – vermutlich seien es aber noch deutlich mehr.
Als Todesursache sei "der plötzliche Herz-Kreislauf-Stillstand fast so häufig wie alle Krebserkrankungen zusammen", sagt Böttiger. Er ist sicher: Wüssten alle Menschen, wie Wiederbelebung funktioniert, "könnten wir jedes Jahr zusätzlich 10.000 Menschenleben bei uns retten".
Mehrere Ursachen für einen Herzstillstand
Im Durchschnitt, so der Experte, seien vom plötzlichen Herzstillstand betroffene Menschen etwa Mitte 60. Rund zwei Drittel von ihnen seien Männer. Hauptursache können demnach ein Herzinfarkt oder schwere Herzrhythmusstörungen sein. Seltener seien Entzündungen des Herzmuskels oder der Herzkranzgefäße oder angeborene Anomalien.
"Bei jüngeren, gesunden Menschen sind all diese Dinge sehr, sehr selten, aber nicht ausgeschlossen." Insbesondere bei jungen Sportlern ist ein plötzlicher Herzstillstand sehr unerwartet. Bei ihnen könnten Entzündungen ausschlaggebend sein.
Möglicherweise könne eine Grippe oder ähnliche Erkrankung unbemerkt auf das Herz schlagen. Der Herzstillstand könne die Menschen dann aus heiterem Himmel treffen – "selbst wenn man noch so aktiv und gut in ärztlicher Behandlung ist", mahnt Böttiger.
Bei Leistungssportlern ist ein anderer Auslöser denkbar
Philipp Sommer, Sprecher der Arbeitsgruppe Rhythmologie der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), verweist darauf, dass besonders bei Leistungssportlern auch sogenannte Ionenkanalerkrankungen als Auslöser denkbar seien.
Dadurch, dass Leistungssportler normalerweise regelmäßige medizinische Checks absolvierten und kontinuierlich sportliche Höchstleistungen erbrächten, sei ein dysfunktionales Herz bei ihnen unwahrscheinlich. Bei den vererbbaren Ionenkanalerkrankungen sei das Herz "strukturell völlig in Ordnung", erklärt Sommer.
Es handele sich letztlich um vererbbare Erregungsstörungen der Muskulatur oder des Nervensystems, die in normalen medizinischen Checks nicht auffielen.
Was ist zu tun, wenn das Herz nicht mehr schlägt?
Im Ernstfall zähle jede Sekunde, betont Böttiger. Schließlich werde dann kein Blut mehr durch den Körper gepumpt, das die Organe mit Sauerstoff versorgt. Am sensibelsten reagiere das Gehirn auf Sauerstoffmangel. "Ohne Sauerstoff stirbt das Gehirn nach drei bis fünf Minuten." Und so schnell sei meist der Notarzt nicht da.
Wenn man bei einem Menschen einen plötzlichen Herzstillstand erlebe, seien drei Schritte entscheidend: "prüfen, rufen, drücken". Zunächst müsse geprüft werden, ob die hilfsbedürftige Person bewusstlos sei und nicht oder nicht normal atme.
Dazu sprechen Sie die Person laut und deutlich an und rütteln Sie sie vorsichtig, aber bestimmt an der Schulter. Wenn die Person nicht reagiert, können Sie davon ausgehen, dass sie bewusstlos ist. Einen Atemstillstand erkennen Sie daran, dass sich der Brustkorb nicht mehr bewegt und Sie weder ein Atemgeräusch hören noch einen Lufthauch spüren, wenn Sie Ihr Ohr nah über Mund und Nase der bewusstlosen Person halten.
Dann gelte es, Hilfe zu rufen – am besten über den Notruf 112. Danach könne eine schnelle, effektive Herzdruckmassage, die jeder beherrschen sollte, Leben retten, sagt der Experte. Je später die beginne, desto geringer die Überlebenschancen.
Herzdruckmassage: Bekannte Lieder als Orientierung
Wichtig sei, die Herzdruckmassage möglichst ununterbrochen durchzuführen, um von außen die Pumpfunktion des Herzens aufrechtzuerhalten, bis der Rettungsdienst eintreffe, erklärt Böttiger.
Knien Sie sich am besten neben den Oberkörper der bewusstlosen Person. Legen Sie eine Hand auf die Mitte des Brustkorbs, sodass Ihr Handballen auf der unteren Hälfte des Brustbeins liegt. Legen Sie dann Ihre andere Hand darauf und strecken Sie Ihre Arme durch.
Drücken Sie den Brustkorb fünf bis sechs Zentimeter tief ein – 100 bis 120 Mal in der Minute. Orientierung könne der Takt vieler bekannter Lieder geben – etwa "Stayin' alive" von den Bee Gees oder "Atemlos" von Helene Fischer.
Wichtig: Achten Sie darauf, dass Sie nicht seitlich auf die Rippen verrutschen oder Ihre Hände zu weit unten platzieren.
"Richtig fest drücken"
Wenn mehrere Menschen vor Ort Erste Hilfe leisten können, sei es sinnvoll, sich abzuwechseln. Wenn noch eine Person übrig sei, könne die sich nach einem Defibrillator umsehen.
Böttiger warnt aber ausdrücklich davor, diesen vor der Herzdruckmassage zu suchen. "Prüfen, rufen, drücken ist die Pflicht, ein Defibrillator die Kür." Im Ernstfall warnt Böttiger auch vor Zurückhaltung aus Angst, den Menschen zu verletzen. "Ich habe noch nie erlebt, dass jemand zu stark gedrückt hat. Wichtig ist: richtig fest drücken."
Der Defibrillator ist im Notfall leicht zu bedienen. Über aufgedruckte Zeichnungen oder eine eingebaute Sprachfunktion gibt er an, welche Handgriffe in welcher Reihenfolge zu tun sind.
Wichtig ist: Arbeiten Sie gemeinsam. Einer setzt die Herzdruckmassage fort, der andere klebt die beiden Elektroden-Pflaster auf den nackten Oberkörper der bewusstlosen Person. Eine Elektrode sollte unterhalb des rechten Schlüsselbeins aufgeklebt werden, die andere an der linken Brustkorbseite unterhalb der Achselhöhle. Machen Sie mit der Herzdruckmassage so lange weiter, bis das Gerät Sie auffordert, sie zu unterbrechen.
Deutlicher Nachholbedarf bei Wiederbelebung durch Laien
In Deutschland sieht Böttiger, der auch Vorstandsvorsitzender des Deutschen Rates für Wiederbelebung ist, deutlichen Nachholbedarf bei der Wiederbelebung durch Laien.
Nur in etwa 40 Prozent der Fälle führten Passanten als Ersthelfer die lebensrettende Herzdruckmassage aus. Länder wie Dänemark seien hier viel weiter. "Genauso, wie jeder Fahrrad fahren kann oder fast jeder schwimmen kann, sollte auch jeder wiederbeleben können."
Der Erste-Hilfe-Kurs für den Führerschein komme viel zu spät – vielmehr brauche es ab der siebten Klasse mindestens zwei Stunden pro Schuljahr, in denen Kinder und Jugendliche Wiederbelebung lernten, fordert Böttiger.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Nachrichtenagentur dpa
- gesundheitsinformation.de: Was ist bei der Wiederbelebung wichtig? (Stand: Oktober 2021)
- gesundheitsinformation.de: Wie benutzt man einen automatisierten externen Defibrillator (AED)? (Stand: Oktober 2021)