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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Schadstoffe aus Alltagsprodukten "Ewigkeitschemikalien": Fast jeder ist belastet
Fluorierte Alkylverbindungen sind in der Industrie sehr beliebt, stehen aber im Verdacht, der Gesundheit zu schaden. Eine neue Studie zeigt, wie stark sie verbreitet sind.
Wasser- und schmutzabweisende Kleidung oder beschichtete Pfannen sind im Alltag praktisch und daher sehr beliebt. Allerdings stehen die Chemikalien, die diese Eigenschaften erzeugen, im Verdacht, Übergewicht und Krebs zu fördern und verschiedene Organe zu schädigen.
Ein Team von Forschenden aus Deutschland und den Niederlanden hat in einer aktuellen Studie untersucht, wie stark die Bevölkerung in beiden Ländern mit den sogenannten per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS) belastet ist. Sie werden auch als "Ewigkeitschemikalien" bezeichnet.
Was sind per- und polyfluorierte Alkylverbindungen?
Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen sind eine Gruppe von Industriechemikalien, die eine sehr große Anzahl von Substanzen umfasst. Die Chemikalien sind wasser-, fett- und schmutzabweisend und kommen daher in vielen Alltagsprodukten mit diesen Eigenschaften vor (siehe weiter unten). Zudem sind sie sehr stabil gegenüber chemischen und thermischen Einflüssen und daher besonders langlebig. Aus diesem Grund werden PFAS auch als "Ewigkeitschemikalien" bezeichnet.
PFAS-Chemikalien sind allgegenwärtig
Die hohe Stabilität der Chemikalien ist für die Industrie ein Vorteil. Für die menschliche Gesundheit und die Umwelt ist sie jedoch ein Nachteil. Denn so gelangt ein Großteil der PFAS über das Grundwasser in die Umwelt und in unsere Lebensmittel. Erst einmal im Körper bleiben die Chemikalien dort eine ganze Weile. Denn dort beträgt die Halbwertszeit der PFAS circa vier bis neun Jahre.
Um herauszufinden, wie stark die Bevölkerung in Deutschland und den Niederlanden belastet ist, hat das Forschungsteam Blutproben von über 2.500 Personen (Frauen und Männer im Alter zwischen 30 und 89 Jahren) aus Bonn und Leiderdorp analysiert. Zusätzlich bestimmten sie die Konzentration von 224 Blutfetten, Aminosäuren und anderen Stoffwechselprodukten.
Das Ergebnis: Die PFAS-Chemikalien waren im Blut nahezu aller Probanden nachweisbar. Dabei gab es keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Wohnorten oder dem Geschlecht der Studienteilnehmer. Auch Faktoren wie Rauchen, Alkohol und Übergewicht beeinflussten die Blutwerte kaum.
Info: PFAS-Aufnahmewege
Frühere Forschungen haben gezeigt, dass der Mensch PFAS hauptsächlich über Lebensmittel und das Trinkwasser aufnimmt. Aber auch der Kontakt mit Produkten, die PFAS enthalten, ist ein Aufnahmeweg. Zudem nehmen bereits Babys PFAS über die Muttermilch auf.
"Ewigkeitschemikalien" stören Fettstoffwechsel
Aus der Analyse der Blutfette, Aminosäuren und anderen Stoffwechselprodukten leiteten die Studienautoren zudem ein weiteres Ergebnis ab. Ihnen zufolge stünden PFAS im Zusammenhang mit einem negativen Effekt auf den Fettstoffwechsel. Dieser sei unter anderem durch erhöhte Werte an Gesamtlipiden, Fettsäuren und Cholesterin gekennzeichnet.
Da erhöhte Blutfettwerte ein Risikofaktor von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind, leiten die Autoren ab, dass die PFAS-Exposition das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen kann. Auch wenn sie gleichzeitig darauf hinweisen, dass die Studie noch kein Beweis dafür sei, dass die PFAS-Chemikalien tatsächlich Verursacher der ungünstigen Blutfett-Profile sind.
Mehr Informationen dazu, warum erhöhte Blutfettwerte Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen, erhalten Sie hier:
Das Fazit der Autoren: Zum einen zeigten die Ergebnisse zwar, dass PFAS keine unmittelbare Gesundheitsgefahr für Probanden sind. Zum anderen scheinen selbst niedrige PFAS-Werte in der Bevölkerung einen schädlichen Einfluss auf den Fettstoffwechsel zu haben. Daher gibt es möglicherweise keine Konzentration, die als unbedenklich gilt.
Mehr Informationen dazu, warum PFAS gefährlich sein können und in welchen Gebieten in Deutschland sie besonders verbreitet sind, finden Sie hier.
In diesen Produkten können PFAS enthalten sein
Aufgrund der besonderen Eigenschaften kommen PFAS seit ihrer Erfindung in den 1950er-Jahren in vielen Industriebereichen, aber auch in unzähligen Alltagsprodukten vor, etwa in:
- antihaftbeschichteten Pfannen, Backformen oder Waffeleisen
- Outdoor- und Funktionskleidung sowie Wanderschuhen
- schmutz- und wasserabweisenden Textilien oder Möbeln
- fettabweisenden Lebensmittelverpackungen (etwa Pommestüten oder Mikrowellen-Popcorn)
- Zahnseide
- Kosmetik
- Pflanzenschutzmitteln
- Farben und Lacken
Info: Kann man PFAS auf Produkten erkennen?
Ob ein Produkt PFAS enthält, lässt sich in der Regel nicht erkennen, da es in den meisten Produktbereichen keine Kennzeichnungspflicht für diese Chemikalien gibt. Allerdings werben einige Hersteller mit Aufdrucken wie "Frei von PFAS", "frei von PFC", "fluorfrei". Diese Werbeaussagen umfassen die gesamte Stoffgruppe mit ihren mehr als 10.000 Mitgliedern. Hinweise wie "PFOA/PFOS-frei" oder "GenX-frei" deuten hingegen darauf hin, dass nur zwei bestimmte Einzelstoffe von mehr als 10.000 PFAS nicht enthalten sind.
Fazit
Die Studie zeigt, dass Menschen in Mitteleuropa PFAS-Chemikalien kaum entgehen können, unabhängig von den Lebensumständen oder anderen Einflussfaktoren. Zudem wurde ersichtlich, dass selbst geringe Mengen PFAS möglicherweise gesundheitsschädlich sein können und es daher keine unbedenklichen Mengen gibt. Deshalb fordert das Forschungsteam eine strengere Kontrolle dieser Chemikalien, um die Gesundheit der Menschen zu schützen.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- springer.com: "Per- and Polyfluoroalkyl Substances Concentrations are Associated with an Unfavorable Cardio-Metabolic Risk Profile: Findings from Two Population-Based Cohort Studies". (Stand: Februar 2024; englisch)
- bmuv.de: "Per- und polyfluorierte Chemikalien (PFAS)". (Stand: März 2024)
- verbraucherzentrale.de: "Ewigkeits-Chemikalien PFAS: Wo sie stecken, warum sie problematisch sind". (Stand: März 2024)