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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Alarm in Frankreich Neuartiges Virus befällt die menschliche Leber
Circoviren infizierten bislang Tiere wie Vögel und Schweine. Nun wurde in Frankreich der erste Fall einer menschlichen Infektion bekannt.
Aus dem Institut Pasteur in Paris kommen beunruhigende Nachrichten: Die dortigen Mediziner haben erstmals einen Vertreter der Circoviren entdeckt, der auch Menschen krankmachen kann. Sie tauften den Erreger " HCirV-1" (humanes Circovirus 1), wie aus ihrer Studie hervorgeht. Was bislang bekannt ist.
Was sind Circoviren?
Erstmals entdeckt wurden Circoviren im Jahr 1974. Ihr Name leitet sich von ihrer Struktur ab: Ihre DNA ist zu einem Ring oder Kreis geformt (aus dem Lateinischen – "circulus" für "Kreis"). Über sie ist wenig bekannt. Bislang befielen sie ausschließlich Tiere, bei ihnen verursachten sie Atemwegs-, Nieren-, Haut- und Fortpflanzungsprobleme. Besonders tödlich sind sie für Papageienvögel, auch bei Schweinen wurden sie nachgewiesen. Für Menschen galten sie als harmlos.
Der Fall in Frankreich
In der Pressemitteilung des Forschungszentrums Pasteur erklärt der Virologe Marc Eloit, Mitautor der Studie: "Die Patientin hatte eine ungeklärte chronische Hepatitis (Leberentzündung, Anmerkung der Redaktion) mit wenigen Symptomen. Sie hatte vor 17 Jahren eine Herz-Lungen-Transplantation erhalten und wurde seitdem regelmäßig überwacht. Wir hatten über mehrere Jahre Zugang zu einer großen Anzahl von Proben und waren daher in der Lage, dieses neue Virus zu identifizieren. Das wär völlig unerwartet."
Die Frau wurde Anfang 2022 wegen einer chronischen Hepatitis ins Krankenhaus eingeliefert. Alle gängigen Erklärungsmodelle blieben in ihrer Diagnostik erfolglos: Weder war sie mit einem der typischen Hepatitis-Erreger infiziert, noch ließen sich andere bekannte Bakterien oder Viren nachweisen. Auch konsumierte sie keine für ihre leberschädigende Wirkung bekannten Präparate wie Alkohol, Drogen oder bestimmte Medikamente.
Mittels computergestützter Algorithmen konnte schließlich eine Gensequenz unbekannter Herkunft ermittelt werden, die sich als ein neuartiges Circovirus entpuppte. Es kann menschliche Leberzellen infizieren, vermehrt sich in ihnen und führt daher zu Schäden in dem Organ.
Welche Symptome zeigte die Patientin?
Nach Aussage der Forscher zeigte die Frau nur milde Symptome. Klassischerweise geht eine Leberentzündung mit den folgenden Krankheitsanzeichen einher:
- allgemeines Unwohlsein,
- Appetitlosigkeit
- Fieber
- Müdigkeit
- Durchfall, Übelkeit und Erbrechen.
- Gelbsucht (Gelbfärbung der Haut und der Augen).
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Wie hat die Frau sich angesteckt?
Das bleibt für die Wissenschaftler weiter ein Rätsel. Weder war die immungeschwächte Frau vor ihrer Infektion verreist, noch hatte sie eine Bluttransfusion erhalten. Die DNA-Analyse ergab zudem: HCirV-1 stammt nicht von den in Europa bei Vögeln oder Schweinen vorkommenden Circoviren ab. Eher scheint es sich um eine Verwandtschaft mit bei exotischen Wildtieren bekannten Virenvarianten zu handeln.
"Wir vermuten, dass HCirV-1 zwar tierischen Ursprungs ist, aber möglicherweise durch ein Nahrungsmittel übertragen wurde, ähnlich wie das Hepatitis-E-Virus", heißt es in der Mitteilung des Instituts. Diese Variante einer Hepatitis kann durch nicht vollständig gegartes Schweine- oder Wildfleisch oder aus ihnen hergestellte Produkte übertragen werden. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist möglich, aber bislang sehr selten.
Wie wird das Virus übertragen?
Auch das ist bislang völlig unklar. Allerdings ergaben Untersuchungen der Patientin, dass HCirV-1 auch in ihrem Speichel, im Urin und im Kot nachweisbar war. Dennoch bleibt bislang offen, ob ein Kontakt mit Körperflüssigkeiten oder eventuell sogar der Atemluft zu einer Ansteckung führen kann.
Die Forscher entwickelten bereits einen PCR-Test für das neue Virus. Im Frühjahr 2022 wurde vor allem in Großbritannien, aber auch in anderen Ländern, eine Reihe von schweren und ungeklärten Hepatitis-Fällen bei Kindern gemeldet. Ob ein Zusammenhang zu dem neu entdeckten Virus besteht, bleibt allerdings unklar.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.