Burn-out-Syndrom Experte: "Burn-out gibt es gar nicht"
Vom Burn-out liest man in Ratgeberzeitschriften und auch im Bekanntenkreis hört man vieles darüber. Doch Experten kritisieren die Bezeichnung und sagen sogar: Ein Burn-out-Syndrom gibt es gar nicht. Das Syndrom ist auch nach Meinung des Bestsellerautors und Psychiaters Manfred Lütz ein reiner Modebegriff. "Burn-out gibt es als Krankheit gar nicht", sagt er gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. "Irgendwann ging mal durch die Presse: Neun Millionen Burn-out-Kranke in Deutschland. In Wirklichkeit haben wir keinen einzigen Burn-out-Kranken, denn Burn-out ist keine Krankheit."
"Burn-out-Experten überschätzt"
Natürlich gebe es auch wirklich kranke Menschen, die mit dem diffusen Begriff "Burn-out" belegt würden. Sie hätten aber in Wahrheit zum Beispiel eine Depression. Burn-out sei ein Mischmasch an Beeinträchtigungen, die jeder mal habe, zum Beispiel Schlaflosigkeit oder Konzentrationsstörungen. Den Leuten werde aber eingeredet, sie seien krank und müssten sich behandeln lassen. "Das Schlimmste sind die selbsternannten Burn-out-Experten", sagt Lütz, der das Alexianer-Krankenhauses in Köln leitet. Deren Ratschläge seien meist von erstaunlicher Banalität. "Wenn jemand 16 Stunden am Tag schuftet und sich dabei nicht wohlfühlt, dann haben diese Experten den Rat, dass der mal kürzertreten solle."
Was Psychotherapeuten leisten könnten, werde von Laien oft völlig überschätzt. "Es besteht heute vielfach der Eindruck, Psychotherapeuten seien die Experten fürs Leben, für Lebensglück, Sinn des Lebens und so weiter, was natürlich völliger Unsinn ist. Im besten Fall können Psychotherapeuten irgendeine Störung beseitigen, etwa Waschzwang." Psychotherapie helfe aber nicht gegen einen tyrannischen Chef. "Oder wenn zum Beispiel eine Partnerschaft kaputt geht. Natürlich ist man da tief erschüttert. Das geht jedem so. Aber das ist keine Krankheit."
Kritik am Modewort "Burn-out" auch von der Deutschen Depressionshilfe
Auch andere Experten wie Ulrich Hegerl von der Stiftung Deutsche Depressionshilfe haben in der Vergangenheit Kritik an dem Begriff Burn-out geäußert: "Der Begriff klingt zunächst harmlos - er führt aber in die Irre", so Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung. "Es gibt auch keine Behandlung für Burn-out, weil es keine Definition gibt." Früher habe man von Erschöpfungsdepressionen gesprochen. Inzwischen versuchten selbsternannte Burn-out-Kliniken Manager mit Privatversicherungen in ihre Häuser zu locken.
Keine klare Klassifikation für Burn-out
Um der inflationären Verwendung des Begriffes Burn-out Einhalt zu gebieten, hat die Stiftung fünf Gründe gegen die Verwendung des Modebegriffs formuliert. Erstens: Dieser sei nicht in den maßgeblichen internationalen Klassifikationssystemen definiert. Dementsprechend gibt es keine Diagnose. Zweitens: Ein Großteil der Menschen, die wegen "Burn-outs" eine längere Auszeit nehmen, leiden an einer depressiven Erkrankung. "Alle für die Diagnose einer Depression nötigen Krankheitszeichen liegen vor, wozu immer auch das Gefühl tiefer Erschöpfung gehört", sagt Hegerl. Drittens: Der Begriff werde oft unbewusst als weniger stigmatisierende, alternative Bezeichnung für Depression verwendet.
Urlaub hilft nicht gegen Depressionen
Als vierten Grund gegen den Modebegriff Burn-out führen die Experten an, dass viele dem Trugschluss verfallen, längerer Schlaf und Urlaub seien gute Bewältigungsstrategien. Ist der Mensch aber depressiv erkrankt, sind diese Maßnahmen nicht empfehlenswert und oft sogar gefährlich. Denn längere Bettruhe kann bei Menschen mit Depressionen die Erschöpfung verstärken und die Stimmungslage verschlechtern. Dagegen ist Schlafentzug eine etablierte antidepressive Behandlung bei stationärer Behandlung. Auch sei eine Urlaubsreise für depressiv Erkrankte nicht förderlich. Denn die Depression reist mit.
Depression sollte als solche genannt werden
Fünftens: Eine Vermengung von Stress, Burn-out und Depression könnte zu einer Verharmlosung der Depression führen. Stress, gelegentliche Überforderungen und Trauer seien Teil des oft auch bitteren und schwierigen Lebens und müssten nicht medizinisch behandelt werden. Depression dagegen ist den Forschern zufolge eine schwere, oft lebensbedrohliche Erkrankung. Depression unterscheidet sich wesentlich von dem Gefühl der Erschöpfung, das wohl jeder Mensch bisweilen morgens vor dem Aufstehen und auch nach einem langen Arbeitstag kennt. Der beste Weg zu einem optimalen Umgang mit der Erkrankung sei es, eine Depression auch Depression zu nennen.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.