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Das Bierglas der Zukunft spricht mit Ihnen


16.07.2022Lesedauer: 5 Min.
Ein herkömmliches Bier-Exklusivglas von Rastal: Der Mittelständler plant die Trink-Revolution.Vergrößern des Bildes
Ein herkömmliches Bier-Exklusivglas von Rastal: Der Mittelständler plant die Trink-Revolution. (Quelle: Adrian Röger/t-online)
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In den 1960er-Jahren revolutionierte die Firma Rastal die deutsche Trinkkultur – mit dem exklusiven Markenglas. Jetzt plant das Unternehmen einen weiteren Coup.

Wenn Carsten Kehrein am Wochenende mit Freunden ein Bier trinkt, ist die Arbeit immer mit dabei. Denn die Gläser, in denen die Getränke serviert werden, hat er mit großer Wahrscheinlichkeit selbst kreiert.

Kehrein ist seit 1994 Designer des Glasveredlers Rastal aus dem kleinen Ort Höhr-Grenzhausen im Westerwald. Rastal gilt als Erfinder des Exklusivglases – ein Glas, das wegen seines Designs und seiner Form nur einer Getränkemarke zuzuordnen ist. "Überall auf der Welt findet man die Gläser von Rastal", erzählt Kehrein t-online.

Die Idee des Exklusivglases kam Rastal im Jahre 1964, das erste in der Kneipe war der Bit-Pokal der Bitburger-Brauerei. Bei Rastal feiern sie es als revolutionäre Idee – die bald auch andere Firmen mit Erfolg umsetzen.

Prominentestes Beispiel: Das Unternehmen Sahm, das aus demselben Ort, gar derselben Familie stammt (mehr dazu lesen Sie hier). Doch Rastal hat die nächste Idee schon parat. Firmenchef Thomas Nieraad kündigt vollmundig "die nächste Revolution der Trinkkultur aus dem Hause Rastal" an.

120 Millionen Gläser im Jahr

Woher aber kommt der Erfolg des Exklusivglases? Simone Loose, Professorin für Betriebswirtschaft des Wein- und Getränkesektors an der Hochschule Geisenheim, nennt das Glas ein "optimales Instrument der Kundenbindung". "Es ist wie ein Werbefilm im Restaurant. Beim Glas ist die Marke ganz dicht am Konsumenten", sagt sie t-online.

Bis zu 120 Millionen Gläser im Jahr stellt Rastal her, weit mehr als 100 Gefäße hat Kehrein, der seit 2001 Chefdesigner ist, mittlerweile kreiert – für Marken wie Guinness, Krombacher, Coca-Cola oder Campari. "Am Anfang hat mich das sehr stolz gemacht, die Trinkkultur mitzuprägen", sagt er.

Mittlerweile jedoch, nach knapp 30 Jahren im Unternehmen, habe er sich daran gewöhnt, berichtet er. Auch deshalb ist Kehrein froh, dass sich Rastal vor sechs Jahren etwas Neues ausgedacht hat: das "Smart Glass".

So funktioniert das Glas der Zukunft

Dabei handelt es sich, der Name lässt es vermuten, um nicht weniger als das digitalisierte Bierglas, inklusive sogenanntem NFC-Chip. Mit dieser Technologie lässt sich das Smartphone direkt mit dem Glas verbinden.

Wenn also ein Biertrinker in einer Kneipe sein Handy an sein Trinkgefäß hält, soll auf seinem Gerät die Botschaft des Glases aufpoppen: etwa Gewinnspiele, Sonderaktionen, Werbeclips oder Cocktail-Rezepte. Sogar Audiobotschaften übers Smartphone sind möglich.

Auch können die Menschen mit dem Smart Glass in der Kneipe direkt ein Freibier gewinnen. Allerdings, folgt sogleich die Einschränkung, sei es nicht möglich, aus einem Bierglas mehrere Freigetränke zu ergattern, sagt Kehrein.

"Viel mehr als nur ein Chip am Trinkglas"

Sein Chef Nieraad fasst zusammen: "Mit dem Smart Glass gehen wir weit über unsere traditionellen Kernkompetenzen hinaus. Das ist kein Standardprodukt, viel mehr als nur ein Chip am Trinkglas."

Eigene Entwickler beschäftigt Rastal noch nicht, bislang läuft die Entwicklung nahezu komplett extern. Dennoch, so Nieraad: "Es ist unser Ziel, dass es genauso erfolgreich wird wie das Exklusivglas."

Zweifelsfrei große Ambitionen, die vor allem wegen der eigentlichen Funktion des Smart Glass zünden sollen, erhoffen sich die Glasfabrikanten. Abgesehen von Aktionen und Vorteilen für Kunden ist das Glas eines: ein riesiges Werbe- und Datensammel-Instrument für die Brauereien, deren Namen auf dem Trinkgefäß prangen.

Trinken Menschen bei einem Helene-Fischer-Konzert schneller als bei ACDC?

Oder, wie Nieraad es ausdrückt: "Mit dem Smart Glass gewinnen Brauereien und Getränkehersteller ganz neue und sehr wichtige Daten. Zum Beispiel: Trinken Menschen bei einem Helene-Fischer-Konzert schneller als bei ACDC? Oder ab welcher Temperatur wird eigentlich weniger Bier getrunken?" Im Fachjargon nennt sich das "Customer Insights", zu Deutsch: Kundeneinblicke.

Firmen könnten auch den Erfolg ihrer Marketingkampagnen direkt sehen und anpassen, sollten sie nicht wie gewünscht angenommen werden, so der Rastal-Chef. Sämtliche Infos landen in einer Cloud, die von der Deutschen Telekom betrieben wird.

In Einklang mit Datenschutz

Das alles geschehe, versichert Nieraad, vollkommen in Übereinstimmung mit Datenschutzgesetzen. Denn: Jedes Glas ist einem individuellen Code zugeordnet, mit dem etwa festgestellt werden kann, wo sich das Glas auf der Welt befindet.

Der Bierkunde muss folglich seinen Standort nicht freigeben, er muss sich auch nicht registrieren, um an den Aktionen teilzunehmen. Das bleibt ihm freigestellt. Die Getränkefirmen könnten also gar nicht wissen, wer genau gerade das Bier genießt – sondern nur etwa, wie viele Biere aus dem Glas getrunken werden.

Bislang hat Rastal gerade einmal 500.000 smarte Gläser produziert, also nur ein Bruchteil der gesamten Jahresproduktion an Gläsern. Im kommenden Jahr jedoch sollen es deutlich mehr werden. Wie damals mit dem Exklusivglas will Rastal 2023 zusammen mit Bitburger das Smart Glass massenhaft unter die Leute bringen, so Nieraad. Bitburger zeige einen hohen "Pioniergeist". "Insofern ist das toll, jetzt gemeinsam ein großes Roll-out beim Smart Glass zu starten."

Expertin hat Zweifel

Wie erfolgreich der wird, hängt auch davon ab, ob die Kunden das Glas annehmen. Marketingexpertin Loose hat da ihre Zweifel. "Der Sensationseffekt wird beim Smart Glass sicher da sein", sagt sie. "Allerdings dürfte das Interesse an dem Glas schnell nachlassen." Sie fürchtet auch, das Publikum könne recht limitiert sein. "Das Smart Glass wird sich vor allem an jüngere Kunden richten."

Ohnehin sei Deutschland ein "sehr traditionelles Land", was die Trinkkultur angehe, sagt die Expertin. Sie glaubt daher, dass die Idee von Rastal eher in anderen Ländern zünden könne.

Und da wäre auch noch der Preis. Denn das Smart Glass ist in der Entwicklung und der Produktion deutlich teurer als das herkömmliche Exklusivglas – bis zu zwei Euro, schätzt Nieraad, könne es im Einkauf für Kneipen kosten. Doppelt so viel wie das Exklusivglas also, und dafür ist eine hohe Stückzahl nötig.

"Nicht nur zum Trinken da"

Der Firmenboss lässt sich davon nicht beirren. "Letztlich macht es keinen wirklichen Unterschied, was ein Smart Glass kostet", so Nieraad. "Es ist so viel effizienter als ein herkömmliches Glas. Denn das Smart Glass ist bei Weitem nicht nur zum Trinken da." Es werde "zum perfekten Kanal für die direkte Interaktion mit dem Konsumenten", sagt er.

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Sein Kollege Kehrein setzt ebenfalls auf den Erfolg des Glases. Auch um seinen Job zu erhalten. "Mathematisch gesehen gibt es irgendwann keine neuen Formen, keine neuen Designs mehr", sagt der Glasveredler.

"Wenn ich ehrlich bin: Nach 28 Jahren als Designer bei Rastal bin ich froh, dass es mit dem Smart Glass eine neue Herausforderung gibt. Das digitale Glas kommt zur richtigen Zeit." Er hofft, es werde "Rastal und meinen Job auf eine ganz neue Ebene heben".

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Carsten Kehrein und Thomas Nieraad
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